Unabhängige Verlage

    Kreative Freiheit und Selbstausbeutung

    Sebastian Guggolz
    Sebastian Guggolz, Jungverleger und Preisträger des diesjährigen Förderpreises der Kurt-Wolff-Stiftung © Deutschlandradio / Mareike Knoke
    Von Mareike Knoke |
    Die Kurt-Wolff-Stiftung bietet ein Dach für unabhängige, ambitionierte Verlage, die ein Programm gegen den Mainstream herausbringen: Raritäten und Wiederentdeckungen. Der jährlich ausgeschriebene Förderpreis soll dabei helfen – ihn hat in diesem Jahr Sebastian Guggolz gewonnen.
    "Ich bin immer noch eine Autoren-Prinzessin auf der Erbse und eine penible Zicke. Und das verdanke ich der behutsamen Behandlung durch Klaus Schöffling", sagte der Autor Burkhard Spinnen anlässlich der Verleihung des Kurt-Wolff-Preises, für die er die Laudatio auf seinen Verleger und Freund Klaus Schöffling hielt. Verleger wie Schöffling verlegten nicht einfach Bücher – "sondern Autoren". Und die würden gut behandelt.
    Seit 30 Jahre ist Schöffling Verleger. Und dabei hat er immer das Besondere, Raritäten, im Blick. So etwa Autoren der Weimarer Republik. Dafür hat ihm die Kurt-Wolff-Stiftung auf der Leipziger Buchmesse den mit 26.000 Euro dotierten Kurt-Wolff-Preis verliehen. Eine stolze Summe, die Schöffling unvermittelt in ambitionierte Buchprojekte stecken wird. Denn, so Laudator Spinnen: "Ein guter Verleger ist eigentlich weniger ein Geschäftsmann als im Herzen selbst ein Autor. Nur dass er andere die Bücher schreiben lässt."

    Kreative Freiheit bei der Programmgestaltung

    "Wir fühlen uns durch den Preis erkannt und anerkannt", sagte Schöffling. Denn mitunter ist es ein hartes Brot – vor allem wenn man, so wie Schöffling, einer von den sogenannten unabhängigen Verlagen ist, die auf der Leipziger Buchmesse vertreten sind. Kein großer Konzern steht bei ihnen mit dickem Portemonnaie im Hintergrund. Das verschafft den kleinen bis mittelgroßen Verlagen zwar maximale kreative Freiheit bei der Programmgestaltung – zum Teil aber auch große finanzielle Unsicherheit. Deshalb halten sich vor allem die Kleinst-Verlage, die aus gerademal einer Frau oder einem Mann bestehen, oft mit Nebenjobs über Wasser, um sich und den Lesern den Traum vom schönen und besonderen Buch zu erfüllen.
    Die Kurt-Wolff-Stiftung versteht sich als Interessenvereinigung dieser ambitionierten Verlage – ganz im Sinne ihres Namenspatrons, der während der Zeit der Weimarer Republik einen der wichtigsten Verlage für expressionistische Literatur führte. Die 120 Mitglieder haben ein Netzwerk geknüpft. Regelmäßig treffen sich viele von ihnen auf Messen oder anderen Veranstaltungen, die von der Stiftung organisiert werden. Das Geld für die jährlichen Preise kommt von der Kulturstaatsministerin der Bundesregierung.
    Verleger Klaus Schöffling auf der Leipziger Buchmesse
    Verleger Klaus Schöffling wurde dieses Jahr mit dem Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet.© Deutschlandradio / Mareike Knoke

    Wiederentdeckte Raritäten

    Schöffling ist schon einer der großen unter den Mitgliedern. Sebastian Guggolz, der Preisträger des diesjährigen mit 5000 Euro dotierten Förderpreises der Kurt-Wolff-Stiftung, ist hingegen einer von den ganz kleinen, nämlich ein Ein-Mann-Betrieb. Guggholz brachte seine ersten Bücher vor drei Jahren heraus: Wiederentdeckte Raritäten aus Nord- und Nordost-Europa, darunter einen vergessenen finnischen Nobelpreisträger oder einen Autor von den Färöer-Inseln.
    Entsprechend bescheiden fällt auch sein Stand auf der Buchmesse aus: zwei Quadratmeter. "Das genügt mir. Auch mein Verlag soll nicht größer werden. Ich möchte unabhängig bleiben, ohne Angestellte." Dass die Selbstausbeutung keine Freizeit und vielleicht auch mal schlaflose Nächte bedeutet, nimmt Guggolz, der für seinen Guggolz-Verlag eine feste Stelle als Lektor bei dem Verlag Matthes & Seitz gekündet hat, in Kauf. "Ich habe ein großes Netzwerk von Kollegen, mit denen ich bei der Produktion zusammenarbeite. Dafür bin ich sehr dankbar." Wichtig auch: Guggolz überlässt die Auslieferung Profis. Ein professioneller Vertrieb sei sehr wichtig, um möglichst viele Buchhandlungen zu erreichen.

