Zweifelhafte Geschäfte

Von Anke Petermann · 23.04.2013
Jahrhundertelang hat sich die "Präsenz zu Büdingen" vorbildlich um Kirchen, Pfarrhäuser und Friedhöfe in der Fachwerkstadt bei Hanau gekümmert. Doch jetzt ist die Stiftung, die schon lange vom Fürstenhaus zu Ysenburg und Büdingen verwaltet wird, zum Streitfall vor Gericht geworden.
Mit ihrem massiven Westwerk erinnert die 1000 Jahre alte Remigiuskirche am Büdinger Friedhof vage ans Weltkulturerbe im südhessischen Lorsch. Dort wird die karolingische Königshalle als kulturhistorische Kostbarkeit gepflegt. Doch bei der romanischen Grabkirche in der Wetterau reicht es nach einem Wassereinbruch im Dach nur für eine Notsicherung, bedauert Manfred Meuser mit besorgtem Blick auf gelbe Flecken in Deckennähe.

"Die ganze Wand von oben her – wenn Sie näher kommen, sehen Sie es ja – war total nass. Es hat massiv reingeregnet. Und wir hatten gedacht, es wäre nur mit einer kleinen Baumaßnahme zu manchen, an der Dachrinne, dass die in Ordnung gebracht wird, aber so musste dann doch die ganze Ecke des Daches aufgemacht und wiederhergestellt werden. Das war vor zwei Jahren?"

Der Mann vom Büdinger Kirchenvorstand schaut fragend zum Vorsitzenden. Der nickt. Vor zwei Jahren hatte Joachim Brinkhaus ein Gutachten in Auftrag gegeben. 900.000 Euro würde die nötige Dachsanierung der romanischen Kirche kosten, schätzten die Experten. Ganz klar ein Fall für die Präsenzstiftung und deren Chef, Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen.

Knausriger Fürst
"Daraufhin habe ich um einen Termin beim Fürsten gebeten. Das Gespräch hat auch stattgefunden. Aber der Fürst hat mir eben zu verstehen gegeben, dass die Präsenz dafür kein Geld hat, und dass ich mich an die Stadt und die Kirche wenden soll und an die Denkmalpflege."

Doch die zahlt nur dann einen Zuschuss, wenn die Präsenzstiftung ihre Verantwortung wahrnimmt. Also erstmal kein Geld. Die Remigiuskirche steht am Rand von Büdingen. Mittendrin im mittelalterlich anmutenden Fachwerk-Kern und ganz nahm am Ysenburgschen Schloss - die helle gotische Marienkirche mit dem luftigen Netzgewölbe.

Beim korrespondierenden Glockenschlag verstehen sich der Kirchturm und der Bergfried des fürstlichen Schlosses, schmunzelt Pfarrer Volker Truschel. Ansonsten liegt die Kirche im Clinch mit dem Fürsten als Stiftungschef. Denn Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen enthält der Gemeinde nicht nur die Mittel für die Sanierung ihrer Grabkirche vor, sondern auch das Geld für einen lange geplanten Umbau ihrer Versammlungsräume samt engem Treppenhaus.

Für den Kirchenchor ist die Akustik im schlauchartigen Gemeindesaal passabel, junge Mütter aber finden den hallenartigen Raum mit PVC-Boden wenig einladend für ihre Krabbelgruppe. Die Räume in den höheren Etagen des Kirchturms sind gemütlicher, aber von der Bauaufsicht für Kleinkinder gesperrt. Die verschachtelten Treppen halten ältere und behinderte Gläubige vom Gottesdienstbesuch ab.

"Es gibt auch Menschen, die eben nicht mehr kommen, weil sie Angst haben, ich muss auf die Toilette, aber wie komme ich dahin."

Neue Gruppen, neue Projekt scheitern an der Raumnot. Pfarrerin Ina Petermann sehnt den Umbau herbei.

"Wir müssen immer wieder andere Räumlichkeiten suchen für unsere Gemeindeveranstaltungen, weil die Räume nicht so genutzt werden können, wie wir das vielleicht danach dann können. Also, wir sitzen da und warten und warten."

