Leichtigkeit einer Sommerliebe
Zwei gut betuchte ältere Freundinnen genießen die Ferien in der Normandie. Als sie die Bekanntschaft eines jungen Mannes machen, werden aus ihnen Rivalinnen. Die französische Schriftstellerin Louise de Vilmorin war mit berühmten Männern wie Antoine de Saint-Exupéry und André Malraux liiert.
Türkisblau eingebunden, in der Farbe des Meeres, von dem wir alle träumen, auf der Vorderseite ein Foto dreier Damen, die im Badeanzug mit Strohhut am Strand sitzen – so präsentiert sich Louise de Vilmorins "Liebesgeschichte" als ideale Urlaubslektüre, die es auch tatsächlich ist.
Zwei Freundinnen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die bürgerliche Gattin Catherine Valle-Didier und die recht freizügige Marise Lejeand, verbringen gemeinsam die Ferien in der Normandie. Dort bietet eine "sehr alte", "sehr reiche" Amerikanerin den beiden ihr Haus an, da sie selbst in Begriff steht abzureisen. Zum ‚Inventar’ gehöre indes ihr Enkel, Peter von L., der sich nach sechs Jahren an den Fronten des Zweiten Weltkriegs, in dem er zwei Brüder und den Familienbesitz verlor, dort erholen soll. Vor allem aber muss ihm der Tod der Angebeteten verheimlicht werden, da diese Nachricht ihn nach Meinung der Ärzte umbrächte.
Statt eines liebeskranken Rekonvaleszenten präsentiert sich den Freundinnen ein überaus attraktiver Mann Anfang dreißig, der weder krank noch gebrochen erscheint und den Damen voller Courtoisie die Zeit vertreibt. Obwohl es von den beiden heißt, dass zwischen ihnen "die geringste Ähnlichkeit" bestand, verlieben sie sich in Peter.
Der eigentlich Reiz von Vilemorins Erzählung besteht nun darin, dass sie zeigt, wie ein sehr ähnliches Gefühl in zwei grundverschiedenen Charakteren zwar einerseits zu einem jeweils der Persönlichkeit entsprechenden Verhalten führt, anderseits sich der alte Satz auch hier bewahrheitet, dass im Krieg und in der Liebe alle Waffen erlaubt sind.
Mag Marise offensiver in ihren Avancen sein als die sehr bourgeoise Catherine, so greifen doch beide zu ähnlichen Tricks, um einige Augenblicke allein mit dem Objekt ihres Begehrens verbringen zu können. Nicht minder faszinierend ist die Figur des umschwärmten Galans, dessen Liebe eindeutig der Verstorbenen gehört, von deren Tod er nichts weiß.
Dennoch lassen die attraktiven Frauen, die jede mit ihren Mitteln um seine Gunst balzen, ihn nicht gänzlich unberührt, aber die Autorin analysiert klugerweise nicht, wie weit seine Reaktionen der Höflichkeit oder der Zuneigung geschuldet sind – gerade so, als ob er sich seine Gefühle selbst nicht eingestehen wollte.
Insgesamt ist Louise de Vilmorin eine Meisterin der Oberfläche, einer Oberfläche, die sie sprachlich zum Funkeln bringt und unter der wir Leser unser eigenes Drama entwickeln können, wohingegen dem Text selbst die Leichtigkeit einer Sommerliebe zu eigen ist. Allerdings ist sie leidenschaftlich genug, um zum Bruch zwischen den Freundinnen zu führen, der kurz, wenngleich nicht schmerzlos in Form einer Ohrfeige erfolgt, die knapp geschildert und von Madame Valle-Didier ebenso begründet wird, nämlich mit mangelnder Erziehung ihrer Freundin, die nach dem Eklat überstürzt abreist.
Indes gelingt es Catherine Valle-Didier nicht, von der veränderten Konstellation zu profitieren, da überraschend ihr Mann und ihre Tochter anreisen. Diese verliebt sich noch schneller als ihre Mutter in Peter von L., was Louise de Vilmorin die Möglichkeit eröffnet, in ihrem extrem knappen, lakonischen Stil eine weitere Form der Rivalität zu skizzieren und mit ihr eine weitere Variante der seligen Sehnsucht.
