Zwei Maler und der Kosmos der Farben

Von Barbara Wiegand · 24.04.2013
Beide stammen sie aus der Schweiz, aus dem Berner Land und entwickelten eine Leidenschaft für Farben, für Pinsel und für die Leinwand: Paul Klee und Johannes Itten. Eine Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau bringt die Meister der Moderne zusammen - zum ersten Mal.
"Die Farbe ist der Ort, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegnen" - so formulierte es der große Paul Cezanne einmal. Und jetzt, im Martin Gropius Bau, soll sich dem Betrachter also jener "Kosmos Farbe" von Johannes Itten und Paul Klee erschließen - in all seinen Facetten.

In den zarten grün, den tiefen rot, erdigen braun Tönen, dem kalten Blau-Grau etwa in dem Itten die "Vier Jahreszeiten" als abstrakte Vierecks-Kompositionen gemalt hat. In Paul Klees abstraktem Labyrinth aus roten Streifen auf gelbem Grund in dem sich das Auge des Betrachters verlieren kann. In den leuchtenden Farblandschaften, den zarten Mosaiken, den mal hintergründig, mal kraftvoll gemalten Flächen.

Kurator Christoph Wagner: "Eine der Entdeckungen zu dieser Ausstellung war, dass sich beide, Paul Klee und Johannes Itten, mit dem großen Romantiker Phlipp Otto Runge beschäftigt haben. Runge war ja neben Goethe einer der wichtigen Figuren, die sich mit der Theorie und Farbenlehre beschäftigt haben. Er hat im frühen 19-ten Jahrhundert seine berühmte Farbenkugel veröffentlicht und …sowohl Itten als auch Klee haben sich mit diesem Modell der Farbenkugel als einen Kosmos der Farben auseinandergesetzt und ihren Kosmos der Farben daher abgeleitet."

Anhand von 170 Werken zeigt man im Martin Gropius Bau, was aus Auseinandersetzung entstanden ist. Am Anfang sind das bei beiden noch Abbildungen nach der Natur - in dunkleren Tönen gehalten -, dann aber wird das Spektrum möglicher Farben und auch Formen immer weiter. Es geht nicht mehr so sehr darum, Wirklichkeit abzubilden.

Bei Klee gerät da schon 'mal die Welt aus den Fugen, verschieben sich Perspektiven, wenn etwa auf einem Friedhof schwarze kleine Kreuze zu Fixpunkten zwischen über- und gegeneinander verschobenen Kirchtürmen und Grabsteinen werden.

Losgelöst von der Gegenständlichkeit
Und Johannes Itten malt ein ländliches Fest als buntes Durcheinander geometrischer Gebilde, die nur noch entfernt an dörfliche Strukturen erinnern. Sein Bild einer Farbspirale ist dann völlig losgelöst von der Gegenständlichkeit. Während man in Paul Klees schräg gegenüber gehängtem, gestreiften Bild die Konturen einer Frau mit rot gespitztem Mund erkennt.

"Wenn sie sehen, wie Itten in diesem Schlüsselwerk " Die Begegnung" eine abstrakt gegliederte Spirale mit Grautönen und die Skala der Buntwerte ergänzt mit Goldtönen und Kupfer dann sehen Sie, wie sich der Kosmos der Farben in einer mathematischen Ordnung entfaltet und wenn sie dann Klee schauen die Versuche in einer mathematischen Komposition die Farben etwa im Bildnis GL einzubringen sehen Sie wie sehr beide an dem Projekt einer Vernunft bezogenen Gliederung der Farbordnung gearbeitet haben."

Dass sie das auf ihre eigene, mitunter ganz unterschiedliche Art und Weise taten, wird einem beim chronologisch geordneten Rundgang klar.

Itten, der Bauernsohn aus dem Berner Oberland, der sich die Welt der Moderne über den Musikunterricht näherte, den er bei Paul Klees Vater Hans nahm, er geht eher formal, selten exzentrisch esoterisch ans Werk. Klee dagegen betreibt seine Farbfeldforschung spielerischer - mit stillem, bisweilen skurrilem Humor. Ganz bezaubernd etwa die "Leidende Frucht": eine Art Birne, zart zu Papier gebracht, mit wie vom Fieber geröteter Schale. Marion Lichards-Itten, Johannes Ittens Tochter aus zweiter Ehe

"Das Satirsche, humorvolle, das ironische bei Klee. Das hat mein Vater eigentlich gar nicht kaum in seine Werke aufgenommen. Mein Vater hat Schocks, Todesfälle, Krankheiten, die hat er verarbeitet in dem er ein kleines Aquarell gemalt hat. Es gibt sehr viele Sachen mit Titeln, die auf diese Dinge hinweisen und ich könnte mir vorstellen, dass - ohne Klee gekannt zu haben - er macht es auf eine sehr distanzierte Art eine ironischere Art - ich glaube da könnte ich fern von aller Wissenschaft doch Unterschiede sehen. Das sie da die Malerei anders eingesetzt haben auch mit ihrem eigenen Leben fertig zu werden."

Skurrile Kompositionen und hintergründige Erdigkeit
Und so spiegelt diese Malerei auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten wieder: auf der einen Seite Paul Klee, der 1920 vom neun Jahre jüngeren Johannes Itten ans Weimarer Bauhaus geholt und dort gern als Bauhaus Buddha bezeichnet wurde. Wegen seiner zurückhaltenden, reflektierten Art. Auf der anderen Seite Johannes Itten, eher extrovertiert, mit Leib und Seele Kunstlehrer und Museumsmann.

Beiden begegnet man in der Ausstellung: Klee, dem Meister skurriler Kompositionen, voll hintergründiger Heiterkeit; Itten, dem Schöpfer atmosphärischer Farbräume. Und auch, wenn der Dialog zwischen den beiden manchmal bemüht wirkt, wenn die Kapitel, in die man die Schau unterteilt hat, bisweilen schwammig scheinen. Die Ausstellung ist sicher sehenswert. Verschafft sie dem Betrachter doch beeindruckende Einblicke - in den Farbkosmos von Johannes Itten und Paul Klee.
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