Anetta Kahane über Antisemitismus

„Solche Fälle sind nicht weg, weil Gil Ofarim gelogen hat“

08:20 Minuten
Gemeinsames Handeln gegen Antisemitismus gefordert 2021-11-0, Deutschland, Berlin - Bundespressekonferenz: Der Beauftrag
Auch sie habe sich mitreißen lassen, räumt Anetta Kahane im Rückblick über die von Gil Ofarim erhoben Antisemitismusvorwürfe ein. © imago images/Jürgen Heinrich
Anetta Kahane im Gespräch mit Axel Rahmlow · 01.04.2022
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Schnell machte der vom Musiker Gil Ofarim erhobene Vorwurf des Antisemitismus im vergangenen Herbst die Runde. Doch offenbar war dieser falsch. Die Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, räumt ein, auch sie habe zu schnell reagiert.
Anfang Oktober 2021 in Leipzig. Der Musiker Gil Ofarim nimmt ein Video auf, in dem er einem Mitarbeiter eines Hotels Antisemitismus vorwirft. In wenigen Stunden geht der Fall viral. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin.
Nun wurde bekannt, dass die Ermittlungen gegen den Hotelangestellten eingestellt worden sind. Hingegen wurde Anklage gegen Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung erhoben.

Empfehlung, sich zu entschuldigen

Auch die Gründerin und ehemalige Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, solidarisierte sich im vergangenen Herbst mit Ofarim. Sie sei damals davon ausgegangen, dass der Vorwurf stimme – so wie in den allermeisten Fällen. Das habe ihr ihre dreißigjährige Erfahrung gezeigt.
Zudem sei es ein typischer Fall, schließlich sei „Antisemitismus ja nicht aus der Luft gegriffen“. Und: "Solche Fälle sind nicht weg, weil Gil Ofarim gelogen hat."
Wenn nun Ofarims Vorwurf falsch sei und er gelogen habe, sei dies „eine ganz große Schande für ihn“, unterstreicht Kahane. Sie empfehle dem Musiker, sich bei dem Hotelmitarbeiter zu entschuldigen.

Manche nutzen Sensibilität aus

Ein Problem bei dem Fall sei gewesen, dass er zu schnell an der Öffentlichkeit war. Vor allem, weil Ofarim als Musiker eine große Reichweite in den sozialen Netzwerken habe. Auch sie habe sich mitreißen lassen, räumt Kahane ein. Doch gibt sie auch zu bedenken, dass bei vielen antisemitischen Vorfällen oftmals keine Öffentlichkeit vorhanden sei.

Ich bin nach wie vor der Meinung, man soll Leuten nicht unterstellen, dass sie lügen. So kann man nicht leben. Ich kann das jedenfalls nicht.

Anetta Kahane

Doch müsse auch der Kontext betrachtet werden: „Wir leben in einem Land, in dem so oft solche Sachen verleugnet wurden“, so Kahane. Erst seit den letzten Jahren gebe es in der Öffentlichkeit eine Sensibilität für die Erfahrung von diskriminierten Gruppen.
Umso schlimmer ist, dass es immer wieder Menschen gebe, „die auf solchen Sensibilitäten reiten“. Das könne man nie ausschließen. „Ich hoffe nicht, dass sich so was wiederholt.“
 (rzr)

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