    Vier Bücher will er im Jahr herausbringen. 1000 Euro muss er mit jedem mindestens verdienen, um die Kosten zu decken. "Der Förderpreis hilft mir dabei enorm", sagt der 35-Jährige, der im Gespräch heiter und gelassen wirkt. Das sei eine gute Werbung, die die Chancen erhöhe, auf den zentralen Büchertischen in den Buchhandlungen zu landen. Doch auch vom Netzwerk der Kurt-Wolff-Stiftung profitiert er sehr. "Unter den Mitgliedern sind viele Kleinverleger. Wir tauschen uns regelmäßig aus, geben uns Tipps, wenn es zum Beispiel um Vertragsfragen geht." Als solidarisch und konstruktiv nimmt er den Austausch war.

    Fundstücke von Voltaire und Gottlieb Mittelberger

    Mit einem besonderen Plan sind auch Peter Graf, Tobias Roth, Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer angetreten. Ihr frisch gegründeter Verlag heißt Verlag Das Kulturelle Gedächtnis. Die ersten vier Bücher sind erschienen: darunter ein heute fast vergessenes Theaterstück von Voltaire, "Der Fanatismus oder Mohammed" oder der Bericht des Auswanderers Gottlieb Mittelberger im 18. Jahrhundert, "Reise in ein neues Leben". In jedem Fall sind die neu herausgegebenen Texte Fundstücke, bei denen es sich offenbar gelohnt hat, die Staubschicht wegzupusten. Weil darunter hochaktuelle Themen zum Vorschein kommen, denen die vier Verleger in schöner, bibliophiler Aufmachung zu neuem Glanz verhelfen.
    Das Prinzip: Das Programm des Verlages wird gemeinsam beschlossen, jeder der Partner betreut eines der Bücher. Tobias Roth, Literaturwissenschaftler und Übersetzer, war für Voltaire verantwortlich. Er hat weitere Texte von Voltaire – Briefe und Essays – um das Theaterstück gruppiert und die Übersetzungen größtenteils übernommen. "Das Spannende an diesen Büchern ist, wie aktuell ihr Inhalt heute wieder ist", sagt Tobias Roth. Voltaire wende sich in seinem Stück zum Teil sehr sarkastisch und spöttisch gegen jede Art von religiösem Fanatismus. "Um1800 waren jedoch Literaten und Dichter der Meinung, Voltaires Fanatismus-Kritik sei überholt." Wie man sich täuschen kann.


    Peter Graf freut sich auf ein Buchprojekt, das im Herbst ins Programm soll: "Das abenteuerliche Leben des Jacke Engle" – ein lange verschollener Roman des US-Schriftstellers Walt Whitman. "Der Kontakt entstand über die Walt Whitman Quarterly Review. Dort arbeitet ein deutscher Wissenschaftler, der von unserem Verlag hörte. Uns war schnell klar: Das Buch passt perfekt in unser Programm."
    Tobias Roth, Peter Graf und Thomas Böhm
    Die Verleger Tobias Roth (l), Peter Graf und Thomas Böhm auf der Leipziger Buchmesse. © Deutschlandradio / Mareike Knoke
    Das klingt aufregend und ambitioniert. Ist es auch. Doch keiner der vier Verleger-Partner muss von der Neugründung leben. Alle arbeiten in anderen Jobs in der Verlagsbranche – Graf etwa hat bereits einen anderen Verlag. Das mindert etwas den Druck.

    Forderung an die Bundesregierung

    Andere haben es da schwieriger. Deshalb bekräftigte Verleger-Kollege Klaus Schöffling auch während der Preisverleihung eine schon vor längerem gestellte Forderung an die Bundesregierung, speziell an das Justizministerium: So seien dringend beständige Förderstrukturen für unabhängige Verlagen erforderlich, um deren Arbeit auch in Zukunft zu gewährleisten. Für viele Verlage bedeute beispielsweise das Urteil des Bundesgerichtshofes von 2016 den finanziellen Ruin: Demnach müssen Verlage, die von der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) Ausschüttungen erhalten, diese rückwirkend zurückzahlen. Die Ausschüttungen sollen nur noch den Autoren, somit den Urhebern zu gute kommen.
    Eine dauerhafte Fördereinrichtung, beispielsweise in Form einer Stiftung, mit Mitteln in siebenstelliger Höhe sei notwendig, damit die Verlage den Erwartungen nach "wunderschönen und außergewöhnlichen Büchern weiterhin erfüllen" könnten, sagte Schöffling.
    Möglicherweise könnte noch im Laufe des Jahres ein entsprechendes Vorhaben auf den Weg gebracht werden. Laut der Kurt-Wolff-Stiftung, deren Ziel ja die Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene ist, wird eine Förderstiftung für einige Verlage jedoch zu spät kommen.
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