Absage an das "Lyrik Kabinett"

Protest gegen Lyrik in Würdigung eines Straftäters

07:20 Minuten
Birgit Müller-Wieland blickt freundlich in Richtung des Betrachters.
Die Schriftstellerin Birgit Müller-Wieland kritisiert die mangelnde Solidarisierung mit missbrauchten Frauen. © Andrea Huber
Birgit Müller-Wieland im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 22.11.2019
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Die Dichterin Birgit Müller-Wieland hat ihre Teilnahme am "Lyrik Kabinett" abgesagt. Der Grund dafür sei die geplante Eröffnung durch den Lyriker Michael Krüger, schreibt sie in einem offenen Brief. Krüger habe in Gedichten sexuelle Gewalt verharmlost.
Die österreichische Schriftstellerin Birgit-Müller Wieland hat in einem offenen Brief ihre Entscheidung begründet, am 30-jährigen Jubiläum des Lyrik Kabinetts nicht teilzunehmen. In ihrem Schreiben wirft sie u.a. ihrem Kollegen Michael Krüger, dem ehemaligen Leiter des Carl Hanser Verlags und Ex-Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, vor, sexuelle Gewalt zu beschönigen.

Öffentliche Solidarisierung

Krüger hatte zwei Gedichte verfasst und sie Siegfried Mauser gewidmet. Mauser ist ehemaliger Rektor der Münchner Hochschule für Musik und Theater und rechtskräftig wegen sexueller Nötigung verurteilt. Vor kurzem hatten dennoch namhafte Kulturschaffende Mauser eine Festschrift zum 65. Geburtstag überreicht.
Sie habe schon vor Wochen die Entscheidung gefällt, der Einladung zum Festakt nicht zu folgen, sagt Müller-Wieland. "Weil ich prinzipiell in den letzten Jahren zu keiner Veranstaltung mehr gegangen bin, wo sich auch Herr Krüger befand. Dann kamen aber letzte Woche zwei Gedichte von Michael Krüger in mein Gesichtsfeld, beide Siegfried Mauser gewidmet."
Ein Gedicht ist auf Facebook veröffentlicht, das andere befindet sich in der Festschrift zum 65. Geburtstag Mausers. Die dortigen Widmungen bedeuteten eine erneute öffentliche Solidarisierung mit Mauser und besonders das Gedicht "Wie alles zusammenhängt" habe sie im Innersten getroffen. Da werde der Rechtstaat verunglimpft und die Justiz angegriffen. "Das halte ich demokratiepolitisch für sehr gefährlich." Es werde ein Machtmissbrauch suggeriert, als würde es einen Auftrag geben.

Gleichgültigkeit und Schweigen

Mausers Unterstützerkreis scheine gleichgültig gegenüber den missbrauchten Frauen zu sein. "Nie hat sich jemand von diesem Kreis an diese Frauen gewandt, um zu erfahren, was da war und wie es ihnen geht." Auch als eine der Frauen, die Vizepräsidentin der Musikhochschule, in der FAZ in einem Interview offengelegt habe, was mit ihr passiert sei, habe das diese Leute offenbar nicht erreicht, sagt Müller-Wieland.
Sie wünsche sich angesichts der Unterstützung von Susanne Popp und Nike Wagner für Siegfried Mauser mehr Solidarisierung von Frauen. Sie habe auch bisher noch keine Reaktion vom "Lyrik Kabinett" auf ihren offenen Brief bekommen, den sie am Montag abgeschickt habe, rechne aber mit allem, auch damit, dass sie nie wieder von den Veranstaltern eingeladen werde.
(rja)
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