"Chance für einen Neustart"
Am Samstag endet eine Ära in der deutschen TV-Geschichte: Thomas Gottschalk moderiert zum letzten Mal "Wetten, dass...?". Der Fernsehkritiker Tilmann Gangloff erklärt im Interview, warum die Sendung noch eine Zukunft hat - und wen er sich als Gottschalks Nachfolger wünscht.
Andreas Müller: Gottschalk geht, morgen ist Schluss mit ihm und "Wetten, dass ... ?", jener großen Samstagabend-Show, diesem TV-Saurier, der in den großen Tagen der großen Fernsehshows entstand und das Sterben vieler ähnlicher Formate überlebte. Die Diskussion um eine Nachfolge wurde und wird mit einer Vehemenz geführt, als ginge es um Wohl und Wehe der Nation. Zahlreiche potenzielle Nachfolger haben bereits abgesagt, TV-Autoritäten wie Alfred Biolek plädieren dann gar für ein Ende der Sendung. Ich begrüße jetzt den Fernsehkritiker und Grimmepreis-Jurymitglied Tilmann Gangloff. Schönen guten Tag!
Tilmann Gangloff: Ja, hallo, Grüße vom Bodensee!
Müller: Fragen wir vielleicht erst mal, was ausgerechnet diese Sendung zu einer solchen Institution, zum letzten großen Lagerfeuer gemacht hat, um das sich die Nation versammelt?
Gangloff: Ja, ich glaube, es ist einfach die Tatsache, dass es nun mal das letzte Lagerfeuer ist und dass es das schon seit 30 Jahren ist. Also oft besteht das Geheimnis eines Erfolges ja einfach in seinem Erfolg, diese Sendung hat schon immer Erfolg und es gehört irgendwie zur Tradition des Samstagabends, sich "Wetten, dass ... ?" anzuschauen, und das machen eben nach wie vor sehr, sehr viele Menschen.
Müller: Es gab allerdings auch immer so leichte Bröckeleien bei der Quote, manchmal ging sie auch ein Stück runter, dann kamen die Leute aber auch wieder. Ist da auch so ein bisschen etwas an dieser Faszination, da sitzt also der kleine Mann oder ist der kleine Mann und hat seine großen 15 Minuten, und der berühmte Promi auf der Couch schaut wohlwollend dabei zu, also ist das auch so ein bisschen Licht, das auf uns dann fällt?
Gangloff: Ich weiß gar nicht, ob man das so einfach erklären kann. Ich glaube wirklich, dass das sehr viel einfach an dieser Tradition verhaftet ist, dass es einfach eine Institution ist am Samstagabend. Natürlich erhöht es den Reiz, dass Menschen aus unserer Mitte dort zu vorübergehendem Ruhm kommen, aber jeder weiß ja auch, dass man drei Tage später noch weiß, irgendwie ist der Lkw auf den Biergläsern ausbalanciert worden, aber die Namen der Menschen, die das vollbracht haben, die sind ja schon fünf Minuten nach der Sendung vergessen.
Müller: Kommunikationswissenschaftler haben natürlich längst auch eine Theorie, die sagen, das ist alles eine Selbstvergewisserung auf gemeinsame Werte, das heißt: Wir haben das Gefühl, zum gleichen Zeitpunkt alle gemeinsam etwas zu erleben, über das wir dann nachher auch reden, da haben Sie auch gerade mal so ein Beispiel genannt, etwas, das wir teilen. Ist das das Einende vielleicht bei "Wetten, dass ... ?" in einer Welt, die ja immer mehr zerfasert?
Gangloff: Ja, ganz bestimmt. Ich denke, dass das auch den Reiz beispielsweise großer Fußballspiele ausmacht, das Wissen darum, das wird jetzt live irgendwo veranstaltet, und 10 bis 15 oder bei wichtigen Spielen gar 20 Millionen Menschen tun es mir gleich und schauen sich dieses Spiel jetzt an. Auf diese Weise erhält etwas allein durch die quantitative Beteiligung eine ungeheure Bedeutung, die dem Anlass selbst oft gar nicht angemessen ist.
