Der Fall Siegfried Mauser

Eine Festschrift für einen Sexualstraftäter

04:34 Minuten
Der ehemalige Präsident der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, sitzt vor dem Prozess im Verwaltungsgericht. Er und der Freistaat Bayern streiten um mehrere Zehntausend Euro Lehrvergütung, die der Freistaat zurückfordert.
Siegfried Mauser muss ins Gefängnis. Er wurde wegen sexueller Nötigung vom Landgericht München zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. © picture alliance / dpa / Sina Schuldt
Ein Kommentar von Rainer Pöllmann · 29.10.2019
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Über Siegfried Mauser, den ehemaligen Präsidenten der Münchner Musikhochschule, heißt es jetzt in einer Festschrift, er habe "die Grenzen der bienséance", also des Anstands und der Etikette, "überschritten". Sexuelle Nötigung – nur ein Kavaliersdelikt?
Eigentlich war nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs alles gesagt: Die Urteile gegen den Pianisten und früheren Präsidenten der Münchner Musikhochschule Siegfried Mauser sind rechtskräftig, Mauser muss ins Gefängnis – und man würde ihm wünschen, dass er dort - endlich - über sein Handeln reflektiert.
Aber die Geschichte findet kein Ende. Und das liegt nicht nur an Mauser selbst, sondern auch an seinen Freunden und Unterstützern. Aber was für "Freunde" sind das, die wider alle Vernunft und staatsbürgerliche Verantwortung einem verurteilten Straftäter bedingungslos zur Seite stehen?!

Die Opfer wurden denunziert

Was soll man von der Musikabteilung der Bayerischen Akademie der schönen Künste halten, deren Direktor Mauser viele Jahre lang war? Die sich jahrelang dahinter versteckte, es handele sich um ein schwebendes Verfahren, währenddessen der damalige Präsident der Akademie und sein Vorgänger Leserbriefe schrieben, die die Opfer denunzierten?
Eine Akademie, die erst jetzt mit öffentlichem Druck dazu gebracht wurde, ein Ausschlussverfahren gegen Mauser einzuleiten? Ein Verfahren, welches Mauser mit seinem Austritt abkürzte. Eine Akademie, die jetzt ihre Hände in Unschuld wäscht und dem staunenden Publikum einreden will, Stellungnahmen ihrer Mitglieder, gezeichnet mit "Präsident" und "Altpräsident", seien ausschließlich private Meinungsäußerungen?
Und schließlich: Was soll man von der unfassbaren Sturheit halten, mit der die "Festschrift" zum 65. Geburtstag Mausers vorangetrieben wurde? Als ob es irgendetwas zu feiern gäbe. Unter den Autorinnen und Autoren: höchst renommierte Musiker und Komponisten, Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann, Jörg Widmann, nicht weniger renommierte Musikwissenschaftler. Insgesamt 13 Mitglieder der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sind vertreten.
Und ihr Ehrenpräsident als einer der Herausgeber: Dieter Borchmeyer, vielleicht der eifrigste aller Mauser-Verteidiger, der vor drei Jahren noch zugestand, dass eine rechtskräftige Verurteilung auch das Lebenswerk Mausers in anderem Licht erscheinen lasse. Und der davon heute rein gar nichts mehr wissen will.

Die Reinwaschung des Täters

Es ist ein Bärendienst, den sie alle dem also "Geehrten" erweisen. Und man fragt sich, ob denn wirklich niemand der Beteiligten bei diesem Projekt die Reißleine ziehen konnte. Aber vielleicht wollte das ja auch keiner.
Denn wirklich fassungslos macht einen das Vorwort. Das betreibt – man kann es nicht anders sagen – die Reinwaschung des Täters, für den mit diesen wohlgesetzten Worten um Verständnis gebeten wird:
"Seine Visionen und sein unbändiger Tatendrang, die ansteckende Spontanität und begeisternde Vitalität haben ihm manche Kritik eingetragen – und sein bisweilen die Grenzen der bienséance überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt."

Verachtung und Verhöhnung

Eine wirklich bemerkenswerte Formulierung: Ein "weltumarmender Eros", der die "bienséance" leider manchmal "überschritten" habe. Das Gericht fand dafür etwas deutlichere Worte: "sexuelle Nötigung".
Wie weltfremd muss diese Intellektuellen-Garde sein, dass sie offenbar ernsthaft glaubt, mit solchen Wort-Preziosen durchzukommen? Und wie gefühlskalt? Hinter exquisiten, fein gewählten Worten schimmert nichts anderes auf als die Verachtung des Rechtstaats und die Verhöhnung der Opfer.
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