Kein Geld da
Gemeindeaufbau für kommende Generationen – so kaum zu machen. Auch die Kirchenleitung in Darmstadt wartet lange schon vergeblich darauf, dass die Präsenzstiftung ihre Aufgaben wahrnimmt, bilanziert Joachim Schmidt, bis vor kurzem dort zuständig für Öffentlichkeitsarbeit:

"Etwa seit zehn Jahren ist es so, dass kaum noch Gelder zum Unterhalt der Büdinger Kirchen gezahlt werden. Die Evangelische Kirche hat umfangreiche Sanierungsmaßnahmen selbst tragen müssen in der Größenordnung von 1,8 Millionen Euro, die in keiner Weise von der Stiftung angemessen unterstützt worden sind. Es hieß immer, es ist kein Geld da, es ist kein Geld da."

Genau das bestätigte unlängst Hessens Innenminister Boris Rhein, CDU, in einem Bericht für den zuständigen Landtagsausschuss. Nur noch "wenige liquide Mittel" habe die Präsenz im Statusbericht vom vergangenen Sommer verzeichnet. Denen stünden Forderungen von einer Viertel Million gegenüber. Eine jahrhundertealte Stiftung kurz vor der Pleite? Wie konnte das geschehen? Diese eine Frage besteht für den grünen Büdinger Stadtverordneten Joachim Cott aus vielen.

"Wie sieht’s inhaltlich mit dem Stiftungsvermögen aus, was geschah dort die letzten Jahre, wie viel wurde dieser Vermögensmasse, die der Kirche zusteht, inzwischen entzogen? War es eine Drehscheibe finanzieller Transaktionen? Was wurde dort alles verkauft, wofür hat die Präsenz Gelder ausgegeben. Und wieso kann es dann sein, dass sie trotz eines hohen Stammkapitals an Land, an Einnahmen über den Präsenz-Friedhof, Wohnungen, Häuser – dass sie heute auf Null steht mehr oder minder, wie zu hören ist."

Eine Dreiviertel Million Euro habe Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen als alleiniger Vorstand der Präsenzstiftung seit 2002 entzogen, rechnet Joachim Schmidt von der Evangelischen Kirche vor. Man habe Grund zur Annahme, dass Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen das Stiftungsvermögen als seine Privatschatulle betrachtet hat.

"Er hat nämlich in einigen Fällen in den vergangen Jahren als Privatmann der Stiftung unrentable oder belastete Grundstücke und Immobilien verkauft, hat dafür Einnahmen erzielt."

<h>Suche nach verschollenen MittelnWo die geblieben sind, will das Regierungspräsidium nun aufklären, versichert die zuständige Referatsleiterin im Innenministerium, als im Landtagsausschuss der Berichtsantrag der oppositionellen SPD abgehandelt wird. Bis Ende des Monats, so verrät die Ministerialrätin am Rande der Sitzung, muss Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen als Stiftungsvorstand dem Regierungspräsidium Unterlagen präsentieren, aus denen hervorgeht, wo die Erlöse der Stiftung geblieben sind.

Klärten sie die Finanzmisere der Stiftung nicht zufriedenstellend auf, dann werde man den Fürsten als Stiftungsvorstand abberufen. Ein erster Vorstoß zur Abberufung scheiterte allerdings vorzeitig. Man könne nicht gerichtsfest nachweisen, dass der Fürsten der Stiftung das sogenannte Eisenhammer-Grundstück überteuert verkauft habe, erklärt die Referatsleiterin im Ausschuss. Dennoch - " das stinkt zum Himmel", kommentiert Jürgen Frömmrich von der Grünen-Fraktion im Landtag.

"Das ist - glaube ich - Aufgabe der Stiftungsaufsicht zu schauen, dass das Geld, was in die Stiftung eingebracht wird, dazu verwendet wird, dem Stiftungszweck nachzukommen, und da habe ich große Zweifel, ob das bei dieser Stiftung passiert."

Kein Geld übrig für Büdinger Kirchen - hat also das Regierungspräsidium Darmstadt, kurz RP, bei der Stiftungsaufsicht versagt? Innenminister Boris Rhein von der CDU kontert.

"Das sind Unterstellungen, die hier vorgenommen worden sind, die ich jedenfalls so nicht nachvollziehen kann. Wir haben es hier mit einer funktionierenden Stiftungsaufsicht zu tun. Das RP Darmstadt nimmt diese Stiftungsaufsicht nicht nur ernst, sondern es hat sie hier auch streng vorgenommen. Ein Beweis dafür ist ja, dass es gerade dem RP Darmstadt, also der Stiftungsaufsicht, gelungen ist, im Rahmen eines Gerichtsvergleichs dafür zu sorgen, dass erstens klare Regelungen getroffen werden und zweitens ein zweiter Stiftungsvorstand bestellt wird, also jemand der hier mit darüber wachen kann, dass die Stiftungszwecke erfüllt werden und insbesondere ein reguläres und regelmäßiges Verfahren stattfindet."