Müller: Wie wichtig war die Rolle Gottschalks bei dieser ganzen Geschichte?
Gangloff: Ich glaube, dass das Format mit Thomas Gottschalk steht und fällt, er ist – obwohl ja sehr, sehr viel Kritik an ihm geäußert wurde in den letzten Jahren und das auch nicht zu Unrecht, er hat sehr, sehr oft fahrig und unkonzentiert gewirkt und läuft eigentlich erst wieder zu alter Form auf, seit er seinen Abschied angekündigt hat – ich glaube aber trotzdem, dass er einfach als Deutschlands beliebtester Showmoderator das große einende Element dieser Sendung darstellt. Und völlig egal, wer versucht, in seine Fußstapfen zu treten, er wird immer in diesem Schatten stehen, und deswegen wird die Sendung automatisch an Zuschauern verlieren.
Müller: Absurde Situation eigentlich, Sie haben es gerade gesagt, er stand schon mal in der Schusslinie als lahmer Zotenreißer und Knietatscher, die Luft ist raus, hieß es mal – jetzt, seit seinem angekündigten Abgang, gilt er plötzlich als absolut unersetzlich, was schon ein bisschen absurd ist. Ist das eben auch so ein bisschen der Grund, warum sich da keiner mehr in diese Fußstapfen traut? Ist es wirklich unmöglich? Wolfgang Lippert vor ein paar Jahren hatte ja schließlich keine Angst.
Gangloff: Ja, aber ich glaube, Wolfgang Lippert hatte auch nicht so viel zu verlieren, weil ihn im Westen der Republik ohnehin keiner kannte, und daran hat "Wetten, dass ... ?" dann auch nur kurzzeitig was geändert. Aber heute ist sein Lebenslauf geprägt von natürlich dieser Niederlage, obwohl er Zuschauerzahlen erreicht hat, von denen "Wetten, dass ... ?" heute noch träumen würde. Es ist natürlich so, dass jeder weiß, er wird an Gottschalk gemessen, und viele Leute würden es vermute ich mal sogar besser machen als Thomas Gottschalk, weil sie einfach frischer und unverbrauchter an die Sache rangehen würden, aber auf der anderen Seite würde die Biografie komplett auf "Wetten, dass ... ?" reduziert, es würde alles andere überstrahlen, ein Hape Kerkeling zum Beispiel, der ja ganz viele Talente hat, hätte wahrscheinlich kaum noch die Chance, all die anderen Neigungen, die er so hat, auszuleben, und davor schrecken natürlich auch viele zurück.
Müller: Thomas Gottschalk selbst hat laut aktuellem "Spiegel" zum Thema gesagt, seine Fußstapfen seien solche wie Sand am Meer – eine Welle, und sie sind weg. Ist das wirklich so?
Gangloff: Nein, das glaube ich nicht. Ich meine, Gottschalk ist ja ein sehr gläubiger Mensch und insofern auch mit Bescheidenheit gesegnet – das ist pures Understatement, das wird niemand erreichen, was er geschafft hat.
Müller: Morgen ist die letzte Sendung "Wetten, dass ... ?" mit Thomas Gottschalk, wir sprechen darüber im Deutschlandradio Kultur mit dem Fernsehkritiker Tilmann Gangloff. Also ein Nachfolger ist noch nicht gefunden, Absagen gab es reichlich. Jetzt stehen gerüchteweise noch Johannes B. Kerner und die beiden jungen Nachwuchskräfte Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf auf der Liste. Was sagt uns das denn über die Lage beim ZDF aus?
