Zollitsch: Papstbesuch wird Christen in Deutschland stärken

Robert Zollitsch im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 21.09.2011
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, erwartet vom Papstbesuch eine Ermutigung für die Ökumene. Der katholische Erzbischof sagte, Benedikt XVI. habe sich an dem Treffen mit Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt sehr interessiert gezeigt.
Jan-Christoph Kitzler: Der Papst kommt nach Deutschland. Ab morgen besucht das Oberhaupt der katholischen Kirche Berlin, Erfurt, das Eichsfeld und Freiburg im Breisgau. Die Erwartungen an diesen Besuch sind hoch, und groß ist auch die Kritik am Papst und auch an den Kosten, die die Reise verursacht. Für viele Katholiken aber ist dieser Besuch möglicherweise eine Gelegenheit, Kraft zu schöpfen im Glauben, aber auch den Blick zu lenken auf die speziellen Probleme der katholischen Kirche in Deutschland. Darüber spreche ich jetzt mit dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Er ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Schönen guten Morgen nach Freiburg!

Robert Zollitsch: Ja, guten Morgen!

Kitzler: In den letzten Tagen hat man ja katholische Stimmen gehört, die viel von diesem Papstbesuch erwarten, andere warnen eher vor überzogenen Erwartungen. Wie groß sind sie denn, Ihre Erwartungen?

Zollitsch: Ich persönlich freue mich sehr, dass Papst Benedikt zu uns kommt zu einem ersten offiziellen Besuch. Und erstmals in der Geschichte wird auch ein Papst nach Freiburg kommen. Wir werden den Papst freundlich aufnehmen. Ich gehe davon aus, dass wir mit ihm ein Fest des Glaubens feiern und das er uns ermutigen wird auf dem Weg in die Zukunft, und damit werden die Katholiken und die Christen in Deutschland insgesamt auch gestärkt werden.

Kitzler: In der katholischen Kirche in Deutschland gibt es – das muss man wohl so sagen – gewisse Erosionserscheinungen. 2010 sind über 180.000 Katholiken ausgetreten aus der Kirche, auch unter anderem wegen der Missbrauchsfälle, wegen der Causa Williamson. In was für einem Zustand ist denn die deutsche Kirche, die Benedikt XVI. besucht?

Zollitsch: Gut, wir spüren natürlich alle, dass die Großorganisationen in Deutschland durchaus sich schwertun. Es sind ja nicht nur Katholiken ausgetreten, sondern über zehn Jahre hinweg sogar ein Drittel mehr Protestanten aus der evangelischen Kirche. Das ist nicht etwas, was mich freut, sondern es zeigt, dass wir tatsächlich hier in einer gesamten Problematik stehen, und uns hat es nun im vergangenen Jahr besonders hart getroffen. Wir haben allerdings auch die Dinge angepackt, und ich meine, wir sind auf dem guten Weg mit dem Blick nach vorne, dass wir die Dinge angehen, und das wir uns vom Papst beraten, auch ermutigen lassen, und wir werden sicher da neue Kraft schöpfen.

Kitzler: Trotzdem, viele Katholiken wünschen sich ja eine Kirche, die sich stärker öffnet, die anders umgeht zum Beispiel mit Frauen, mit Geschiedenen, die in der Sexualmoral Antworten findet, die zur Lebenswirklichkeit der Menschen passen. Dieser Papst, so hat man den Eindruck, steht ja für eine andere Öffnung, zum Beispiel gegenüber den Piusbrüdern, gegenüber den Traditionalisten, die die lateinische Messe feiern. Ist das nicht ein großer Gegensatz?

Zollitsch: Es ist das große Anliegen des Papstes natürlich, die Bandbreite des Katholischen zusammenzuhalten und nicht der zu sein, der schuld ist, dass Menschen die Kirche verlassen. Wir werden auch all die Fragen, die Sie angesprochen haben in Dialogprozess miteinander besprechen, wir werden sie auch – natürlich jetzt nicht während der Reise, aber danach – mit Papst Benedikt besprechen. Wir sind auf einem Weg in die Zukunft, und dass eine Volkskirche, eine Kirche, die 1,2 Milliarden Menschen Mitglieder hat, natürlich eine große Bandbreite mit einer ganzen Reihe von Fragen hat, das ist für mich natürlich. Aber unser Ziel ist es, in dieser Bandbreite den Weg gemeinsam nach vorne zu gehen. Und da ist Papst Benedikt für mich einer der großen Integrationsfiguren.

Kitzler: Es gibt ja auch Vertreter der katholischen Kirche – auch in Deutschland –, die der Meinung sind, das, was da gerade passiert, ist gar keine Krise, sondern eher ein Gesundschrumpfungsprozess auf einen Kreis von Menschen, die dann wahrhaft glaube. Wie sehen Sie das?

Zollitsch: Und ich sehe die Lösung jetzt nicht in der kleinen Herde, die sich zurückzieht, sondern ich meine, wir sollen uns den Herausforderungen stellen. Ich sehe in der Volkskirche, die wir haben, große Chancen, das Evangelium zu verkünden. Natürlich wird die Volkskirche immer auch eine große Bandbreite haben, immer auch ein ganz verschiedenes Maß an Engagement in der Kirche, aber das sind auch Chancen, das ist nicht nur eine Last für uns, und ich gehöre zu denen, die möglichst viele mitnehmen wollen und die Bandbreite bejahen.

Kitzler: Der große Spagat ist ja, dass die Zentrale in Rom die Sicht der Weltkirche hat, und da erscheinen die Probleme vor Ort dann manchmal eher klein. Wie kann man denn diesen Spagat schaffen, einerseits Weltkirche sein, andererseits die Lage vor Ort, die ja manchmal nicht ganz einfach ist, nicht aus den Augen lassen?

