Abgründe hinter der Fassade
Die französische Schriftstellerin Louise de Vilmorin entstammte dem Hochadel, was ihr ein abgesichertes Leben erlaubte und sie mit führenden Künstlern bekannt machte. Ihre Romane schildern das gesellschaftliche Leben: Nun ist ihr Roman "Madame de" in neuer Übersetzung erschienen.
Herzförmige Diamantohrringe als Morgengabe, sie bilden den Nukleus dieses Romans, sind die Edelsteine des Anstoßes, die die Handlung ins Rollen bringen. Gleichzeitig zeigen sie, wie sehr Louise de Vilmorins "Madame de" aus der Zeit gefallen ist. Morgengaben, also wertvolle Geschenke, die der Gatte seiner Holden am Morgen nach der Hochzeitsnacht machte, waren bereits zum Erscheinen des Romans im Jahr 1951 weitgehend aus der Mode gekommen, und ein Paar herzförmig geschliffener Brillanten von auffallender Größe konnten sich zu jeder Zeit nur wenige leisten.
So spielt diese leicht erzählte und schließlich tragische Geschichte in einer Gesellschaft, in der die Protagonistin eigentlich keine anderen Sorgen hat als schön zu sein und sich für ihre Eleganz sowie ihren auserlesenen Geschmack bewundern zu lassen. Das allerdings kostet, und leider immer etwas mehr, als sie "Monsieur" zu gestehen wagt, sodass sich über die Jahre Schulden anhäufen. Doch ist sie in einer weit aus komfortableren Lage als die arme Emma Bovary: "Sie öffnete ihre Schatulle; es erschien ihr nicht ratsam, ein Erbstück zu veräußern oder mehrere Schmuckstücke von geringerem Wert, deren Verschwinden unerklärlich wäre".
Also "verliert" sie mit großen Trara die Brillantherzen. Um diese ganze Situation sowie das aus "Monsieur" und "Madame" bestehende Paar zu skizzieren, braucht Vilmorin nur wenige Sätze. Gerade in dieser Verknappung, dieser Leichtigkeit und scheinbaren Oberflächlichkeit liegt die große Stärke der Autorin, die den geglückten Verkauf an den Juwelier der Familie mit den Worten zusammenfasst: "Madame de beglich ihre Schulden, was ihre Schönheit mehrte."
Louise de Vilmorins Leben war erheblich turbulenter als dasjenige ihrer Heldinnen. Einzige Tochter ihrer hochadeligen Eltern - ein Halbbruder ging aus der Liebschaft ihrer Mutter mit dem spanischen König hervor - kam sie 1902 auf dem Schloss der Familie bei Paris zur Welt, wo sie 1969 auch verstarb, nicht ohne sich mit Saint-Exupéry zu verloben, einen amerikanischen Immobilienmakler und einen ungarischen Playboy zu heiraten, Liebschaften unter anderen mit Cocteau einzugehen und über lange Jahr mit André Malraux liiert zu sein, der sie zum Schreiben anregte.
"Madame de", 1953 von Max Ophüls mit Vittorio de Sica und Danielle Darieux verfilmt und für den Oskar nominiert, machte sie auch außerhalb Frankreichs bekannt. Nun erschien aber in eben jenem Jahr "Les Gommes" von Alain Robbe-Grillet und die Hochzeit des "Nouveau Roman" begann, sodass die scheinbar leicht hingetupften Romanminiaturen Vilmorins nicht mehr so recht in die literarische Landschaft passten, jetzt aber zum großen Vergnügen der Leserschaft vom Dörlemann-Verlag in den gelungenen Neuübersetzungen von Patricia Klobusiczky neu aufgelegt werden.
Die Übersetzerin trifft genau den fast lakonischen, mitunter leicht ironischen Ton Vilmorins, in dem die Autorin mit wenigen Worten Charaktere und Beziehungen plastisch werden lässt. Vilmorins besondere Kunst besteht indes in der pointierten Darstellung jener Kreisen, denen sie selbst und ihre Figuren angehören, wobei sie distanziert an der Oberfläche zu bleiben scheint, uns aber dennoch die Abgründe spüren lässt, die sich hinter dieser perfekten Fassade auftun.