Gangloff: Ja, das ZDF ist wahrscheinlich einigermaßen verzweifelt, man hatte ja sehr lange auf die Karte Kerkeling gesetzt und dessen Absage hat dann wahrscheinlich zu einigen schlaflosen Nächten geführt. Ich weiß nicht, ob das ZDF ernstlich in Erwägung zieht, Herrn Kerner zu reaktivieren, der ja nicht ohne Grund das ZDF verlassen hat, und bei allem Respekt vor seinen Talenten – für die Sendung wäre es glaube ich weniger hilfreich. Die Herren Joko und Klaas, die das ZDF-Publikum ja überhaupt nicht kennt, weil sie durch MTV bekannt geworden sind und sich bei ProSieben tummeln, könnten tatsächlich so etwas wie eine Chance darstellen, denn die sind ja tatsächlich völlig unverbraucht – da wird überhaupt niemand ihre Leistungen messen an dem, was sie früher getan haben, jedenfalls nicht das typische öffentlich-rechtliche Publikum –, und deren Engagement wäre tatsächlich die Chance für einen Neustart. Man könnte auch das Konzept überarbeiten, denn bestimmte Dinge entsprechen nicht mehr der Zeit, und ich finde, die Idee hat was.
Müller: Andererseits gibt es aber auch Stimmen, die sagen, es ist jetzt auch mal gut. Alfred Bioleck habe ich vorhin schon mal genannt, der gesagt hat, einstellen das Format, die Comedians Bastian Pastewka und Anke Engelke, letztes Jahr auch mal gehandelt als Moderatoren, sagten im "Spiegel" auch so etwas: Lasst es doch einfach sterben. Wie sehen Sie das?
Gangloff: Also ehrlich gesagt, ich persönlich würde "Wetten, dass ... ?" am Samstagabend vermissen, also wenn man nichts besseres zu tun hat, ist es immer noch eine sehr schöne, kurzweilige, vergnügliche Samstagabend-Unterhaltung und auch eine der letzten Sendungen, die es tatsächlich schafft, die ganze Familie vor ein- und demselben Gerät zu versammeln. Durch die Fragmentierung des Fernsehmarktes hat ja nicht nur jeder seinen eigenen Fernseher in seinem Zimmer, also Eltern, große Kinder, kleine Kinder et cetera, jeder schaut auch sein eigenes Programm, und zu "Wetten, dass ... ?" versammeln sich dann immer noch sehr, sehr viele, Alte und Junge gemeinsam im Wohnzimmer, und diese Chance sollte das ZDF nicht vertun. Ich glaube, das könnte auch in Zukunft noch gelingen.
Müller: Ja, aber ohne Gottschalk, da ist jetzt schon klar: Die Quoten werden einbrechen. Was sollte dann noch interessant sein an dieser Sendung? Kann man die wirklich so verändern, dass es eigentlich mit einer fast schon beliebigen Moderatorenfigur funktioniert?
Gangloff: Nein, also die Moderatorenfigur darf natürlich nicht beliebig sein, die muss zu diesem Konzept passen. Wenn man das Konzept strafft und verjüngt, dann wären Joko und Klaas die richtigen. Man muss sich von bestimmten Elementen trennen, die auch einfach Zeit kosten, also die Sendung muss in Zukunft nicht mehr drei Stunden lang sein, das ist ohnehin völlig rückwärtsgewandtes Fernsehen. Viele Showelemente sind glaube ich überflüssig und auch als Umschaltfaktor bekannt. Wenn man das Ganze strafft und dafür ...
Müller: Aber dann wäre es ja vielleicht nicht mehr "Wetten, dass ... ?".
Gangloff: Moderate Änderungen sind aber immer schon vorgenommen worden bei "Wetten, dass ... ?", und ich meine, so lange die Wetten noch stattfinden, bleibt es auch "Wetten, dass ... ".
Müller: Sie haben glaube ich das noch nie live gesehen, diese Veranstaltung, aber morgen ist es zum ersten Mal der Fall?
Gangloff: Ja, so ist es.
Müller: Also Sie sind wirklich in der Halle in Friedrichshafen und sehen zum ersten Mal "Wetten, dass ... ?" live.
Gangloff: Ja. Ich freu mich!
