EU-Masterplan für KI

Tech-Konzerne und Lobbyisten wollen mitreden

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Illustration: Zwei Menschen schauen sich an, mit Leiterplatten als Gesicht. Ein Kopf mit Ausrufezeichen und einer mit Fragezeichen.
Die KI-Strategie der EU sei "ziemlich enttäuschend", sagt Julia Reda. © imago / Ikon Images / Gillian Blease
Julia Reda im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter · 22.02.2020
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Die EU hat ihre Vorstellungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz präsentiert. Was macht Europas geplante KI-Regulierung so dramatisch, dass die CEOs der großen Internetkonzerne sogar persönlich Lobbyarbeit dagegen betreiben?
Die EU hat ihre Strategie zur Förderung von künstlicher Intelligenz vorgestellt. Sie will damit Europa zu einem "globalen Vorbild für die digitale Wirtschaft" machen und den Technik-Vorreitern aus China und den USA etwas entgegensetzen.
Letztere hat das offenbar in Unruhe versetzt, denn im Vorfeld kamen gleich zwei Chefs persönlich in Brüssel vorbei: Google-CEO Sundar Pichai und Facebook-Gründer Marc Zuckerberg. Ob das als Indiz für die Qualität der EU-Pläne gewertet werden kann?

Enttäuschung über KI-Strategie

Julia Reda kann das nicht bestätigen. "Gemessen an den Ankündigungen finde ich die Strategie eigentlich ziemlich enttäuschend", sagt die ehemalige EU-Parlamentarierin, die nun als Wissenschaftlerin arbeitet. Der Grundrechtsschutz komme zu kurz, sagt sie: "In einem früheren Entwurf war noch davon die Rede, die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum erst mal komplett zu verbieten, um die Grundrechte zu schützen. Davon ist jetzt keine Rede mehr."
Lässt sich beschreiben, wie so ein CEO in Brüssel auftritt? Julia Reda kann sich noch gut erinnern, als Mark Zuckerberg vor einigen Jahren ins Europaparlament kam und es im Vorfeld einigen Streit über die Modalitäten gab. Obwohl beide Seiten damals den Austausch sehr ernstgenommen hätten, sei dann inhaltlich nicht besonders viel herumgekommen. "Und es war auch in der Vergangenheit häufiger so, wenn Chefs von Technologiekonzernen nach Brüssel gekommen sind, dass sie die europäische Sichtweise auf die Technologie auch gar nicht so richtig verstanden haben", sagt sie.

Großer Einfluss der Unternehmen

Inzwischen habe sich das wohl verbessert, dennoch machten Vertreter dieser Konzerne im Umgang mit den Politikerinnen und Politikern der EU immer noch viele strategische Fehler: "Diese Unternehmen müssen verstehen, dass sie in Brüssel sehr unpopulär sind, und dass die Versprechen, die gemacht werden, oft erstmal auf Skepsis stoßen."
Gleichzeitig haben sie dennoch einen großen Einfluss auf den Diskurs. "Das sieht man auch an der KI Strategie", kritisiert Julia Reda. "Dass solche Dinge wie Verbote von besonders grundrechtsempfindlichen Technologien vom Tisch sind - und viel mehr über Ethik gesprochen wird als über Grundrechte."
Für umso wichtiger hält sie es, jetzt über das Thema sprechen und nicht erst in fünf Jahren, wenn dann zum Beispiel Deutschland die Richtlinie zur künstlichen Intelligenz, die dann vielleicht mal kommt, in nationales Recht umsetzen muss.

Auch öffentliche Meinung hat Gewicht

"Je nach Land haben bestimmte große Unternehmen auch im Rat einen großen Einfluss", sagt Julia Reda. "Insofern habe ich eher die Befürchtung, dass Google oder Facebook zu viel Einfluss auf diese Strategie haben können." Das habe man auch in anderen Bereichen wie Onlinewerbung oder E-Privacy gesehen, wo nur geringe Regulierungen angekündigt wurden oder Pläne seit Jahren auf Eis liegen.
Bürgerinnen und Bürger haben aber durchaus Chancen, in Brüssel Gehör zu finden, das habe man bei der EU-Urheberrechtsreform beobachten können. Vor allen Dingen, wenn der Entscheidungsprozess im Europaparlament angelangt ist und eine Abstimmung bevorsteht, habe die Öffentlichkeit sehr viel mehr Gewicht als am Anfang, wo im Grunde hinter verschlossenen Türen die Entwürfe vorbereitet werden, so Julia Reda.

"Wir sind viele"

Das müsse aber nicht so bleiben, sagt sie: "Um in der Entwurfsphase die Grundrechte wirklich mit einzubeziehen, müssen wir die Zivilgesellschaft stärken, also solche Vereine wie zum Beispiel Netzpolitik oder European Digital Rights, die in Brüssel sitzen und sich dort für die digitalen Grundrechte einsetzen. Die haben immer Finanzierungsschwierigkeiten, haben natürlich nicht das Budget für Lobbying, das Google oder Facebook hat. Und ich glaube, da müssen wir viel mehr unterstützen - auch von staatlicher Seite."
Demonstrationen, Berichterstattung, öffentliche Gespräche und Social Media machen bei EU-Abgeordneten nämlich genauso Eindruck wie die Argumente der Wirtschaftslobbyisten, ist Julia Reda überzeugt. "Wir haben Einfluss auf die nächsten Wahlen. Wir beeinflussen die öffentliche Meinung. Und wir sind viele", fasst sie diese Möglichkeiten zusammen.
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