Der zweite Vorstand, den der Fürst auf Druck des Regierungspräsidiums bestellte, ist der langjährige Anwalt der Familie zu Ysenburg und Büdingen. Als Rechtsanwalt gilt er formaljuristisch als unabhängig. Der Innenminister betrachtet ihn als interne Kontrollinstanz. Dass der Fürst seinen Anwalt als solche agieren lässt, glaubt von den Kritikern allerdings niemand. Da Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen für ein Statement nicht zu erreichen ist, auch zuvor schon Presseanfragen abblockte, hätte man gern den Anwalt zu den Vorwürfen befragt. "Keine Stellungnahme", lässt der zweite Stiftungsvorstand seine Sekretärin ausrichten.

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Hat die staatliche Aufsicht versagt?
Der erneute Vorstoß des Regierungspräsidiums, den Fürsten abzuberufen – Indiz dafür, dass die staatliche Stiftungsaufsicht funktioniert? Sie habe von vorn herein versagt, nämlich schon bei der Genehmigung der Satzung Anfang 2012, meint die Evangelische Kirche Hessen und Nassau. Die EKHN zerrt das Land Hessen deshalb in eine Gerichtsfehde um die Präsenz-Stiftung. Warum nicht erstmal zum Reden an einen Runden Tisch?

"Wir wären froh, wenn es Gesprächsmöglichkeiten mit dem Land gegeben hätte, aber es gab sie nicht. Das Regierungspräsidium Darmstadt war nicht bereit, mit uns über die Konfliktfragen zu reden, und weil das Land als Stiftungsaufsicht, in dem Fall das Regierungspräsidium Darmstadt, eine Stiftungssatzung genehmigt hat, die geeignet ist, eine uralte, mit kirchlichem Geld begründete Stiftung zu zerstören, mussten wir vor Gericht ziehen."

Ein ungeheuerlicher Doppelvorwurf, den die Kirche da erhebt: Die christlich-demokratisch geführte Landesregierung schaue nicht nur zu, wie eine uralte kirchliche Stiftung ausgeplündert werde. Sie habe dafür geradezu Tür und Tor geöffnet, indem sie eine rechtswidrige Satzung genehmigte. Ungeheuerlich, aber - plausibel, meint der Büdinger Bürgermeister von der Freien Wählergemeinschaft. Erich Spamer hatte die Landesregierung – nämlich das liberal geführte Justizministerium und das Regierungspräsidium als Behörde des christdemokratisch geführten Innenressorts - seit 2009 in mehreren Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass das Stiftungsvermögen in den Strudel der Insolvenz des Forstbetriebs Ysenburg gerissen werden könne. Das war noch nicht alles.

"Also, ich habe wiederholt mit dem Regierungspräsidium telefoniert und dem Sachbearbeiter gesprochen. Ich habe immer den Eindruck gehabt, dass die Stadt Büdingen bzw. die Evangelische Kirche außen vor gehalten wurde. Und das hat sich dann auch bestätigt, weil wir urplötzlich irgendwann erfahren haben, dass eine Stiftungssatzung erstellt worden ist, die mit Sicherheit sehr bedenklich ist."

Vorgelegt hatte die neue Satzung für die alte Präsenz-Stiftung Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen Ende 2011 selbst. Das Regierungspräsidium will ihn dazu gedrängelt haben. Bis dahin hatte der Fürst die Stiftung als seine Privatsache betrachtet. Der Mittsiebziger, ehemals AvD-Automobilclub-Präsident, ist Spross der Adelsdynastie, die nach der Reformation die Verwaltung des alten Kirchenvermögens übernahm. Die Tradition hat der Fürst also auf seiner Seite. Allerdings eine, die im republikanischen Deutschland gar nicht mehr zählt, meint Joachim Schmidt, der pensionierte Präsenz-Fachmann der EKHN.

Trennung von Kirche und Staat nicht sauber erfolgt
"Das, was in 1918 in Deutschland stattfand, nämlich die Trennung von Kirche und Staat und das säuberliche Auseinanderdividieren zum Beispiel auch der Oberhoheit – vor 1918 war ja der Deutsche Kaiser der oberste Evangelische Bischof-, das ist offensichtlich im Fall der Präsenz nicht ordentlich, nicht sauber erfolgt. Sondern es lief einfach immer irgendwie so weiter, und es scheint, dass man vor Ort daran auch keinen Anstoß genommen hat, dann die Präsenz hat ja zum Unterhalt der Büdinger Kirchen beigetragen."