Müller: Und sind Sie aufgeregt?
Gangloff: Na ja, aufgeregt ist jetzt vielleicht das falsche Wort, es ist ja nicht so was wie das erste Date, aber ich bin doch sehr neugierig.
Müller: Tilmann Gangloff über "Wetten, dass ... ?", Thomas Gottschalk und das Ende einer Ära. Morgen findet in Friedrichshafen die letzte Ausgabe mit Thomas Gottschalk dieser großen deutschen Fernsehshow statt. Haben Sie vielen Dank!
Gangloff: Ja, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Tilmann Gangloff: Ja, hallo, Grüße vom Bodensee!
Müller: Fragen wir vielleicht erst mal, was ausgerechnet diese Sendung zu einer solchen Institution, zum letzten großen Lagerfeuer gemacht hat, um das sich die Nation versammelt?
Gangloff: Ja, ich glaube, es ist einfach die Tatsache, dass es nun mal das letzte Lagerfeuer ist und dass es das schon seit 30 Jahren ist. Also oft besteht das Geheimnis eines Erfolges ja einfach in seinem Erfolg, diese Sendung hat schon immer Erfolg und es gehört irgendwie zur Tradition des Samstagabends, sich "Wetten, dass ... ?" anzuschauen, und das machen eben nach wie vor sehr, sehr viele Menschen.
Müller: Es gab allerdings auch immer so leichte Bröckeleien bei der Quote, manchmal ging sie auch ein Stück runter, dann kamen die Leute aber auch wieder. Ist da auch so ein bisschen etwas an dieser Faszination, da sitzt also der kleine Mann oder ist der kleine Mann und hat seine großen 15 Minuten, und der berühmte Promi auf der Couch schaut wohlwollend dabei zu, also ist das auch so ein bisschen Licht, das auf uns dann fällt?
Gangloff: Ich weiß gar nicht, ob man das so einfach erklären kann. Ich glaube wirklich, dass das sehr viel einfach an dieser Tradition verhaftet ist, dass es einfach eine Institution ist am Samstagabend. Natürlich erhöht es den Reiz, dass Menschen aus unserer Mitte dort zu vorübergehendem Ruhm kommen, aber jeder weiß ja auch, dass man drei Tage später noch weiß, irgendwie ist der Lkw auf den Biergläsern ausbalanciert worden, aber die Namen der Menschen, die das vollbracht haben, die sind ja schon fünf Minuten nach der Sendung vergessen.
Müller: Kommunikationswissenschaftler haben natürlich längst auch eine Theorie, die sagen, das ist alles eine Selbstvergewisserung auf gemeinsame Werte, das heißt: Wir haben das Gefühl, zum gleichen Zeitpunkt alle gemeinsam etwas zu erleben, über das wir dann nachher auch reden, da haben Sie auch gerade mal so ein Beispiel genannt, etwas, das wir teilen. Ist das das Einende vielleicht bei "Wetten, dass ... ?" in einer Welt, die ja immer mehr zerfasert?
Gangloff: Ja, ganz bestimmt. Ich denke, dass das auch den Reiz beispielsweise großer Fußballspiele ausmacht, das Wissen darum, das wird jetzt live irgendwo veranstaltet, und 10 bis 15 oder bei wichtigen Spielen gar 20 Millionen Menschen tun es mir gleich und schauen sich dieses Spiel jetzt an. Auf diese Weise erhält etwas allein durch die quantitative Beteiligung eine ungeheure Bedeutung, die dem Anlass selbst oft gar nicht angemessen ist.
Müller: Wie wichtig war die Rolle Gottschalks bei dieser ganzen Geschichte?
