Frauen in Afghanistan

Die Taliban errichten ein Gefängnis aus Verboten

Eine verschleierte Frau geht am 12. August 2022 in Bamian, Afghanistan, an einem Wandgemälde vorbei, das die Rechte von Frauen und Kindern in Afghanistan einfordert.
Wandgemälde für Frauen- und Kinderrechte in Bamian: Viele Frauen fühlen sich in Afghanistan wie im Gefängnis. © Getty Images / Nava Jamshidi
13.02.2023
Als die Taliban zum zweiten Mal die Macht in Afghanistan übernahmen, gaben sie sich gemäßigt. Doch das änderte sich schnell. Das bekommen vor allem Frauen zu spüren.
In Afghanistan schränken die Taliban die Bewegungsfreiheit und Rechte für Frauen und Mädchen immer weiter ein. Nach der Machtübernahme im August 2021 versuchten die Taliban, die internationale Gemeinschaft zu beruhigen: Frauen hätten nichts zu befürchten. Es gab sogar ein eigenes Konzept, in dem stand, dass auch Frauen Bildung bekommen sollen. Davon kann keine Rede mehr sein. Immer neue Verbote werden verkündet, Verstöße dagegen werden streng verfolgt.

Wie haben die Taliban die Rechte der Frauen beschnitten?

Anfangs gaben sich die Taliban harmlos. Doch mit der Festigung ihrer Macht wurden die Rechte von Frauen immer weiter eingeschränkt: Anfang Mai 2022 wurde die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit eingeführt, anschließend weiterführende Schulen für Mädchen geschlossen.
Seit November dürfen sie keine Parks mehr besuchen. Im Dezember wurde Frauen der Zugang zu Universitäten verwehrt sowie ihnen verboten, für Hilfsorganisationen zu arbeiten.
Frauen werden zunehmend aus der Öffentlichkeit verbannt. So dürfen sie sich nur mit männlicher Verwandtschaft durchs Land bewegen. Auch ist es ihnen untersagt, Sport zu treiben.
Auch aus der Arbeitswelt werden Frauen verdrängt: Sie dürfen nicht mehr mit Männern zusammenarbeiten. Aber auch Friseursalons von Frauen für Frauen wurden verboten. Ganz ohne Frauen geht es allerdings nicht: Polizistinnen werden noch gebraucht, da nur sie Frauen durchsuchen dürfen.
Folgen hat auch das Verbot für Frauen, für Hilfsorganisationen zu arbeiten. Dringend benötigte Hilfsgüter werden im Land nicht verteilt. Gleichzeitig können die betroffenen Frauen kein Geld mehr verdienen, um ihre Familien zu ernähren.

Wie protestieren die Frauen gegen die Unterdrückung?

Nachdem das Regime die ersten Einschränkungen für Frauen verkündet hatte, gab es Demonstrationen dagegen. Vor allen das Verbot der Universitätsbildung führte zu Protesten. Dutzende Frauen demonstrierten im Dezember im westafghanischen Herat. Sie gingen in Kleingruppen mit Parolen wie "Bildung ist unser Recht" auf die Straße. Die Taliban reagierten mit Schlagstöcken und Wasserwerfern.
Seitdem wird der Unmut kaum mehr öffentlich ausgedrückt. Die meisten Afghaninnen ziehen sich zurück. Sie versuchen, die verbliebenen Spielräume zu nutzen. Es gibt Untergrundschulen in Wohnungen. Hier unterrichten zum Teil Oberschülerinnen junge Mädchen.
Bildungsangebote gibt es auch über das Internet. Universitätskurse für Frauen bietet zum Beispiel der "World University Service" an. Allerdings ist der Netzzugang schwierig. Es fehlt an Computern und an Leitungen. Auch zensieren die Taliban das Internet, teils mit chinesischer Hilfe.

Warum schränken die Taliban die Rechte von Frauen ein?

Die Unterdrückung der Frauen in Afghanistan durch die Taliban lässt sich nach Meinung vieler Islamwissenschaftler nicht mit dem Koran begründen. Sie kommt eher von der Stammestradition der Paschtunen. Das ist eine afghanische Volksgruppe, der viele Taliban angehören. Diese Tradition ist Frauen gegenüber äußerst rigide und deren ungeschriebene Regeln gelten für die Taliban als verpflichtend.
Mit ihrem Vorgehen gegen die Frauen senden die Taliban eine Botschaft. Das Emirat soll ein Modell werden für die islamische Welt. Außerdem konkurrieren sie in Afghanistan mit Organisationen, die noch radikaler sind, so breitet sich der sogenannte Islamische Staat im Land aus. Da wollen die Taliban Stärke demonstrieren.
Außerdem sind die Einschränkungen ein Faustpfand in Bezug auf die internationalen Sanktionen. Die Taliban könnten Verbote für Frauen zurücknehmen, wenn im Gegenzug Sanktionen gegen das Land aufgehoben werden.

Was droht Frauen, wenn sie gegen die Taliban-Regeln verstoßen?

Der Strafkatalog der Taliban ist lang und die Strafen sind drastisch. Nicht immer werden sie offiziell verhängt, oft reicht die Einschüchterung. Treiben Frauen zum Beispiel verbotenerweise Sport, erreichen sie Drohanrufe. Auch demonstrieren ist gefährlich: Mindestens eine der Frauen, die gegen das Bildungsverbot protestiert hat, wird vermisst. Andere wurden teils über Wochen festgehalten.
Aber auch die offiziellen Strafen sind drakonisch: Neun Frauen wurden in Zentralafghanistan öffentlich ausgepeitscht, weil sie gegen die Taliban-Regel verstoßen haben sollen, die außereheliche Beziehungen verbietet. Wegen dieses Vorwurfs wurden Frauen sogar schon gesteinigt.

Wie wurde international auf die Einschränkung der Frauenrechte reagiert?

Die Politik der Taliban stößt international auf Kritik. UN-Generalsekretär António Guterres prangerte die "systematischen Angriffe auf die Rechte von Frauen und Mädchen" an. Er sprach von "Geschlechter-Apartheid". Auch die Bundesregierung verurteilt das Vorgehen der Taliban. Außenministerin Annalena Baerbock nennt die Lage von Frauen in Afghanistan "katastrophal".
Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) hat die Behauptung der Taliban zurückgewiesen, dass ihr Umgang mit Frauen und Mädchen im Einklang mit der Scharia steht. Auch deutsche Imame zeigten ihren Unmut. Unter der Überschrift "Nicht unser Islam!" gaben 25 muslimische Geistliche eine Erklärung ab. Sie schreiben, das Universitätsverbot lässt sich nicht durch den Koran begründen.
In Afghanistan sorgt ein Aspekt besonders für Ärger. Während es Mädchen verboten ist, weiterführende Schulen zu besuchen, und Frauen nicht an die Hochschulen dürfen, schicken die Taliban ihre Töchter auf teure private Bildungsinstitute im Ausland, zum Beispiel in Pakistan oder Katar.
(Quellen: beb, Peter Hornung, Deutschlandradio, dpa, AP, AFP, NZZ)
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