1000 Quadratmeter für eine Leidenschaft

Von Tonia Koch |
Er ist Arzt und Sammler. Sein Beruf habe ihm ermöglicht, so viele Kunstwerke zu sammeln, sagte Martin Zimmer. Bald will er seinen Arztkittel an den Nagel hängen und ein privates Museum eröffnen - mit Bildern von Immendorf, Middendorf, Salomé und vor allem Fetting.
Martin Zimmer schaltet das Licht ein. Der Blick fällt auf den "Großen Liegenden". Ein frühes Werk Rainer Fettings. Großformatig in leuchtenden Farben, wie die meisten Werke der als "Junge Wilde" bekannt gewordenen Künstlergruppe um den Berliner Moritzplatz. In Zimmers Privathaus im saarländischen Merzig sind 80 Werke zu sehen. In 30 Jahren hat Zimmer sie zusammengetragen und dafür im Haus Platz geschaffen. Das Haus ist stetig gewachsen, auf inzwischen 1000 Quadratmeter. Immer wieder wurde der Ausstellungsraum um neue Pavillons ergänzt, damit die Immendorfs, Middendorfs, Salomés - aber vor allem die 45 Arbeiten von Rainer Fetting - angemessen zur Geltung kommen.

"Ja, das war der Maler, der mich am meisten begeistert hat, den hab' ich gesehen, das war wie die große Liebe und dann bleibt man natürlich dabei."

Martin Zimmer ist Sammler und Arzt.

"Das ist ein ganz anderer Herr Zimmer, der lebt in einer ganz anderen Welt."

Wenngleich es der Arzt war, der es dem Sammler ermöglicht hat, seine Leidenschaft auch auszuleben.

"Man muss ja auch, wenn man so etwas macht, Geld haben. Ohne Geld keine Sammlung."

Martin Zimmer erzählt von den Anfängen:

"Die Begeisterung für die Malerei kam für mich schon mit etwa 12 Jahren. Mein Vater ist sehr früh gestorben, und da hat man so als junger Mensch eine Einsamkeit. Und diese Einsamkeit, glaub ich, habe ich versucht zu kompensieren in einer Beschäftigung mit Malerei; damals mit Paul Klee, der so wunderschöne fantastische Welten auch für Kinder direkt erfahrbar erschlossen hat.

Und dann ging das so weiter. In den deutschen Expressionismus vor allen Dingen dann Kirchner, Beckmann, die mich sehr begeistert haben. Und dann, wie gesagt, in den 80er-Jahren Fetting. Vorher hatte ich schon einige Sammlungen begonnen, aber immer wieder verworfen. Weil, das war es dann doch nicht. Man muss halt probieren, was einen reizt, was einen so richtig berührt."

Im kommenden Jahr will der Internist seine Praxis aus Altersgründen aufgeben. Er will seinen seit längerem gehegten Plan von einem privat geführten Museum umsetzen.

"Die Sammlung ist da, damit sie gesehen wird, damit Leute daran teilhaben können und das ist auch mein Ziel, zu realisieren, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich ist."

Nur das Wie sei noch nicht ausdiskutiert .Bereits jetzt öffnet Martin Zimmer sein museales Wohnhaus für Kunstinteressierte und für Schulklassen.

"Ich hab hier öfter auch schon Schulklassen, die als Leistungskurs Kunst hatten, unterrichtet, denen das gezeigt und die Intention mitvermittelt, die vom Sammeln ausgeht."

Bei den Schülern habe er viel ernsthaftes Interesse gespürt. Es sei überhaupt nicht schwierig, die jungen Leute für Kunst zu begeistern, im Gegenteil. Am Wochenende habe er beim Besuch der Frankfurter Max Beckmann-Ausstellung eine ähnliche Erfahrung gemacht. In Scharen seien ihm dort junge Leute begegnet.

"Die früher in den Kirchen waren, sind heute in den Museen. Ja, so ist das. Ich glaube schon, dass die Museen die Kathedralen des 21. Jahrhunderts sind. Weil, der Mensch sucht doch immer eine Antwort, wo komme ich her, wo geh' ich hin. Und ich denke auch, das Museum kann uns eine Antwort darauf geben."

Als Mäzen wolle er nicht gelten. Bei dieser Vokabel schüttelt Zimmer immer wieder den Kopf. Nein, er glaube nicht, dass dieser Bergriff für ihn tauge. Er sei eben ein ernsthafter Sammler, und das bedeute eben auch, dass man andere teilhaben lasse an den mit Geduld und häufig auch mit Glück zusammengetragenen Kunstwerken. Hilfe oder Unterstützung von Dritten, namentlich von der Politik, möchte der bodenständige Menschenfreund Zimmer nicht in Anspruch nehmen. Überdies sei eine solche Unterstützung bislang auch nicht angeboten worden.

"Schauen Sie, was wollen Sie von der Politik erwarten, die wird doch nicht einmal mit sich selbst fertig im Moment. Die wissen doch gar nicht, wo sind unsere Grenzen. Sie sind dabei, eine Gesellschaft auseinander zu dividieren, weil sie die Werte, die eine Gesellschaft bestimmen, nicht mehr leben, selbst nicht mehr leben. Das ist doch eine Schande, die wir erleben. Ich bin traurig darüber."

Als er das sagt, schaut Martin Zimmer auf einen New Yorker U-Bahnhof. Die 23. Straße, von Rainer Fetting auf Leinwand gebannt. Dort sei er noch nie gewesen.

"Ich mag es viel lieber in der Stille zu sitzen und zu lesen als zu reisen, muss ich sagen. Ich bin nicht viel gereist in meinem Leben. Meine Welt waren immer die Bilder."
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