Gangloff: Ich glaube, dass das Format mit Thomas Gottschalk steht und fällt, er ist – obwohl ja sehr, sehr viel Kritik an ihm geäußert wurde in den letzten Jahren und das auch nicht zu Unrecht, er hat sehr, sehr oft fahrig und unkonzentiert gewirkt und läuft eigentlich erst wieder zu alter Form auf, seit er seinen Abschied angekündigt hat – ich glaube aber trotzdem, dass er einfach als Deutschlands beliebtester Showmoderator das große einende Element dieser Sendung darstellt. Und völlig egal, wer versucht, in seine Fußstapfen zu treten, er wird immer in diesem Schatten stehen, und deswegen wird die Sendung automatisch an Zuschauern verlieren.
Müller: Absurde Situation eigentlich, Sie haben es gerade gesagt, er stand schon mal in der Schusslinie als lahmer Zotenreißer und Knietatscher, die Luft ist raus, hieß es mal – jetzt, seit seinem angekündigten Abgang, gilt er plötzlich als absolut unersetzlich, was schon ein bisschen absurd ist. Ist das eben auch so ein bisschen der Grund, warum sich da keiner mehr in diese Fußstapfen traut? Ist es wirklich unmöglich? Wolfgang Lippert vor ein paar Jahren hatte ja schließlich keine Angst.
Gangloff: Ja, aber ich glaube, Wolfgang Lippert hatte auch nicht so viel zu verlieren, weil ihn im Westen der Republik ohnehin keiner kannte, und daran hat "Wetten, dass ... ?" dann auch nur kurzzeitig was geändert. Aber heute ist sein Lebenslauf geprägt von natürlich dieser Niederlage, obwohl er Zuschauerzahlen erreicht hat, von denen "Wetten, dass ... ?" heute noch träumen würde. Es ist natürlich so, dass jeder weiß, er wird an Gottschalk gemessen, und viele Leute würden es vermute ich mal sogar besser machen als Thomas Gottschalk, weil sie einfach frischer und unverbrauchter an die Sache rangehen würden, aber auf der anderen Seite würde die Biografie komplett auf "Wetten, dass ... ?" reduziert, es würde alles andere überstrahlen, ein Hape Kerkeling zum Beispiel, der ja ganz viele Talente hat, hätte wahrscheinlich kaum noch die Chance, all die anderen Neigungen, die er so hat, auszuleben, und davor schrecken natürlich auch viele zurück.
Müller: Thomas Gottschalk selbst hat laut aktuellem "Spiegel" zum Thema gesagt, seine Fußstapfen seien solche wie Sand am Meer – eine Welle, und sie sind weg. Ist das wirklich so?
Gangloff: Nein, das glaube ich nicht. Ich meine, Gottschalk ist ja ein sehr gläubiger Mensch und insofern auch mit Bescheidenheit gesegnet – das ist pures Understatement, das wird niemand erreichen, was er geschafft hat.
Müller: Morgen ist die letzte Sendung "Wetten, dass ... ?" mit Thomas Gottschalk, wir sprechen darüber im Deutschlandradio Kultur mit dem Fernsehkritiker Tilmann Gangloff. Also ein Nachfolger ist noch nicht gefunden, Absagen gab es reichlich. Jetzt stehen gerüchteweise noch Johannes B. Kerner und die beiden jungen Nachwuchskräfte Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf auf der Liste. Was sagt uns das denn über die Lage beim ZDF aus?
Gangloff: Ja, das ZDF ist wahrscheinlich einigermaßen verzweifelt, man hatte ja sehr lange auf die Karte Kerkeling gesetzt und dessen Absage hat dann wahrscheinlich zu einigen schlaflosen Nächten geführt. Ich weiß nicht, ob das ZDF ernstlich in Erwägung zieht, Herrn Kerner zu reaktivieren, der ja nicht ohne Grund das ZDF verlassen hat, und bei allem Respekt vor seinen Talenten – für die Sendung wäre es glaube ich weniger hilfreich. Die Herren Joko und Klaas, die das ZDF-Publikum ja überhaupt nicht kennt, weil sie durch MTV bekannt geworden sind und sich bei ProSieben tummeln, könnten tatsächlich so etwas wie eine Chance darstellen, denn die sind ja tatsächlich völlig unverbraucht – da wird überhaupt niemand ihre Leistungen messen an dem, was sie früher getan haben, jedenfalls nicht das typische öffentlich-rechtliche Publikum –, und deren Engagement wäre tatsächlich die Chance für einen Neustart. Man könnte auch das Konzept überarbeiten, denn bestimmte Dinge entsprechen nicht mehr der Zeit, und ich finde, die Idee hat was.