Zollitsch: Das ist tatsächlich eine große Frage, und deswegen brauchen wir auch Zeit, um diese Fragen anzugehen. Aber ich habe in den Gesprächen mit Papst Benedikt immer wieder erfahren, dass er die Situation in Deutschland kennt, dass er sie ernst nimmt und dass er mit uns gemeinsam den Weg gehen will. Aber eine große Weltkirche wie wir, die braucht natürlich immer auch den langen Atem. Und wenn ich zurückdenke an das Zweite Vatikanische Konzil, dass ich nun so aktiv erlebt habe, da muss ich sagen, ist damals sehr viel geschehen, und in den letzten 50 Jahren vieles geworden, und den Weg gehen wir weiter.

Kitzler: Gehen Ihnen die Reformen, die nötig sind vielleicht in der Kirche, gehen Ihnen die langsam, schnell genug?

Zollitsch: Oh, ich gehöre auch zu denen, die natürlich interessiert sind, dass wir auch den Weg nach vorne gehen. Und manchmal muss ich mit mir selber, ein bisschen mir selber Geduld zusprechen. Aber wenn ich dann an die Weltkirche denke und die Begegnung mit vielen Vertretern der Weltkirche, dann weiß ich, dass wir in Deutschland nicht die einzigen sind, deren Sicht nun für alle bestimmend sein soll. Aber wir bringen unser Anliegen ein und eine gewisse Dynamik bringen wir auch hinein.

Kitzler: Der Spagat, von dem ich gesprochen habe, ist ja auch Ihr persönlicher Spagat. Einerseits müssen Sie bei den Katholiken in Deutschland vermitteln, andererseits müssen Sie in Rom die deutsche Sicht der Katholiken vertreten. Ist das überhaupt zu schaffen?

Zollitsch: Ich versuche es immer wieder, weil ich persönlich ein Mann des Brückenbaus bin und auch Brücken bauen möchte. Ich versuche darum auch, unsere deutsche Sicht in Rom bei den Gesprächen, die ich dort führe, immer wieder einzubringen, um Verständnis dafür zu werben, und ich versuche auch, jetzt die Sicht der Weltkirche mir zu eigen zu machen, dass ich weiß, unser Problem und wir sind nicht die Einzigen. Und ich persönlich bin zuversichtlich. Seit ich Vorsitzender der Bischofskonferenz bin, habe ich viele Gespräche in Rom geführt, die machen mir Mut.

Kitzler: Ein Thema müssen wir noch ansprechen, was bei der Papstreise sehr wichtig sein wird, nämlich das Thema Ökumene. In Erfurt, also dort, wo Martin Luther sein Studium begonnen hat, wird es ein Treffen geben mit Vertretern der evangelischen Kirchen. Was für Impulse können denn davon ausgehen?

Zollitsch: Einerseits ist das sehr schön, dass dieses Treffen in Erfurt stattfindet. Und für mich war es auch eine gute Erfahrung, dass Papst Benedikt selber interessiert dran war, dass wir Zeit haben für dieses Treffen. Schon allein, dass das Treffen in Erfurt in dem Kloster stattfindet, in dem Martin Luther gelebt hat, ist ein Zeichen nach außen. Ich persönlich gehe davon aus, ohne vorwegnehmen zu wollen, was der Papst sagen wird, dass er die Ökumene ermutigen wird und dass er auch das richtige Wort zu Martin Luther finden wird.

Kitzler: Aber gleichzeitig scheinen doch die Fronten verhärteter denn je: Der Abendmahlsstreit ist eigentlich eine Machtfrage geworden zwischen den Konfessionen, und dann gibt es ja noch diese Aussage des Papstes von 2007, dass eben protestantische Kirchen nicht Kirchen im eigentlichen Sinne sind. Wie sehr steht denn das alles der Ökumene entgegen?

Zollitsch: Einerseits dürfen wir auch sagen, dass wir in den vergangenen 50 Jahren viel erreicht haben – denken Sie auch an die Rechtfertigungslehre –, wir nehmen die Dinge in den Blick, die uns voneinander trennen, theologisch viel (Anm. d. Red: Auslassung, da schwer verständlich) und auszulegen, also aufzuarbeiten wird, und mir fiel immerhin auf, dass der Papst jetzt in seinem Wort zum Sonntag ganz unbekümmert auch von den evangelischen Kirchen gesprochen hat.

Kitzler: Was muss denn die katholische Kirche in Deutschland tun, um auch in Zukunft die Gläubigen weiter in der Gemeinde zu halten?

Zollitsch: Wir haben eingeladen zu einem großen Dialogprozess innerhalb unserer katholischen Kirche, weil wir auf Augenhöhe mit den Betroffenen, mit den Gläubigen dann teils die Fragen besprechen wollen, miteinander diskutieren wollen, so, dass wir einander in die Augen sehen können, und wir wollen dann – ich darf das als glaubender Christ sagen – uns von Gott den Weg zeigen lassen, indem wir gemeinsam auf Gott hören, aufeinander hören. Und ich gehe davon aus, dass der Heilige Geist uns dann auch Wege zeigen wird. Allerdings bedarf es auch unserer Anstrengung, und die packen wir an.

Kitzler: Und Impulse dafür kommen möglicherweise auch durch die Papstreise. Benedikt XVI. besucht ab morgen Deutschland. Das war der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Zollitsch: Ich danke auch, und ich freue mich auf den Besuch. Einen schönen Tag!

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