"Berliner Illustrirte Zeitung"

Ein Blatt mit Millionenauflage

Ein Titelblatt der "Berliner Illustrirte Zeitung" zu den Olympischen Spielen 1936.
Ein Titelblatt der "Berliner Illustrirte Zeitung" zu den Olympischen Spielen 1936. © imago stock&people
Von Andrea Westhoff · 04.01.2017
Die "Berliner Illustrirte Zeitung" war die erste deutsche Massenzeitung. Ihr Erfolgsrezept war die Mischung aus Politik und Prominentenklatsch, Hochkultur und Heimatgeschichten. Vor 125 Jahren erschien die Illustrierte mit kunstvollen Zeichnungen und Fotos zum ersten Mal.
Es war ein fester Termin im Alltagsleben der deutschen Hauptstadt, 54 Jahre lang hieß es jeden Donnerstag: "Heute neu - Die Berliner Illustri(e)rte Zeitung!" Gegründet hatte sie Otto Eysler, der Herausgeber der Satirezeitschrift "Lustige Blätter". Aber berühmt wurde sie als Zugpferd des Ullsteinverlages:
"Die ist damals eingeschlagen wie eine große Bombe, einmal in der Woche erschienen, zum sensationellen Preis von 10 Pfennig und damit erschwinglich für jedermann."
... erzählt Klaus-Peter Laschinsky. Der Vorsitzende des Heimatvereins Berlin-Zehlendorf hat in seinem kleinen Museum noch die ersten Originalausgaben der Berliner Illustrierten Zeitung:
"Die allererste Zeitung erschien am 4. Januar 1892 und zeigt in Größe an einem Rednerpult den Reichskanzler Graf von Caprivi, der neue Handelsverträge zwischen Preußen und den europäischern Staaten ausgehandelt hat."

Neue Gattung: Die "Illustrierte"

Es ist nicht nur der Groschen-Preis, der "die Berliner", wie man die Zeitung bald nur noch nennt, so erfolgreich macht. Mit ihr entsteht eine völlig neue Gattung: Die "Illustrierte" – bebilderte Nachrichten, Information und Unterhaltung:
"Wenn man also weiter aufschlägt, gibt es hier Berichte über die Silvesterbräuche bei uns hier in Deutschland und in aller Welt, es gibt Gedichte, es gibt auch einen Roman in Fortsetzung so für Herz und Schmerz, insgesamt 16 Seiten im Schwarz-Weiß-Druck, mit zahlreichen Abbildungen, die das Ganze tatsächlich illustrierten. Und was damals auch schon beachtlich war: Es gab Inserate."
Neben kunstvollen Zeichnungen werden bald vor allem Fotos das Markenzeichen der "Berliner Illustrierten Zeitung".
"Man gab sich eben Mühe, so aktuell wie möglich zu sein, so authentisch wie nur möglich zu sein, und dann gab es eben Schnappschüsse …"
"Ich fotografiere mich selbst beim Absturz mit dem Fallschirm”.

Arbeit mit allen möglichen Tricks

So heißt zum Beispiel eine Bilderserie in der Ausgabe vom 24. Mai 1931. Der Berliner Fotograf Willi Ruge war tatsächlich mit Kamera ausgerüstet aus fünfhundert Metern Höhe aus einem Flugzeug gesprungen. Und so sieht man etwa eine Luftaufnahme von Häuserschluchten und im Vordergrund zwei Beine baumeln. Ein Pressefotograf der besonderen Art ist Erich Salomon. Er wird zum Star der BIZ als er 1928 heimlich Aufnahmen vom spektakulärsten Mordprozess der Weimarer Republik macht – direkt aus dem Gerichtssaal! Salomon arbeitet in diesem wie in vielen anderen Fällen mit einer Kleinbildkamera und allen möglichen Tricks: Er fotografiert aus einem ausgehöhlten Buch, mit Hilfe eines präparierten Hutes oder aus einer Armschlinge heraus. Einige seiner Bilder werden später sogar im Museum of Modern Art ausgestellt.
"Fotos, insbesondere schwarz-weiß Fotos, die damals üblich waren, waren eine Kunstform."
Erich Salomon war nicht an Skandalen interessiert. Er wollte einfach zeigen, was in der Politik hinter verschlossenen Türen passiert oder wie Prominente jenseits der Posen wirklich sind. Dennoch schafft er damit den Typ "Paparazzo", ohne den heute das Geschäft der Illustrierten gar nicht denkbar wäre.
Die "Berliner Illustrierte Zeitung" verkauft sich blendend, am Ende der Weimarer Republik werden wöchentlich fast zwei Millionen Exemplare gedruckt. Die Ullstein-Familie kann diesen Erfolg aber nicht mehr genießen.
"Ullstein hat dann Deutschland verlassen, damit ist der Verlag arisiert worden und bis 1945 dann unter NS-Aufsicht erschienen" ... gar nicht so sehr mit plumper Nazi-Propaganda. Auch nach 1933 bestimmen lange noch Promi-Geschichten, Fortsetzungsromane und Reiseberichte das Erscheinungsbild.
"Die Berliner Illustrierte Zeitung war ein angesehnes und eingeführtes Wochenblatt, und man versuchte eben auf diese Art und Weise unterschwellig für seine Ideologie zu werben, also nicht mit dem Holzhammer."
Trotzdem verfügen die Alliierten das Ende der Berliner Illustrierten Zeitung. Die letzte Ausgabe erscheint am 29. April 1945 – an einem Donnerstag, wie immer. Der Springer-Verlag lässt sie als "Berliner Illustrirte" wenigstens teilweise wieder aufleben: zunächst mit einigen Sonderausgaben, seit 1984 dann als Sonntagsbeilage der "Berliner Morgenpost" – bis heute.
Mehr zum Thema