Alice Oseman: "Solitaire"

Seelenchaos eines Teenagers

06:21 Minuten
Buchcover: „Solitaire. Keine Liebesgeschichte“ von Alice Oseman
© Loewe Verlag

Alice Oseman

Aus dem Englischen übersetzt von Anja Galić

Solitaire. Keine LiebesgeschichteLoewe Verlag, Bindlach 2023

320 Seiten

16,95 Euro

Von Kim Kindermann · 17.01.2023
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Alice Oseman wurde mit „Heartstopper“ 2022 weltweit bekannt. Dabei war schon ihr erstes Buch im angelsächsischen Raum ein großer Erfolg. Jetzt ist „Solitaire“ auf Deutsch da und beweist einmal mehr: Die Britin schreibt ihrer Generation aus der Seele.
Victoria Spring, Oberstufenschülerin an der „Harvey Greene Grammar School“, neigt zum Grübeln. Die 16-Jährige stellt sich gerne Dinge vor, die sie traurig machen, sieht überall nur das Schlechte. „Eines Tages werde ich sterben“, heißt es passend gleich am Anfang des Buches.
Tori, wie sie genannt wird, bloggt und streamt gern. Das Verhältnis zu ihren Eltern ist schwer gestört, von Kommunikationslosigkeit und Unverständnis geprägt.
Einer ihrer jüngeren Brüder, Charlie, ist schwer essgestört und ihre Freundin Becky entwickelt sich zum Partygirl und damit in eine völlig andere Richtung. Da helfen auch die zwei neuen Schüler Michael und Lucas nicht, die Interesse an Tori zeigen:
Sie fühlt sich einsam, verwirrt und ungeliebt. Dazu kommt noch das merkwürdige Treiben der anonymen Gruppe „Solitaire“, die mit ihren Aktionen den Schulalltag stören? Und was bedeutet deren Slogan: „Abwarten kann tödlich sein“?  

Bis an die Schmerzgrenze

Willkommen im Leben und Seelenchaos einer 16-Jährigen. Pointiert und bis zur Schmerzgrenzen genau von Alice Oseman beschrieben. Und dass zu einem Zeitpunkt, als die Autorin selbst so alt war. Vielleicht ist ihre Ich-Erzählerin Tori deshalb so glaubhaft und lebensnah!
Der Ton und die Haltung der Hauptfigur machen das Buch jedenfalls zur Kultfibel aller Teenager – finden sie doch hier ein Gegenüber, das ihnen vermittelt: Auch wenn es dir so vorkommt, du bist nicht allein. Gut so, weil wichtig.

Pflichtlektüre auch für Eltern

Aber „Solitaire“ ist auch Pflichtlektüre für alle Eltern. Denn auch wir werden uns an die Pubertät mit all ihren Schrecken schemenhaft erinnern. Dieses Buch macht noch mal erschreckend deutlich, was für eine heftig-schwere Zeit diese Jahre tatsächlich sind.
Zum Seelenschmerz kommen Freundschaftssorgen und Erfolgsdruck in der Schule dazu: Doch die Frage, wer bin ich und wer will ich sein, überstrahlt Toris Leben. 

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Über 300 Seiten begleiten die Lesenden die 16-Jährige. Erleben, wie tiefer der Gefühlstrudel wird, wie schwer es ist, Antworten zu finden und Nähe zu zulassen. Tori wehrt sich gegen alles und jeden – und verliert sich dabei fast selbst. Wäre da nicht Michael Holden, der sich trotz eigener Krisen und Niederlagen dauerhaft um Tori bemüht. Und doch ist dies keine Liebesgeschichte.

Hier wird nicht das ewige Glück versprochen

Anders als die derzeit vor allem auch bei jungen Leserinnen sehr erfolgreiche Autorin Colleen Hoover erzählt Alice Oseman nicht vom ewigen Glück, das sich erst dann findet, wenn Mr. Perfect kommt. Das ist mehr als wohltuend.
Fernab von Schmalz und Harmonieschleim. Und damit sehr authentisch. Jede, der hier im Buch versammelten Figuren, lebt von ihren inneren Brüchen, von ihrer Unvollständigkeit. Klischeehafte Stereotype sucht man hier vergebens.
Und genau mit dieser Haltung trifft Alice Oseman unaufgeregt den Nerv der Zeit: Wie auch schon in „Heartstopper“ lässt sie Ambivalenz zu. Mehr noch: Sie ernennt sie zum Lebensgefühl ihrer Generation.
Ein ermutigendes Buch.
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