Besprochen von Carolin Fischer
Louise de Vilmorin: Madame de
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
Dörlemann, Zürich, 2012
128 Seiten, 15,90 Euro
Links bei dradio.de:
Spiel der Irrungen und Wirrungen
Louise de Vilmorin: "Julietta", Dörlemann Verlag, Zürich 2010, 288 Seiten
Prägnant und schön in der französischen Fassung
Antoine de Saint-Exupéry: Der Pilot und der Mensch - und - Manon, Tänzerin. Aus dem Französischen von Annette Lallemand *
Leichtigkeit einer Sommerliebe
Louise de Vilmorin: "Liebesgeschichte", Dörlemann Verlag, Zürich 2009, 128 Seiten *
So spielt diese leicht erzählte und schließlich tragische Geschichte in einer Gesellschaft, in der die Protagonistin eigentlich keine anderen Sorgen hat als schön zu sein und sich für ihre Eleganz sowie ihren auserlesenen Geschmack bewundern zu lassen. Das allerdings kostet, und leider immer etwas mehr, als sie "Monsieur" zu gestehen wagt, sodass sich über die Jahre Schulden anhäufen. Doch ist sie in einer weit aus komfortableren Lage als die arme Emma Bovary: "Sie öffnete ihre Schatulle; es erschien ihr nicht ratsam, ein Erbstück zu veräußern oder mehrere Schmuckstücke von geringerem Wert, deren Verschwinden unerklärlich wäre".
Also "verliert" sie mit großen Trara die Brillantherzen. Um diese ganze Situation sowie das aus "Monsieur" und "Madame" bestehende Paar zu skizzieren, braucht Vilmorin nur wenige Sätze. Gerade in dieser Verknappung, dieser Leichtigkeit und scheinbaren Oberflächlichkeit liegt die große Stärke der Autorin, die den geglückten Verkauf an den Juwelier der Familie mit den Worten zusammenfasst: "Madame de beglich ihre Schulden, was ihre Schönheit mehrte."
Louise de Vilmorins Leben war erheblich turbulenter als dasjenige ihrer Heldinnen. Einzige Tochter ihrer hochadeligen Eltern - ein Halbbruder ging aus der Liebschaft ihrer Mutter mit dem spanischen König hervor - kam sie 1902 auf dem Schloss der Familie bei Paris zur Welt, wo sie 1969 auch verstarb, nicht ohne sich mit Saint-Exupéry zu verloben, einen amerikanischen Immobilienmakler und einen ungarischen Playboy zu heiraten, Liebschaften unter anderen mit Cocteau einzugehen und über lange Jahr mit André Malraux liiert zu sein, der sie zum Schreiben anregte.
"Madame de", 1953 von Max Ophüls mit Vittorio de Sica und Danielle Darieux verfilmt und für den Oskar nominiert, machte sie auch außerhalb Frankreichs bekannt. Nun erschien aber in eben jenem Jahr "Les Gommes" von Alain Robbe-Grillet und die Hochzeit des "Nouveau Roman" begann, sodass die scheinbar leicht hingetupften Romanminiaturen Vilmorins nicht mehr so recht in die literarische Landschaft passten, jetzt aber zum großen Vergnügen der Leserschaft vom Dörlemann-Verlag in den gelungenen Neuübersetzungen von Patricia Klobusiczky neu aufgelegt werden.
Die Übersetzerin trifft genau den fast lakonischen, mitunter leicht ironischen Ton Vilmorins, in dem die Autorin mit wenigen Worten Charaktere und Beziehungen plastisch werden lässt. Vilmorins besondere Kunst besteht indes in der pointierten Darstellung jener Kreisen, denen sie selbst und ihre Figuren angehören, wobei sie distanziert an der Oberfläche zu bleiben scheint, uns aber dennoch die Abgründe spüren lässt, die sich hinter dieser perfekten Fassade auftun.
Besprochen von Carolin Fischer
Louise de Vilmorin: Madame de
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
Dörlemann, Zürich, 2012
128 Seiten, 15,90 Euro
Links bei dradio.de:
Spiel der Irrungen und Wirrungen
Louise de Vilmorin: "Julietta", Dörlemann Verlag, Zürich 2010, 288 Seiten
Prägnant und schön in der französischen Fassung
Antoine de Saint-Exupéry: Der Pilot und der Mensch - und - Manon, Tänzerin. Aus dem Französischen von Annette Lallemand *
Leichtigkeit einer Sommerliebe
Louise de Vilmorin: "Liebesgeschichte", Dörlemann Verlag, Zürich 2009, 128 Seiten *