Meinung
Laut einer Forsa-Umfrage hat die AfD bei den Wählern die höchsten Zustimmungswerte © IMAGO / Herrmann Agenturfotografie / IMAGO / Udo Herrmann
Ein AfD-Verbot hätte mehr Nachteile als Nutzen
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Ein AfD-Verbot ist keine gute Idee. Nicht nur, weil die Partei sich dann als Opfer hinstellen könnte. Es gibt auch ein demokratietheoretisches Problem.
Die AfD ist keine Partei wie jede andere. In der Parteispitze sitzen Fremdenfeinde, Chauvinisten und Rassisten. Das Zündeln mit faschistischen Sprachprovokationen gehört zum Programm. Und die AfD eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. In Ostdeutschland ist sie die stärkste der Parteien. Da taucht im politischen Diskurs und unter den Parteien der Mitte eine sehr deutsche Forderung auf: Verbieten! Ist das eine gute Idee, ist sie überhaupt demokratisch?
Eine Partei darf verboten werden. Das GG regelt das Parteiverbot klar in Art. 21, Abs. 2. Antragsteller dürfen Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat sein. Die Entscheidung aber obliegt dem Bundesverfassungsgericht. In der Geschichte der Bundesrepublik hat das Gericht zwei Mal Verbote ausgesprochen: 1952 die Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands. Ein Verbot der AfD heute, ist aber weder eine gute Idee, noch ist sie besonders demokratisch.
Verbotsverfahren würde drei Jahre dauern
Zunächst die pragmatischen Gründe. Ein Verbotsverfahren würde um die drei Jahre dauern. In dieser Zeit könnte die AfD sich als Opfer der sogenannten Alt- und Systemparteien inszenieren. Würde sie am Ende verboten werden, müsste das Verbot durchgesetzt werden: die Partei wäre aufzulösen, die AfD-Abgeordneten hätten ihr Mandat abzugeben, das Parteivermögen könnte eingezogen werden.
Dies würde ein gewaltiges Maß an staatlicher Repression und Überwachung erfordern. In Ostdeutschland wäre mit Widerstand, Krawallen und Rebellion zu rechnen. Die Partei könnte sich zudem unter einem anderen Namen wieder gründen. Ein Katz und Maus Spiel. Würde das Bundesverfassungsgericht zur Ansicht kommen, Programm und die Ausfälle von Weidel, Höcke und Brandner reichten nicht für ein Verbot, wäre das die ultimative Legitimation für die AfD.
Demokratietheoretische Bedenken
Schwer wiegen auch demokratietheoretische Bedenken gegen ein Parteiverbot. Zwanzig Prozent des Wahlvolkes, des demokratischen Souveräns, würde untersagt werden, für die Partei ihrer Wahl zustimmen. Dies bedeutete die Einschränkung des Pluralismus, des Kerns einer demokratischen Gesellschaft. Problematisch ist auch, dass letztendlich die konkurrierenden Parteien den Antrag stellen, einen ihrer Mitbewerber vom Spielfeld zu nehmen. Zwanzig Prozent der Stimmen wären neu zu verteilen oder wanderten in eine außerparlamentarische Opposition.
Wahlniederlagen: Moment der Selbstreflektion
Demokratien unterscheiden sich unter anderem von Diktaturen, dass sie mit freien Wahlen einen eingebauten Lernmechanismus besitzen. Insbesondere Wahlniederlagen bieten einen Moment der Selbstreflektion: was haben wir falsch gemacht, warum verlassen uns die Wähler, wie können wir unsere Anziehungskraft stärken. Das Verbot eines politischen Konkurrenten verdunkelt nur die Lernbereitschaft der Verliererparteien. Aber gerade diese ist gegenwärtig gefordert.
Repräsentations- und Handlungsschwächen
Die Bundesrepublik Deutschland darf sich zu den besten rechtsstaatlichen Demokratien zählen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass gegenwärtig keine bedeutsamen Repräsentations- und Handlungsschwächen in unserem Regierungssystem erkennbar wären. Die AfD ist aber nicht die Ursache, sondern lediglich deren Symptom.