Amazon-Ring-Überwachungskameras

Smarte Türklingel mit gefährlichen Nebenwirkungen

05:48 Minuten
Nahaufnahme einer Kameralinse.
Dass mit der Haustürklingel eine Kamera verbunden ist, ist inzwischen weit verbreitet. Amazon Ring kann noch mehr. (Symbolbild) © unsplash / Matthias Oberholzer
Von Felix Wessel · 21.12.2019
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Eine Türklingel, die Menschen per Push-Mitteilung und Video informiert, wenn sich jemand ihrem Haus nähert: "Amazon Ring" klingt nach mehr Sicherheit. Aber die Technik und die dazugehörige App haben auch Schattenseiten.
Wenn bei Steph und ihrem Verlobten Justin in Milwaukee jemand klingelt oder sich einfach nur der Haustür nähert, bekommen die beiden das auch mit, wenn sie nicht zu Hause sind. Ring, ihre smarte Türklingel mit eingebauter Kamera, schickt eine Push-Mitteilung. Das Video können sie auf dem Smartphone anschauen.
"Es ist viel los in unserer Straße, wir bekommen viele Pakete", erklären die beiden. "Wir mochten die Idee, dass wir wissen konnten, was vor unserer Haustür passiert, wenn wir nicht da waren – nur falls mal irgendwann etwas passieren sollte."
Wie viele dieser Türklingeln im Einsatz sind, gibt Ring nicht bekannt. Die Firma, die mittlerweile zu Amazon gehört, bietet nicht nur Geräte wie die smarte Türklingel an. Passend dazu gibt es auch eine Art soziales Netzwerk: die Neighbors-App, in der lassen sich Videos hochladen und man kann sich mit seinen Nachbarn austauschen. Mit Fragen wie: Kennt jemand diesen Mann, der versucht hat, mein Paket zu stehlen?

"Es nährt und verstärkt oft Rassismus"

Das kann praktisch sein. Aber es gibt bei solchen Apps auch Schattenseiten, sagt Jay Stanley von der Bürgerrechtsorganisation ACLU:
"Es nährt und verstärkt oft Rassismus, weil es den Menschen erlaubt, all ihren Nachbarn - Zitat - 'verdächtige Dinge' zu melden. Und für einige Leute ist es verdächtig, wenn jemand schwarz ist und sich in ihrer Nachbarschaft aufhält. Das reicht ihnen schon."
Ring verweist auf Anfrage von Breitband auf strenge Community-Richtlinien: Alle Posts in der Neighbors-App würden überprüft, um sicherzugehen, dass sie nicht gegen Richtlinien zu ethnischem Profiling oder Hassrede verstoßen.
Doch es gibt noch mehr Kritik. Über sein Marketing erwecke Amazon den Eindruck, die Sicherheit in den USA nehme ab, sagt Jay Stanley. Dabei sei die Kriminalität so niedrig wie lange nicht.
Leif Otteson sieht vor allem die Vorteile der Technik: eine Art digitale Nachbarschaftshilfe. Otteson ist in Milwaukee für zwei Business Improvement Districts verantwortlich, zwei Vereinigungen von Unternehmern und Unternehmerinnen. Und als ein Schritt für mehr Sicherheit hat die Organisation Geräte von Ring gekauft und sie kostenlos an Unternehmen und Privatpersonen verteilt. Mit einer Erwartung:
"Es gibt keine juristische Verpflichtung, aber wir stellen eine kostenlose Kamera zur Verfügung, die für 250 Dollar verkauft wird. Und im Gegenzug arbeitet man nicht nur mit der Polizei zusammen. Wenn man etwas sieht, teilt man die Informationen mit ihr und auch mit anderen Bewohnern."

Ring kooperiert mit der Polizei

Leif Ottesons Organisation arbeitet mit der Polizei in Milwaukee zusammen. Denn die kooperiert mit Amazon und habe deshalb einen Rabatt auf Ring-Geräte bekommen. Solche Kooperationen hat Ring mittlerweile an Hunderten Orten von Alaska bis Florida.
Die Polizei bekommt einen speziellen Zugang zur Neighbors-App. Wenn irgendwo ein Verbrechen passiert, kann sie zum Beispiel Videos für den Umkreis des Tatorts anfragen – und so auf Beweismaterial in ganz neuer Fülle zugreifen. Amazon profitiert, unter anderem weil die Polizei in Social-Media-Posts auf die Zusammenarbeit aufmerksam macht und damit auch auf die Ring-Produkte und die Neighbors-App. Amazon nehme dabei ganz direkt Einfluss auf die Kommunikation der Polizei, kritisiert Jay Stanley von der Bürgerrechtsorganisation ACLU.
"Dies versetzt die Polizei in die unpassende Lage, so auszusehen, als würden sie Vertrieb für Amazon machen, anstatt der Gemeinschaft als Ganzes zu dienen und neutral zu sein, welche Technologie die Menschen zu Hause einsetzen."
In Green Bay, etwa zwei Autostunden nördlich von Milwaukee, arbeitet die Polizei schon seit mehr als einem Jahr mit Ring zusammen. Kevin Warych von der Polizei dort betont, man respektiere die Privatsphäre der Nutzer und Nutzerinnen:
"Die Polizei schaut nicht rein in die Kameras, loggt sich nicht ein in die Kameras. Sie kann nur Videos anfordern. Und wenn jemand sich dagegen entscheidet, respektieren wir das."

Schlägt Komfort den Datenschutz?

Doch Kritiker sagen: Wenn sie um diese Aufnahmen gebeten werde, dann sei das nie wirklich freiwillig – dafür sei die Polizei zu mächtig. Und sind die Nutzerinnen und Nutzer dabei tatsächlich so anonym, wie Ring und die Polizei erklären? Das US-Portal Gizmodo hat Daten von zehntausenden Posts in der Neighbors-App ausgewertet und damit in einigen US-Städten Karten erstellt. Die sollen einen recht genauen Standort der Kameras anzeigen – und unter Umständen auch Rückschlüsse auf Besitzerinnen und Besitzer erlauben. Ring erklärt dazu auf Breitband-Anfrage: Bei Posts in der Neighbors-App würden keine genauen Adressen angezeigt. Datenschutz und Sicherheit stünden an erster Stelle.
"Man sollte sich wahrscheinlich mehr Gedanken machen über das Thema Privatsphäre. Doch Komfort und ein Gefühl von Sicherheit schlägt manchmal doch den Datenschutz", sagt Ring-Nutzerin Steph.
Und nachdem aus der Garage auf der Rückseite ihres Hauses eine Schneefräse gestohlen wurde, planen Steph und Justin nun, auch dort eine Ring-Kamera zu installieren.
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