Neuer Verlag "Das kulturelle Gedächtnis"

Von wegen Bibliotheksstaub

Tobias Roth, Peter Graf und Thomas Böhm
Auf der Leipziger Buchmesse waren sie schon: die Verleger Tobias Roth (l), Peter Graf und Thomas Böhm. Der Verlag "Das kulturelle Gedächtnis" ging im Frühjahr an den Start. © Deutschlandradio / Mareike Knoke
Thomas Böhm und Tobias Roth im Gespräch mit Joachim Scholl · 26.05.2017
Eine Tragödie von Voltaire, ein wiederentdeckter Roman von Walt Whitman: Das Programm des jungen Verlags "Das kulturelle Gedächtnis" klingt angestaubt. Ist es aber nicht, versichern die Verleger Thomas Böhm und Tobias Roth. Im Gegenteil: Es gehe um "schöne Buchkunst".
"Wir verlegen Bücher, die quasi Erfahrungen für die Gegenwart neu ins Spiel bringen", erklärt Böhm. Ein Beispiel dafür sei der von ihnen veröffentlichte Erfahrungsbericht eines deutschen Flüchtlings aus dem 18. Jahrhundert. Der beschreibe, wie der Mann von Schlepperbanden nach Rotterdam gebracht worden sei und wie auf der Überfahrt nach Amerika viele Deutsche gestorben seien. "Das ist natürlich ein Perpektivwechsel zu dem, was heutzutage geschieht." Es seien Erfahrungen, die heute ganz andere Menschen machten, so Böhm.

"Was schöne Buchkunst sein kann"

Voltaires Tragödie "Der Fanatismus oder Mohammed" zeige, wie ein junger Mann in ein Attentäter-Dasein gezwungen werde. Normalerweise komme bei derartigen Titeln immer die Frage der Wirtschaftlichkeit, sagt Böhm. Aber: "Wir wollen nicht unbedingt kommerziell arbeiten, sondern wir haben gesagt, alles, was wir erwirtschaften, bleibt im Verlag drin. Vom Verlag muss sich niemand ernähren." Sein Leitgedanke: Seine beiden kleinen Töchter sollten später einmal wissen, "was schöne Buchkunst sein kann".
Über vermeintlichen Bibliotheksstaub machen sich die Verleger keine Gedanken: "Was wir zeigen wollen, ist, wie nah uns diese Dinge sind und wie wenig Staub eigentlich vorhanden ist", meint Übersetzer Tobias Roth. An einer literarischen Sensation war der Verlag auch schon beteiligt: dem wiederentdeckten Roman "Jack Engle" von Walt Whitman, der auch im Manesse-Verlag und dem deutschen Taschenbuch-Verlag erschien. Den Vorwurf, er habe den 1852 erschienenen Forsetzungsroman zu wortwörtlich übersetzt, weist Roth zurück: "Da wollten wir nicht zu viel glätten, nicht zu viel eine geschmeidige, süffige Variante machen, die dann dem Original nicht gerecht wird."
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