Das überraschende Ende wird alle drei Frauen wieder vereinen, allerdings keineswegs in der erwünschten Form.
Besprochen von Carolin Fischer
Louise de Vilmorin: Liebesgeschichte.
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky.
128 Seiten. Duo-Leinen mit Leseband. Dörlemann Verlag
Originaltitel: Histoire d’aimer
€ 17.80
Zwei Freundinnen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die bürgerliche Gattin Catherine Valle-Didier und die recht freizügige Marise Lejeand, verbringen gemeinsam die Ferien in der Normandie. Dort bietet eine "sehr alte", "sehr reiche" Amerikanerin den beiden ihr Haus an, da sie selbst in Begriff steht abzureisen. Zum ‚Inventar’ gehöre indes ihr Enkel, Peter von L., der sich nach sechs Jahren an den Fronten des Zweiten Weltkriegs, in dem er zwei Brüder und den Familienbesitz verlor, dort erholen soll. Vor allem aber muss ihm der Tod der Angebeteten verheimlicht werden, da diese Nachricht ihn nach Meinung der Ärzte umbrächte.
Statt eines liebeskranken Rekonvaleszenten präsentiert sich den Freundinnen ein überaus attraktiver Mann Anfang dreißig, der weder krank noch gebrochen erscheint und den Damen voller Courtoisie die Zeit vertreibt. Obwohl es von den beiden heißt, dass zwischen ihnen "die geringste Ähnlichkeit" bestand, verlieben sie sich in Peter.
Der eigentlich Reiz von Vilemorins Erzählung besteht nun darin, dass sie zeigt, wie ein sehr ähnliches Gefühl in zwei grundverschiedenen Charakteren zwar einerseits zu einem jeweils der Persönlichkeit entsprechenden Verhalten führt, anderseits sich der alte Satz auch hier bewahrheitet, dass im Krieg und in der Liebe alle Waffen erlaubt sind.
Mag Marise offensiver in ihren Avancen sein als die sehr bourgeoise Catherine, so greifen doch beide zu ähnlichen Tricks, um einige Augenblicke allein mit dem Objekt ihres Begehrens verbringen zu können. Nicht minder faszinierend ist die Figur des umschwärmten Galans, dessen Liebe eindeutig der Verstorbenen gehört, von deren Tod er nichts weiß.
Dennoch lassen die attraktiven Frauen, die jede mit ihren Mitteln um seine Gunst balzen, ihn nicht gänzlich unberührt, aber die Autorin analysiert klugerweise nicht, wie weit seine Reaktionen der Höflichkeit oder der Zuneigung geschuldet sind – gerade so, als ob er sich seine Gefühle selbst nicht eingestehen wollte.
Insgesamt ist Louise de Vilmorin eine Meisterin der Oberfläche, einer Oberfläche, die sie sprachlich zum Funkeln bringt und unter der wir Leser unser eigenes Drama entwickeln können, wohingegen dem Text selbst die Leichtigkeit einer Sommerliebe zu eigen ist. Allerdings ist sie leidenschaftlich genug, um zum Bruch zwischen den Freundinnen zu führen, der kurz, wenngleich nicht schmerzlos in Form einer Ohrfeige erfolgt, die knapp geschildert und von Madame Valle-Didier ebenso begründet wird, nämlich mit mangelnder Erziehung ihrer Freundin, die nach dem Eklat überstürzt abreist.
Indes gelingt es Catherine Valle-Didier nicht, von der veränderten Konstellation zu profitieren, da überraschend ihr Mann und ihre Tochter anreisen. Diese verliebt sich noch schneller als ihre Mutter in Peter von L., was Louise de Vilmorin die Möglichkeit eröffnet, in ihrem extrem knappen, lakonischen Stil eine weitere Form der Rivalität zu skizzieren und mit ihr eine weitere Variante der seligen Sehnsucht.
Das überraschende Ende wird alle drei Frauen wieder vereinen, allerdings keineswegs in der erwünschten Form.
Besprochen von Carolin Fischer
Louise de Vilmorin: Liebesgeschichte.
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky.
128 Seiten. Duo-Leinen mit Leseband. Dörlemann Verlag
Originaltitel: Histoire d’aimer
€ 17.80