#MeToo an der Musikhochschule München

Pornos zum Lockerwerden

Bildnummer: 50758832 Datum: 29.01.2005 Copyright: imago/Thomas Frey Schülerin beim Harfenunterricht Landesmusikgymnasium, Gymnasium, Musikschule, Musikschulen, Schüler, Musikschüler, Musikschülerin, Harfe, Harfen, Musikinstrument, Musikinstrumente, Instrument, Instrumente, Musiklehrerin, Musiklehrer, Lehrer, Lehrerin; , quer, Kbdig, Gruppenbild, close, Deutschland, , / Unterricht, lernen, lernt, lernend, Schule, Bildung, Musik, Kunst, Kind, Mädchen, musikalisch, musikalisches, musikalische, Musik, Harfenunterricht, Musikunterricht, spielen, spielt, spielend
Eine Schülerin übt und eine Hand nähert sich ihr © Imago / Thomas Frey
Moderation: Sigrid Brinkmann · 11.05.2018
Nach einem Bericht des "Spiegel" sollen zwei Professoren der Musikhochschule München ihre Machtposition sexuell ausgenutzt haben. Autor Martin Knobbe spricht von Erwartungshaltungen der Dozenten, die sich als Förderer ihrer Studenten sehen.
Pornos zum Lockerwerden fürs Komponieren, Einzelunterricht im Schlafzimmer, verbale und körperliche Übergriffe getarnt als Übungen für die Opernbühne - an der Hochschule für Musik München sollen zwei Professoren ihre Machtposition sexuell ausgenutzt und über Jahre hinweg Abhängigkeiten geschaffen haben. Dies jedenfalls behauptet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe vom 12. Mai 2018.
Einer der Beschuldigten ist Siegfried Mauser. Mauser war auch Präsident der Hochschule und ist wegen sexueller Nötigung bereits zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig. Nun geht es vor dem Landgericht München um den Verdacht der Vergewaltigung einer Bewerberin und um die sexuelle Nötigung einer Sängerin.
Der zweite Professor, gegen den sich die Vorwürfe richten, ist der Komponist Hans-Jürgen von Bose. Er wurde von der Staatsanwaltschaft München angeklagt, weil er die Schwester eines Studenten mehrfach vergewaltigt haben soll. Von Bose bestreitet die Vorwürfe. Ob das Verfahren gegen von Bose eröffnet wird, ist auch nach zwei Jahren Ermittlungen allerdings noch immer nicht entschieden.

Schwierige Situation im Prozess für viele der Betroffenen

"Spiegel"-Redakteur Martin Knobbe hat zusammen mit seinem Kollegen Jan-Philipp Möller die Fälle recherchiert und das Verfahren verfolgt. Nach Knobbes Einschätzung ist es hier nun sehr schwer zu beurteilen, wie das Gericht im Prozess gegen Mauser entscheiden werde: Für viele der Vorwürfe gebe es keine Zeugen, es stehe "Aussage gegen Aussage".
Vor allem für die Frauen sei der Prozess sehr schwierig verlaufen, weil dabei ihr Privatleben seziert worden sei. Für sie habe sich eine Art "Dynamik ergeben nachdem Herr Mauser eben jetzt nicht zum ersten Mal vor Gericht steht": "Dass sich immer mehr Betroffene gemeldet haben und gesagt haben: 'Ja gut, dann gehe ich jetzt auch mal mit meiner Geschichte nach vorne.'"

Muster erkennbar

In den Schilderungen der Zeugen seien Muster erkennbar gewesen, so Knobbe im Deutschlandfunk Kultur: "Diese Muster liegen in der Struktur der Hochschule: Das fängt bei der Intimität des Unterrichts an: Das ist meist ein Einzelunterricht, der Dozent ist mit seinem Student oder seiner Studentin allein im Raum. Die Tür ist geschlossen, man verbringt lange Zeit miteinander - es gibt im Fall einer Tat keine Zeugen."
Hinzu kämen die Rollen, eine Art vorgegebenes Rollenspiel: "Wenn mich mein Professor gut findet dann bringt er mich auch weiter und dieser hohe Druck, der auch in dieser Szene besteht, fördert natürlich das Motiv zu sagen: 'Ich will meinem Dozenten gefallen, denn dann kann er auch für mich etwas möglich machen.'" Und ein Teil der Dozenten, ein kleiner Teil, wie Knobbe betont, würde das eben ausnutzen: "Naja, wenn ich Dir helfe, dann erwarte ich aber auch etwas!"

Aufbau einer Art sexuellen Erwartungshaltung

Die Recherchen gestalteten sich schwierig, verrät Knobbe: "Wir haben versucht, ganz offiziell mit den Gremien und den zuständigen Leuten an der Hochschule zu sprechen, aber das fand quasi nicht statt." Die Bitten um Hintergrundgespräche und Interviews seien von der Hochschule abgelehnt worden, so Knobbe: "Genauso die Beantwortung von schriftlichen Fragen - und das zeigt den Umgang mit diesem Thema an der Hochschule."
Ein Ergebnis dort sei aber nun, dass es einen Flyer für die Studenten gebe unter dem Motto "Nein heißt Nein!" Andererseits zeige eine Umfrage, dass nicht jeder Student an der Hochschule überhaupt wisse, an wen er oder sie sich wenden könne, wenn er Kenntnis von Missbräuchen bekomme oder ihm selbst etwas passiert sei.
Knobbe betont, dass ihm und seinem Kollegen im Zug der Recherchen Hinweise über weitere Vorfälle an anderen Hochschulen zugegangen seien.

Nachzulesen sind die Recherchen von Martin Knobbe und Jan-Philipp Möller im neuen "Spiegel" - ab Samstag erhältlich und seit heute auf spiegel.de.

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