In Deutschland war der Adel abgeschafft, in Büdingen am Fuß des Vogelsbergs existierte er fort. Büdinger Bürger zogen ehrfürchtig den Hut, wenn "Seine Durchlaucht" im Trachtenjanker das Städtchen mit einem schweren Wagen durchquerte. Doch mit dem wirtschaftlichen Niedergang des weit verzweigten fürstlichen Firmenimperiums traten zunehmend Sorge und Unmut an die Stelle untertänigster Verehrung.

Schon Ende der 90er Jahre warfen Büdinger Wolfgang Ernst zu Ysenburg als zweitgrößtem privaten Waldbesitzer in Hessen vor, den Forst vorschriftswidrig ausgeplündert zu haben. Auch damals schon fragten sich Bürger, warum das Regierungspräsidium nicht eingriff, um gewinnträchtigen Kahlschlag zu verhindern. Überschuldet sei die Vermögensmasse seit spätestens 1992, merkt ein gerichtliches Gutachten im Insolvenzverfahren der fürstlichen Beteiligungsgesellschaft an. Und weiter:

"Ursächlich hierfür seien die unternehmerischen Entscheidungen der vorangegangenen Jahrzehnte. Insbesondere die Waechtersbacher Keramik, die Fürstliche Brauerei und die Möbelfabrik hatten bis zu ihrer Insolvenz Verluste erwirtschaftet. Die Familie habe versucht, die Verluste durch Gewinne der übrigen Unternehmungen, insbesondere des Forstbetriebs, und Belastung der sonstigen Vermögensgegenstände, insbesondere der Immobilien auszugleichen. Diese Versuche führten jedoch letztendlich zur Insolvenz des gesamten Unternehmensgeflechts."

Kirchenvermögen als Privatbank
Keine Geschäftsbank mochte dem maroden Imperium mehr auch nur einen Heller leihen. Aber es gab ja noch das Kirchenvermögen der Präsenzstiftung. Die zapfte der Fürst sozusagen als seine eigene Sparkasse an. Stiftungsvorstand Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen gewährte sich selbst als Chef der Fürstlichen Beteiligungsgesellschaft zwei Darlehen von insgesamt 155.000 Euro, so steht’s im gerichtlichen Gutachten.

"Sicherheiten zur Absicherung der Darlehensrückzahlungsansprüche wurden aber nicht bestellt."

Noch ist das Insolvenzverfahren über die fürstlichen Gesellschaften nicht abgeschlossen, es werde noch Monate dauern, prognostiziert ein Sprecher des Frankfurter Insolvenzverwalters Franz-Ludwig Danko. Vor einem Jahr hatte er dem Hessischen Rundfunk gesagt, dass die Präsenzstiftung ihre Forderung anmelden müsse wie andere Gläubiger auch.

"Und aus dem Geld, was ich als Insolvenzverwalter einnehme, die Masse, die ich erwirtschafte, bekommen sie dann ihren Anteil. Das wird aber nicht so wahnsinnig viel sein."

Die Prognose gelte noch, bestätigt heute Dankos Sprecher. Mit anderen Worten: Stiftungschef Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen hat als Unternehmer in der Pleite bei der Stiftung Schulden gemacht und lässt sie auf dem Großteil sitzen. Wird er dafür belangt, wenn er als Stiftungsvorstand schlecht wirtschaftet und Stiftungsvermögen verringert? Nein, im Gegenteil. Wolfgang Ernst zu Ysenburg hat sich die Satzung im Jahr 2011 schließlich auf den Leib schreiben lassen, geradezu maßgeschneidert auf die prekären Verhältnisse seines Firmenimperiums. Joachim Schmidt von der Evangelischen Kirche:

"Die Satzung, die genehmigt wurde vom Regierungspräsidium Darmstadt, sieht vor, dass bei Insolvenz der Stiftung alles, was noch an Vermögenswerten da ist, an das Fürstenhaus fällt, und alles das, was Kosten verursacht, nämlich die beiden Büdinger Kirchen, an die Evangelische Kirche fällt. Das würde bedeuten, dass die Stiftungswerte in eine Privathand kommen, und da gehören sie nicht hin. Im Grunde ist das Prinzip dieser Satzung: Gewinne privatisieren Verluste sozialisieren."

