Ströbele: Papst-Rede im Bundestag ist "unangemessene Ehrung"

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Frank Meyer · 20.09.2011
Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele kritisiert die für Donnerstag geplante Rede Papst Benedikts XVI. vor dem Bundestag. Abgesehen davon, dass er keine Verdienste dieses Heiligen Vaters kenne, sei das deutsche Parlament der falsche Ort für die Ehrung eines Kirchenvertreters.
Frank Meyer: "Ich freue mich auf die Rede des Papstes, und ich bin gespannt, welche Gedanken er dem Bundestag mitteilen wird". Das hat Josef Winkler gesagt, der kirchenpolitische Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion. Es gibt aber auch ganz andere Haltungen zur Rede des Papstes im Bundestag – bei der SPD, bei der Linken, aber auch bei den Grünen selbst. Sehr kritisch steht der Grünenabgeordnete Hans-Christian Ströbele zur Papstrede. Und der ist jetzt für uns am Telefon. Seien Sie willkommen, Herr Ströbele!

Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Mittag!

Meyer: Von Ihnen hat man Verschiedenes gehört, ob sie dem Papst zuhören werden oder nicht. Wie haben Sie sich denn heute entschieden?

Ströbele: Na, ich entscheide mich da immer aus der Situation heraus, und nicht vorher, aber ich mache überhaupt keinen Hehl draus, dass ich es für völlig unangemessen und unverdient finde, wenn dieser Heilige Vater nun von dem Deutschen Bundestag, das heißt, von der parlamentarisch gewählten Vertretung des gesamten deutschen Volkes, im Bundestag geehrt werden soll.

Meyer: Warum finden Sie das unverdient?

Ströbele: Ja, ich kenne keine Verdienste, keine besonderen Verdienste im politischen Bereich dieses Heiligen Vaters, und ich weiß auf der anderen Seite, dass es eine ganze Reihe von Punkten gibt, in denen er zum Teil unverantwortliche Sachen sagt, etwa zur Familienplanung in Afrika, zu Kondomen, zu Homosexuellen, aber auch zur Teufelsaustreibung.

Meyer: Ich hatte aber die Grünen doch immer so verstanden, dass sie für Toleranz ganz besonders stehen verschiedenen Weltanschauungen gegenüber. Wäre es nicht ein Gebot der Toleranz, das Oberhaupt der Katholiken wenigstens anzuhören?

Ströbele: Ja, wissen Sie, wenn es darum gehen würde, dann könnte man ja eine Debatte durchführen, dann kann ich eine Zwischenfrage stellen, oder eine Zwischenintervention machen und kann das eine oder andere Problem dann dort aufrollen, aber das geht ja gar nicht darum. Wenn der Heilige Vater im Deutschen Bundestag reden darf und wenn sich dann alle Abgeordneten zu seinen Ehren erheben, dann geht es um die Ehrung dieses Kirchenführers, dieses religiösen Führers. Wir haben eine Trennung von Staat und Kirche in unserem Land, und das ist damit überhaupt nicht zu vereinbaren, dass man nun einen Kirchenfürst in dieser Weise dort ehrt. Das macht man ja auch mit anderen Religionsführern nicht.

Meyer: Ja, halt, es heißt nun aber von offizieller Seite, er würde eben nicht als Religionsführer eingeladen sein im Bundestag, sondern als Staatsoberhaupt des Vatikans, das wären doch dann was anderes.

Ströbele: Ja, das glaubt doch keiner. Für – ich weiß nicht – 500 Einwohner des Vatikans ...

Meyer: Ich glaube, ein paar mehr sind es.

Ströbele: ... dieses Staatsoberhaupt, das noch nicht mal demokratisch gewählt worden ist von der dortigen Bevölkerung, dass das der Grund sei, ihn hier zu ehren, dann könnte man auch den Fürst von Liechtenstein oder von anderen Kleinstaaten hier ehren. Darum geht es nicht, es geht um die katholische Kirche, es geht um den Heiligen Vater, und es geht darum, dass man ihm eine besondere Ehre zuteilwerden lässt. Und das halte ich für unangemessen. Ich erinnere mich auch an sehr wenig gutes Wirken gerade dieses Papstes, als er noch nicht Papst war, sondern Kardinal, wo er unter anderem der Kirche der Befreiung in Südamerika, die sich dort um die Armen kümmert, in den Rücken gefallen ist, und der dieser Kirche sehr viel Einfluss dort genommen hat.

Meyer: Das heißt, wenn der Papst jetzt anderer Meinung wäre, wenn er anders zur Kirche der Befreiung stehen würde, wenn er anders zur Familienplanung stehen würde, zur Verhütung – dann würden Sie ihm zuhören?

Ströbele: Das könnte durchaus sein. Also nehmen wir mal an, er würde sich an die Spitze der Kirche der Befreiung stellen und wirklich aufseiten der Armen und nicht aufseiten der dort Herrschenden und der Wohlhabenden sich positionieren, dann würde ich mir das möglicherweise anders überlegen. Aber es bleibt ja immer noch, dass Kirchenfürsten, Kirchenvertreter eigentlich nicht im Deutschen Bundestag geehrt werden sollten. Da gibt es genügend Möglichkeiten, das auf andere Weise und woanders zu tun.

Meyer: Das heißt, Sie machen Ihre Zuhörbereitschaft als Mitglied des Deutschen Bundestages abhängig davon, ob Ihnen jemand politisch nahesteht oder nicht nahesteht?

