Ausstellung "How to Secure a Country"

Nüchternes Bild der Schweizer Sicherheitsindustrie

05:18 Minuten
Ein Polizist in Tarnkleidung steht mit einem Maschinengewehr auf einem Dach mit der Schrift "Hotel Davos".
Die Schweiz gilt noch immer als eines der sichersten Länder der Welt - hier ein Agenturfoto vom Wirtschaftsgipfel in Davos. © AFP / Fabrice Coffrini
Von Jennifer Rieger · 26.02.2019
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Als Insel inmitten Europas hatte die Schweiz schon immer ein besonderes Verhältnis zur Sicherheit. Wie sich das im täglichen Leben niederschlägt, zeigt der Fotokünstler Salvatore Vitale in der Ausstellung "How to Secure a Country".
Wer die Schwelle zur Ausstellung "How to Secure a Country" übertritt, wird von leiser Musik empfangen. Ein subtiles Zeichen: Wir sehen dich. Die Klanginstallation wird durch Sensoren gesteuert. Sie schaltet sich ein, sobald Besucher in der Nähe sind.
"Ein Staat muss Bilder haben von seiner Bevölkerung, um Zoll zu erheben, braucht es visuelle Technologien." Gastkurator Lars Willumeit zeigt in die Ecken des schummrigen Raums, der ein bisschen an einen Bunker erinnert: Die Sicherheitskameras werden Teil der Ausstellung, ein Symbol für die Augen des Staates. Wir schlängeln uns durch einen Wald aus großformatigen Fotos, fast alle menschenleer.
Die Schweizer Grenze auf einem Schaubild - fotografiert von dem Fotokünstler Salvatore Vitale.
Die Schweiz und ihre Grenz(sicherheit) - fotografiert von dem Fotografen Salvatore Vitale.© Schweizer Grenze, Chiasso, 2015, aus der Serie «How to Secure a Country» © Salvatore VitaleSalvatore Vitale

Supercomputer und vierbeinige Roboter

In gedeckten Farben zeichnen sie ein nüchternes Bild der Schweizer Sicherheitsindustrie: Eine Alpenlandschaft. Ein Schild an einem abgelegenen Zollübergang. Ein Polizeihund bei einer Drogenrazzia. Aber auch Dinge, die auf den ersten Blick weniger mit nationaler Sicherheit zu tun haben: Supercomputer zum Beispiel und vierbeinige Roboter.
Fotograf und Künstler Salvatore Vitale sagt: "Die Rolle der Bilder ist es, eine Stimmung zu erzeugen, die die Undefinierbarkeit und Unsichtbarkeit des Systems zeigt, das trotzdem so präsent ist in unserem täglichen Leben."
Einige hängen an den Wänden, andere stehen auf stählernen Füßen mitten im Raum. Dazwischen immer wieder Infografiken mit schematischen Zeichnungen auf schwarzem Grund. Der Parcours beginnt, wo auch der Salvatore Vitale seine Reise begann: an der Schweizer Grenze.
"Ich fand es interessant, sozusagen an der Front anzufangen. Meine Bilder sind nicht selbsterklärend, es ist kein dokumentarisches Projekt."

Reaktion auf Anti-Einwanderungskampagne

Salvatore Vitale ist in Italien aufgewachsen – seit 2005 lebt er in Lugano und Zürich. Sein Projekt begann als Reaktion auf die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" der Schweizerischen Volkspartei, die 2014 angenommen wurde.
"Als Immigrant in diesem Land hatte ich das Bedürfnis, meine Position besser zu verstehen. Also fing ich an nachzuforschen, was zu dieser Entscheidung geführt hat. Und der Begriff Sicherheit tauchte immer wieder auf. Die Schweiz ist eine Fallstudie, die helfen soll, eine mehr oder weniger globale Situation zu erklären."
"How to Secure a Country" ist ein visuelles Forschungsprojekt – Salvatore Vitales Versuch, die Strukturen des Schweizer Sicherheitssystems zu verstehen und zu portraitieren. Vier Jahre lang hat er daran gearbeitet.
"Es war eine lange Reise, es war sehr schwer, Zugang zu bekommen. Aber dann habe ich Vertrauen gewonnen und es wurde etwas leichter. Viele Institutionen haben mich natürlich nicht reingelassen."

Eine Insel mitten in Europa

Salvatore arbeitete unter anderem mit Sicherheitsforschern der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich zusammen. Das Ergebnis sind großformatige Infografiken. Manche zeigen Altbekanntes, wie die Militärstrategie des Bundes. Doch gerade für Nichtschweizer bietet die Ausstellung interessante Details über ein Land, das als Insel inmitten Europas schon immer ein besonderes Verhältnis zur Sicherheit hatte.
Das Schweizer Réduit zum Beispiel, die riesigen militärischen Verteidigungsanlagen in den Alpen, findet heute neue Verwendungen, erzählt Kurator Lars Willumeit: "Es gibt alles Mögliche mittlerweile in diesen Bunkern. Also, von Shiitakepilzfarmen über Serverfarmen bis zu Bitcoinfarmen, oder Mines, wo dann halt auf diesen Supercomputern im Auftrag von Cryptowährungsspekulanten halt Cryptowährung gemint wird."

Serverfarmen tief in den Alpen

"Hyper security for a changing world" – mit solchen Sprüchen werben die Betreiber der Serverfarmen, die tief in den Schweizer Alpen versteckt liegen. "How to Secure a Country" gewährt hier Einblicke in einen globalen Sicherheitsmarkt, auf dem sich die Schweiz als Hauptakteurin positioniert.
Am Ende des Parcours bleibt das Bild einer Industrie, die zum großen Teil im Verborgenen agiert und immer mehr Bereiche des täglichen Lebens durchdringt. Und das Gefühl etwas verstanden zu haben – über ein System, dessen Erfolg sich darin zeigt, dass es niemand bemerkt.
"Hyper security for a changing world" trifft es ganz gut, wie Lars Willumeit anmerkt: Die Sicherheitsindustrie speist sich aus einem Gefühl der Unsicherheit – nicht nur in der Schweiz.
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