Zwischen Resignation und Hoffnung

Rezensiert von Jochen Thies |
Christian Papendick hat mit "Der Norden Ostpreußens" einen Bildband vorgelegt, der die Architektur im nördlichen Ostpreußen mit rund 1000 Fotos dokumentiert. Es ist der Versuch, etwas von der dortigen 700-jährigen deutschen Kulturgeschichte für das kollektive Gedächtnis zu retten.
Kein Zweifel, hinter dem Understatement-Titel verbirgt sich ein außerordentliches Buch. Christian Papendick, dem Hamburger Architekten, Photographen und Buchautor, ist in einem großen Kraftakt ein bemerkenswertes Spätwerk gelungen. Nach zehnjährigen Vorarbeiten legt der 83-Jährige einen umfangreichen Bildband vor, der die Architektur im nördlichen Ostpreußen mit rund 1000 Fotos dokumentiert.

Papendick, der als Junge seine Heimatstadt Königsberg verlassen musste, schwankt zwischen Resignation und Hoffnung. Denn bis zum heutigen Tag tun die Russen insgesamt zuwenig für den Erhalt der Baudenkmäler aus deutscher Zeit. Dagegen wird in den baltischen Staaten und im zu Polen gehörenden südlichen Ostpreußen viel für die historische Bausubstanz getan.

Papendick hat sich Anfang der Neunzigerjahre auf eine tragische Reise in Etappen begeben. Seither ist er jedes Jahr im nördlichen Ostpreußen gewesen. Vor allem der Sommer dort mit seinen kurzen Nächten zieht ihn an. Papendick schildert die Anfänge dieser unablässigen Spurensuche:

"Auf der kurischen Nehrung liegen meine künstlerischen Wurzeln. Und dort habe ich dann einen Bildband gemacht über die kurische Nehrung. So stieg das Bedürfnis, das Land weiter zu erforschen, vertraute Plätze wiederzufinden, zunächst in Königsberg und dann auch im Samland. Immer mehr Erschütterung über den Zustand des Landes ergab sich beim Wiedersehen mit Gütern, Kirchen und Ordensburgen. Aber ich war auch gefangen von der Schönheit der Landschaft"."

Papendick begeisterte sich für etwas, das er fortan als Notwendigkeit, als Pflicht ansah:

""Dann hatte ich das Gefühl der Ahnen im Nacken, die 500 Jahre in dem Land saßen. Daraus ergab sich eine Aufgabe, die das Leben mir stellte, und das war dieses Buch und die Freude am Fotografieren"."

Wann immer Papendick nach Königsberg kommt, sucht er das Gespräch mit russischen Kollegen und Stadtplanern, für deren Wiederaufbauarbeit er großen Respekt hat. Denn im Zentrum von Königsberg tut sich im Gegensatz zu dem versteppten Land eine ganze Menge.

""Die Zukunft sieht etwas düster aus natürlich. In Königsberg ist zwar totale Aufbruchstimmung. Die stimmt durchaus hoffnungsvoll, wenn auch die Russen sich schwer tun, nun gemäß den Regeln des Denkmalschutzes genau wieder die Gebäude herzustellen. Auf dem Land sieht es schlechter aus. Interessant ist, dass man sowohl im Land wie auch in der Stadt Königsberg Bauten aus den Zwanzigerjahren wiederfindet"."

Als Papendick zusammen mit zehntausenden ostpreußischer Heimwehtouristen in den Neunzigerjahren ins nördliche Ostpreußen kam, war das Interesse auf russischer Seite am Erhalt von Bauten aus deutscher Zeit gering. Vor allem was Königsberg angeht, stellt Papendick große Veränderungen fest:

""Es sind eine ganze Reihe von bestehenden Bauten restauriert worden in der Stadt, auch in den Villenvierteln, vor allem in den Stadtteilen Hufen und Amalienau, aber auch in Maraunenhof. Allmählich ist das Interesse ungeheuer gewachsen. Besonders die Jugend interessiert sich sehr für die Geschichte des Landes, und es gibt Bestrebungen, doch die Stadt in etwa in dem Stil wieder aufzubauen wie sie mal gewesen ist.

Die Bevölkerung steht voll dahinter, und diese 700 Jahre alte Kulturlandschaft, die ja heute in die deutsch-russische Geschichte eingegangen ist, verlangt danach, dass man die alte Geschichte dieser Kulturlandschaft berücksichtigt und vor allem, dass man sich auch bewusst ist, dass diese Ordensgotik ein ganz besonderer Stil innerhalb der norddeutschen Backsteingotik ist."

Wie immer die Dinge im Oblast Kaliningrad weitergehen werden, Papendicks Buch ist als Versuch zu werten, etwas von der 700-jährigen deutschen Geschichte im nördlichen Ostpreußen für das kollektive Gedächtnis zu retten.


Christian Papendick: Der Norden Ostpreußens. Land zwischen Zerfall und Hoffnung
Husum Verlag 2009
Cover: "Christian Papendick:Der Norden Ostpreußens"
Cover: "Christian Papendick:Der Norden Ostpreußens"© Husum Verlag