Belohnung für schlechte Arbeit
Tatsächlich ermöglicht die Satzung, dass Wolfgang Ernst als Chef des Fürstenhauses - oder nach seinem Tod sein männlicher Nachfolger - mit Grundstücken dafür belohnt wird, wenn er als Stiftungsvorstand die Präsenz bis zur Zahlungsunfähigkeit herunter wirtschaftet. Wie kann eine Stiftungsaufsicht solch ein missbrauchsanfälliges Konstrukt zulassen? Frage an den hessischen Innenminister Boris Rhein von der CDU:

"Nun, das sind rechtliche Regelungen, nach denen eine solche Abwicklung, sollte sie denn stattfinden, stattfinden wird. Das ist nicht etwas, was nicht die Stiftungsaufsicht zu beurteilen hat. Das ist der Vollzug des Rechtes, und auch das hat nichts mit der Stiftungsaufsicht zu tun. Und da hat die Stiftung überhaupt keine rechtliche Handhabe, Einfluss zu nehmen."

Das Recht lege den Akzent auf die Autonomie von Stiftungen. Das beschränke die Aufsicht darauf, die Einhaltung äußerer Regeln zu überwachen, erklärt der Ressortchef. Boris Rhein steht übrigens hinter der Auffassung des Regierungspräsidiums, die Präsenz-Stiftung sei keine kirchliche. Ihr fehle die organisatorische Verbindung zur Kirche, bestätigt der Innenminister im Ausschuss. Im Mittelalter war die Präsenz ein Geldfonds der Büdinger Katholiken, aus dem die Anwesenheit, also Präsenz der Chorherren im Gottesdienst bezahlt wurde. Im 13. Jahrhundert ging das Gemeindevermögen auf ein Kloster über. Auf diesen Zeitpunkt datieren historische Gutachten den Ursprung der Stiftung, konstatiert Sabine Langmaack, Justiziarin der Kirchenverwaltung in Darmstadt.

"Dem Regierungspräsidium lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung mehrer Gutachten vor, also mindestens vier oder fünf, die alle übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es sich bei der Stiftung Präsenz um eine kirchliche Stiftung handelt und der gesamte Vermögensbestand ausschließlich aus kirchlichem und kirchengemeindlichem Vermögen der Kirchengemeinde Büdingen besteht."

Kirchliche oder private Stiftung?
Regierungspräsidium und Innenministerium datieren die Präsenz zu Büdingen dagegen auf Anfang des 17. Jahrhunderts. Damit schließen sie sich der Auffassung der Fürstenfamilie an, dass die Stiftung mit Donationen, also Schenkungen, der damaligen Grafen zu Ysenburg begründet wurde. In der Klageschrift fürs Verwaltungsgericht hält die Evangelische Kirche Hessen und Nassau unter Berufung auf die Donationsbriefe und zwei Gutachten dagegen:

"Das Vermögen stammte aus säkularisiertem Kirchenvermögen. Damit handelte es sich bei dem zugewandten Vermögen niemals um Privatvermögen der Fürsten."

Das Verwaltungsgericht Darmstadt muss nun entscheiden, wie es die Dokumente wertet. Unabhängig davon aber meint die Evangelische Kirche Hessen-Nassau, hätte die Stiftungsaufsicht Wolfgang-Ernst zu Ysenburg und Büdingen Anfang 2012 gar nicht erst als Vermögensverwalter der Stiftung zulassen dürfen. Der Niedergang seines Firmenimperiums sei bekannt gewesen, 2008 habe er eidesstattlich versichern müssen, zahlungsunfähig zu sein. Die Justiziarin der EKHN ist eine Frau der leisen Töne, doch bei dieser Personalie wird Sabine Langmaack sehr deutlich.

"Ein anderer Privatmann hätte in dieser Situation nicht mal mehr eine Schanklizenz bekommen wegen der nicht vorhanden persönlichen Zuverlässigkeit. Und man hätte sicherlich sehen können, wenn man es gewollt hätte, dass Wolfgang Ernst zu Ysenburg dieser Aufgabe nicht gewachsen ist."

Ergänzt Lisa Gnadl, die SPD-Landtagsabgeordnete aus der Wetterau. Ihre Berichtsanträge machten den Fall zum Thema im Hessischen Landtag. Vermutlich auch unter zunehmendem Druck der Öffentlichkeit will das Regierungspräsidium jetzt erneut versuchen, den Fürsten als Stiftungsvorstand abzuberufen. Die Skeptiker von der Opposition werten das allerdings als notdürftigen Versuch, den Skandal zu kaschieren.
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