Ströbele: Nein, ich meine die Zuhörbereitschaft, wenn es darum ginge, dass dort ein Mann was erzählen soll, was vielleicht die Abgeordneten interessiert und worüber sie sich dann diskutieren können. Aber da geht es doch hier nicht drum. Es geht um die Ehrerweisung durch die deutsche Volksvertretung. Und da sehe ich diesen Heiligen Vater nicht als Würdigen, dem man so was zuteilwerden lassen sollte.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir reden mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele über die Rede des Papstes im Bundestag, für Donnerstag ist die geplant. Papst Benedikt XVI., der hat auch schon vor dem britischen Parlament gesprochen, vor der UNO-Vollversammlung, auch der Präsident des Europaparlamentes hat den Papst eingeladen. Also, diese hohen Häuser liegen Ihrer Ansicht nach auch falsch mit ihrer Einladung an den Papst?

Ströbele: Ich bin auch schon bei anderen Würdenträgern und Staatsmännern rausgegangen, bei denen ich es auch als völlig unangemessen angesehen habe. Beispielsweise, als man den lupenreinen Demokraten Putin dort geehrt hat. Er durfte dort reden, und wir sollten uns erheben, um ihn zu ehren – da habe ich den Saal verlassen. So ähnlich war es bei dem US-Präsidenten Bush. Ich gucke mir genau an, wem ich Ehre zuteilwerden lassen will und wem nicht.

Meyer: Ich will mal noch eine grüne Politikerin zitieren, Katrin Göring-Eckhardt, die sagt: "Man kann sicher davon ausgehen, dass der Papst etwas zu sagen hat. Darüber kann man sich dann freuen, man kann darüber diskutieren oder sich daran reiben." Ich hatte schon einen anderen grünen Politiker zitiert, der für die Papstrede gesprochen hat. Wie wird das denn in Ihrer Fraktion diskutiert? Man ist ja da offenbar sehr anderer Meinung. Sie stehen ziemlich alleine da, oder?

Ströbele: Das weiß ich nicht. Wir haben in der Fraktion weder darüber diskutiert, noch haben wir darüber eine Entscheidung herbeigeführt. Deshalb kann ich die viel gestellte Frage – wie viele werden sich denn so verhalten wie ich? – nicht beurteilen.

Meyer: Sie haben vorhin zitiert, was Sie an kritischen Einwänden haben gegen die Politik, gegen die Äußerungen des Papstes. Nun hat er ja an anderen Stellen auch zum Beispiel die Auswüchse des neoliberalen Wirtschaftssystems kritisiert, auch die radikale Ökonomisierung unseres Lebens – das sind doch Punkte, wo Sie eigentlich gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Wäre es nicht interessant, zu hören, was er gerade angesichts der derzeitigen Krisenstimmung in Europa dazu zu sagen hat?

Ströbele: Ein kirchlicher Würdenträger soll seine Messe halten, seine Predigten halten, dort, wo es richtig ist, wo es angemessen ist – ich will dem Papst ja nicht untersagen, dass er etwa in Deutschland auf der Wiese, in der Kirche oder auch im Olympiastadion eine Messe feiert und dort auch eine Predigt hält. Wir haben Religionsfreiheit in Deutschland, und selbstverständlich darf er das und soll er das, aber nicht im Deutschen Bundestag.

Meyer: Jetzt sind ja die Schätzungen bisher, dass etwa 100 Bundestagsabgeordnete dem Papst nicht zuhören wollen, und ihre Sitze sollen aber aufgefüllt werden mit früheren Parlamentariern, quasi um das zu kaschieren, dass einige protestieren. Was halten Sie davon?

Ströbele: Wissen Sie, es gibt auch eine ganze Reihe formeller Gründe, zu sagen: So geht das nicht. Also, wir haben ja extra die Sitzungswoche des Deutschen Bundestags von der letzten Woche jetzt auf diese Woche verlegt, weil der Papst kommt, damit genügend Abgeordnete da sind, die zuhören. Ich finde das Ganze etwas übertrieben. Ich will gar nicht die Bedeutung der katholischen Kirche oder auch des Papstes in Frage stellen, nur wir sind in Deutschland, in Europa ja nach der Französischen Revolution zu der Überzeugung gekommen: Kirche und Staat sollten getrennt sein, und dabei sollte es auch bleiben. Also auch die ganzen sonstigen Feierlichkeiten sollten sich in diesem Rahmen halten. Das ist eine der großen Errungenschaften der Französischen Revolution. Und die achte ich hoch.

Meyer: Auf der anderen Seite sitzen ja aber auch zwei Parteien im Bundestag, die das Christliche schon im Namen tragen. Man kann ja nicht so tun, als wäre das Religiöse tatsächlich aus der Politik ausgeschlossen. Ist es da nicht klüger, dann offen damit umzugehen und sich dem auch zu stellen?

Ströbele: Ja, natürlich, das tun wir ja auch, aber nicht im Deutschen Bundestag. Selbstverständlich können die Vertreter, auch Kirchenleute, die möglicherweise in den Reihen von Parteien sind, die Abgeordnete sind, sich auch aus religiöser Sicht zu allem dort äußern, das nehmen wir natürlich zur Kenntnis, damit setzen wir uns auseinander, wie das sich im Bundestag gehört. Es geht hier um die Ehrung. Und da fragen sich doch auch die, die anderen Glaubens sind, die andere Religionen haben: Wann kommt denn nun unser Kirchenführer, unser Religionsführer dahin und wann kann der die Gelegenheit haben, dass er dort eine Rede halten kann? Und bisher ist das ja, seit der Deutsche Bundestag existiert, nicht der Fall gewesen.

Meyer: Am Donnerstag wird Papst Benedikt XVI. eine Rede im Deutschen Bundestag halten. Das ist unangemessen, sagt Hans-Christian Ströbele, Abgeordneter der Bündnisgrünen im Bundestag. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Ströbele: Ja, auf Wiedersehen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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