Afghanistan

Wie kann Deutschland helfen?

07:01 Minuten
Flüchtlinge aus Afghanistan warten am amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein.
Falls die Amerikaner am 31. August aus Afghanistan abrücken sollten, wäre auch die Luftbrücke in Richtung der US Air Base Ramstein beendet. © picture alliance / Planet Pix via ZUMA Press Wire
Jens Stappenbeck im Gespräch mit Johannes Nichelmann |
Audio herunterladen
Laut Menschenrechtsorganisationen sind 50.000 Menschen in Afghanistan akut von den Taliban bedroht und müssen evakuiert werden. Welche Hilfsmöglichkeiten hat Deutschland, wenn die USA am 31. August endgültig abziehen und das Ende der Luftbrücke droht?
Nach Angaben der Bundeswehr hat Deutschland bisher 2300 Menschen evakuiert. Die US-Streitkräfte haben laut Präsident Joe Biden 28.000 Menschen bisher über die Luftbrücke in Sicherheit gebracht. Doch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprechen davon, das vor allem weitere 50.000 Menschen durch die Taliban in Afghanistan noch akut bedroht seien.
Die katastrophale Situation vor allem am Flughafen Kabuls besteht weiterhin. Wie ARD-Südasien-Korrespondentin Silke Dietrich berichtet, sei das nördliche Tor nun verschlossen worden, die anderen Tore würden nur gelegentlich geöffnet. Zwar hätten verschiedene Staaten sogenannte sichere Orte ausfindig gemacht, von wo aus sie die Leute mit gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern auf das Flughafengelände bringen.
"Aber für die meisten drängt einfach die Zeit", sagt Dietrich. Vor allem wollen die USA am Termin ihres endgültigen Truppenabzugs vom 31. August festhalten. "Ohne die USA kann eine Luftbrücke auf keinen Fall mehr aufrechterhalten werden."

Schlechte Stimmung im UN-Sicherheitsrat

Wie kann Deutschland den insgesamt 50.000 Menschen helfen? Vor allem, wenn die Luftbrücke einbricht? Jens Stappenbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibnitz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Er sagt, tatsächlich seien die Möglichkeiten für die Bundesrepublik hier sehr überschaubar.
Es gebe die Möglichkeit, den Dialog mit den Taliban zu führen, was das Auswärtige Amt bereits mache. Außerdem könnten die politischen Entscheidungsträger und Verhandlerinnen in Deutschland öffentlich machen, dass sie Afghanistan mit humanitärer Hilfe unterstützen. So etwa die 100 Millionen Euro, die schon versprochen seien. Und dieses Geld dann in Hintergrundgesprächen an Bedingungen knüpfen.
Eine weitere Frage wäre es, ob es gelingen könnte, China, Russland und weitere lokale Akteure einzubinden. "Mit Blick auf die aktuelle Konstellation und Stimmung im UN-Sicherheitsrat muss das als sehr düster eingeschätzt werden", sagt Stappenbeck weiter.

Parallelen zu den 1990er-Jahren

Stappenbeck hält das Risiko noch immer für gegeben, dass die Taliban ihre Versprechen nicht halten und Frauen aus dem öffentlichen Leben verbannen, gewaltsam gegen Minderheiten vorgehen und ehemalige Regierungsmitarbeiterinnen sowie Beamte verfolgen. In jedem Fall liefen aber verschiedene ethnische – vor allem schiitische – Gruppen wie die Hazara große Gefahr, wieder massive Probleme zu bekommen.
Der Politologe Stappenbeck verweist auf die Parallelen der momentan dominierenden Berichterstattung über die Taliban zu der über deren erste "Machtergreifung" in Afghanistan in den 1990er-Jahren, die "erstaunlich ähnlich" verlaufen sei. Heute propagierten die Taliban, sie seien vergleichsweise gemäßigt, hätten dazu gelernt und geben international übertragene Pressekonferenzen, in denen sie verkünden, dass Frauen sich keine Sorgen machen müssten. Auch damals sei in den Medien geschrieben worden, wie erstaunlich es sei, dass die Taliban die öffentliche Ordnung wiederhergestellt hätten und die Menschen wieder ihrer Arbeit nachgehen würden. "Wie schlimm sich die Situation unter den Taliban in Afghanistan dann entwickelt hat, ist einem noch sehr wohl bewusst", meint Stappenbeck.
Mehr zum Thema