Müller: Andererseits gibt es aber auch Stimmen, die sagen, es ist jetzt auch mal gut. Alfred Bioleck habe ich vorhin schon mal genannt, der gesagt hat, einstellen das Format, die Comedians Bastian Pastewka und Anke Engelke, letztes Jahr auch mal gehandelt als Moderatoren, sagten im "Spiegel" auch so etwas: Lasst es doch einfach sterben. Wie sehen Sie das?
Gangloff: Also ehrlich gesagt, ich persönlich würde "Wetten, dass ... ?" am Samstagabend vermissen, also wenn man nichts besseres zu tun hat, ist es immer noch eine sehr schöne, kurzweilige, vergnügliche Samstagabend-Unterhaltung und auch eine der letzten Sendungen, die es tatsächlich schafft, die ganze Familie vor ein- und demselben Gerät zu versammeln. Durch die Fragmentierung des Fernsehmarktes hat ja nicht nur jeder seinen eigenen Fernseher in seinem Zimmer, also Eltern, große Kinder, kleine Kinder et cetera, jeder schaut auch sein eigenes Programm, und zu "Wetten, dass ... ?" versammeln sich dann immer noch sehr, sehr viele, Alte und Junge gemeinsam im Wohnzimmer, und diese Chance sollte das ZDF nicht vertun. Ich glaube, das könnte auch in Zukunft noch gelingen.
Müller: Ja, aber ohne Gottschalk, da ist jetzt schon klar: Die Quoten werden einbrechen. Was sollte dann noch interessant sein an dieser Sendung? Kann man die wirklich so verändern, dass es eigentlich mit einer fast schon beliebigen Moderatorenfigur funktioniert?
Gangloff: Nein, also die Moderatorenfigur darf natürlich nicht beliebig sein, die muss zu diesem Konzept passen. Wenn man das Konzept strafft und verjüngt, dann wären Joko und Klaas die richtigen. Man muss sich von bestimmten Elementen trennen, die auch einfach Zeit kosten, also die Sendung muss in Zukunft nicht mehr drei Stunden lang sein, das ist ohnehin völlig rückwärtsgewandtes Fernsehen. Viele Showelemente sind glaube ich überflüssig und auch als Umschaltfaktor bekannt. Wenn man das Ganze strafft und dafür ...
Müller: Aber dann wäre es ja vielleicht nicht mehr "Wetten, dass ... ?".
Gangloff: Moderate Änderungen sind aber immer schon vorgenommen worden bei "Wetten, dass ... ?", und ich meine, so lange die Wetten noch stattfinden, bleibt es auch "Wetten, dass ... ".
Müller: Sie haben glaube ich das noch nie live gesehen, diese Veranstaltung, aber morgen ist es zum ersten Mal der Fall?
Gangloff: Ja, so ist es.
Müller: Also Sie sind wirklich in der Halle in Friedrichshafen und sehen zum ersten Mal "Wetten, dass ... ?" live.
Gangloff: Ja. Ich freu mich!
Müller: Und sind Sie aufgeregt?
Gangloff: Na ja, aufgeregt ist jetzt vielleicht das falsche Wort, es ist ja nicht so was wie das erste Date, aber ich bin doch sehr neugierig.
Müller: Tilmann Gangloff über "Wetten, dass ... ?", Thomas Gottschalk und das Ende einer Ära. Morgen findet in Friedrichshafen die letzte Ausgabe mit Thomas Gottschalk dieser großen deutschen Fernsehshow statt. Haben Sie vielen Dank!
Gangloff: Ja, gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.