Abschied von den Alpha-Männern

Von Michael Meyer |
Leo Kirch, Thomas Gottschalk, Jörg Kachelmann und Rupert Murdoch: Prominente Medienmänner bestimmten die Schlagzeilen in diesem Jahr - mit Todesfällen und Abschieden, Niederlagen und Skandalen. Ein Rückblick.
Wenn es um Medienmänner und ihre Trennungen geht, dann fallen einem als erstes Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg ein, jene beiden Blues Brothers der Website Wikileaks, die ein Jahr zuvor fast die Welt aus den Angeln gehoben hatten. Die Veröffentlichung vieler tausender Dokumente des amerikanischen State Department war ein Coup, über den man noch Jahre sprechen wird. Doch dann entzweiten sich die beiden, eine Männerfreundschaft zerbrach, Domscheit-Berg stieg bei Wikileaks aus und veröffentlichte im Februar sein Buch "Inside Wikileaks" – eine doch eher öde Abrechnung einer enttäuschten Männerfreundschaft:

"Das hatte mit Heimzahlen überhaupt nichts zu tun, es hatte eher was damit zu tun, dass nach meinem Ausstieg im September 2010 mit einem sehr verhaltenen und diplomatischen 'Spiegel'-Interview es eigentlich nur dazu führte, dass ich diskreditiert wurde von ihm in der Öffentlichkeit."

Julian Assange hat es aber dennoch irgendwie heimgezahlt bekommen – weniger durch dieses Buch, in dem unter anderem auch so Banales zu lesen war, dass Assange oft Domscheit-Bergs Kater "Schmitti" ärgerte. Eher durch die Tatsache, dass Assange seit Monaten per Fußfessel in London festsitzt und seine Auslieferung nach Schweden, vor allem aber in die USA verhindern will. In den USA geht es um die Wikileaks Papiere, in Schweden um den Vorwurf versuchter Vergewaltigung.

Und da wir schon bei männlichen Medienfiguren mit problematischem Sexualverhalten sind, nein, Dominique Strauss-Kahn lassen wir an dieser Stelle beiseite – um Jörg Kachelmann soll es gehen. Er war ein weiterer Medienmann, von dem man sich in diesem Jahr verabschieden musste. Zwar wurde er freigesprochen – seine Karriere ist aber wohl vorbei – zumindest in der ARD. Seit Sommer versucht sich Kachelmann im Internet. Wie er da sichtlich derangiert, deutlich dünner geworden, mit handgemalten Wetterkarten die Aussichten erklärt, da kann er einem schon leidtun – irgendwie.

Es gab weitere, noch bedeutendere Abschiede zu beklagen in diesem Jahr: Medienmogul Leo Kirch starb in diesem Sommer mit 84 Jahren – von der Bildfläche war er zwar schon lange verschwunden und machte allenfalls noch durch die Klage gegen den Ex-Deutsche Bank-Chef Rolf Breuer von sich reden. Die ist nun endgültig ad acta gelegt.

Als Kirch im Sommer starb, verabschiedeten sich viele Freunde und Spezln aus der Politik von ihm, unter anderem Ex-Finanzminister Theo Waigel. Er sagte, noch zu Kirchs Lebzeiten, über ihn:

"Ein vielseitiger, gebildeter, belesener Mensch, von dem ich weiß, was mir vor allen Dingen imponiert, dass er viel Gutes im Stillen tut, und darüber nicht redet, ein bescheidener Mensch, der also trotz seiner Medienmacht ein zurückhaltender, überlegter und überlegener Mensch geblieben ist."

Immerhin so zurückhaltend, dass Kirch seit zwei Jahrzenten keinem Medium auch nur ein einziges Statement mehr gegeben hatte.

Und da wir schon über Medienmogule sprechen: Für Rupert Murdoch ist das Jahr 2011 ebenfalls nicht gut gelaufen, wenn man es mit englischem Understatement formulieren wollte: Der "Phone-Hacking-Scandal", das jahrelange systematische Ausspähen von Telefonaten von Politikern und Prominenten, hätte beinahe seinen gesamten Konzern zum Implodieren gebracht. Da nutzte es auch wenig, dass Murdoch sogleich das 168 Jahre alte Klatschblatt "News of the World" dicht machte. Nicht nur rutschten die Aktienkurse seiner Mediengruppe in den Keller, Murdoch musste auch die komplette Übernahme seiner "Cash Cow" SKY, dem Bezahlfernsehen in Großbritannien, in den Wind schreiben. Ein schönes Jahr sieht anders aus.

Dies kann man wohl auch für den Chefredakteur der "Zeit", Giovanni di Lorenzo, so formulieren, denn: Mit seinem Interview mit Ex-Verteidigungsminister Guttenberg hatte die Wochenzeitung sich derartig verhauen, dass das gesamte Blatt darunter litt. Aber der Reihe nach.

"Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Mensch mit einer herausragenden politischen Begabung", sagte Angela Merkel – beim Abschied von Guttenberg im Frühjahr. "Er hat eine ganz eigene und außergewöhnliche Fähigkeit, die Herzen der Menschen zu erreichen."

Das kann man wohl so sagen. Was aber auch daran lag, dass die Medien sich auf "Gutti" und seine gut aussehende Gattin gestürzt haben wie die Moräne auf den Hering – doch den Rücktritt konnten sie nicht verhindern, nicht mal die "Bild"-Zeitung, nachdem nun klar war, dass Guttenbergs Doktorarbeit ein Plagiat ist, da blieb dann doch nur der Abtritt des Barons:

"Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann."

Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet die altehrwürdige "Zeit" sich acht Monate später nicht zu fein war, mit Guttenberg über quälend lange großformatige Seiten ein Interview zu führen. Ähnlich boulevardesk hatte die "Zeit" es schon mehrere Male in diesem Jahr getrieben, beim Fall Kachelmann und bei der Ex-Sportschau-Moderatorin Monica Lierhaus, die sich ebenfalls drei Seiten lang erklären durfte. Zu hoffen bleibt, dass die "Zeit" sich im neuen Jahr etwas zurücknimmt, und auch mehr Fingerspitzengefühl beweist, etwa wenn der Chefredakteur an den Einnahmen des Guttenberg-Buches beteiligt ist. Das Honorar will er nun spenden.

Hatten wir nicht noch einen Medienmann vergessen? Ach ja, Gottschalk, noch ein Abschied, in dem Fall vom ZDF:

"Ich habe Menschen verehrt aus der Unterhaltung, die es nicht mehr gibt, wir sind so ein bisschen wie Spuren im Sand und es kommen andere und mit denen werden Sie genau so viel Spaß haben und das ist gut so."

Doch wer dieser "Andere" wohl ist bei "Wetten, dass..?" Bis zur Stunde bleibt das ein großes Rätsel. Immerhin hat Johannes B. ja jetzt mehr Zeit. Bei Sat1 hatte Kerner sein Boulevardmagazin aufgegeben. Das "Moderatorenwechselspiel" geht munter weiter: Harald Schmidt übernimmt Kerners Sendeplatz und talkt ab 2012 dreimal die Woche. In der ARD konnte man dieses Jahr Günther Jauch begrüßen – die Sendung ist viel Lärm um nichts – dafür ist der Mann hochbezahlt und die Show so flach wie das Berliner Gasometer hoch ist – dort wird die Sendung produziert.

Und da wir schon beim Thema Boulevard sind: Ab 23. Januar präsentiert Gottschalk eine Art Newsshow in der ARD – irgendwo zwischen "Brisant", "Explosiv" und "Hallo Deutschland". 2012 kann nur besser werden.


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