Zwangsarbeit auch in Deutschland weit verbreitet
Fast eine Million Sklavenarbeiter gibt es in der Europäischen Union. Und dieses Verbrechen grassiere auch in Deutschland, warnt der Grünen-Politiker Jan-Philipp Albrecht. Zwangsarbeit sei insbesondere im Bereich der Prostitution weit verbreitet.
Julius Stucke: Sklaverei, das ist was von vorvorgestern, das ist Geschichte, oder? Nein, das ist es offenbar nicht und es ist in Europa und Deutschland ein ernst zu nehmendes Problem. Fast 900.000 moderne Sklaven gibt es in Europa, ein Drittel davon wird sexuell ausgebeutet. Kriminelle verdienen geschätzte 25 Milliarden Euro pro Jahr mit dem Menschenhandel. Darauf macht ein Sonderausschuss des EU-Parlaments aufmerksam. Mit einem Mitglied dieses Ausschusses spreche ich gleich. Vorher aber hören wir uns an: Wie kann dieser Menschenhandel in Europa aussehen, was gehört dazu.
Sabine Hackländer
berichtet.
Jan Philipp Albrecht ist grüner Europaparlamentarier und Mitglied dieses Ausschusses und jetzt ist er ins Studio gekommen. Guten Morgen, Herr Albrecht!
Jan Philipp Albrecht: Guten Morgen!
Stucke: Heute ist der Europäische Tag gegen den Menschenhandel, der soll auch auf dieses Problem aufmerksam machen. Fast 900.000 moderne Sklaven soll es in Europa geben. Vielleicht ganz kurz zu den Begriffen: "Moderne Sklaverei", "Menschenhandel" - sind das zwei Begriffe für ein und dasselbe?
Albrecht: Nicht unbedingt, es gibt viele Fälle von Zwangsarbeit, also Sklaverei, die nicht direkt verbunden sind mit Menschenhandel. Andererseits kann es eben auch Menschenhandel wie bei Schlepperei geben, die nicht unbedingt zu Zwangsarbeit führen. Aber in vielen Fällen hängt es zusammen und gerade Menschenhandel führt sehr oft zu Sklaverei.
Stucke: Moderne Sklaven, rund 880.000 sollen es in Europa sein. Wer versklavt hier wen und woher kommen die Sklaven?
Albrecht: Die Sklaven, das ist ja so ein Begriff, wo viele sich so was wie im alten Ägypten drunter vorstellen, das sind eben ganz normale Menschen, die auf im Grunde genommen Betrüger reinfallen, die ihnen ein besseres Leben versprechen in Europa und sie dann eben nach Europa bringen und dort im Grunde genommen eine Arbeit verschaffen, die menschenunwürdig ist. Aber es ist ihre einzige Alternative und in den meisten Fällen sind sie eben abhängig, auch wegen der Schwierigkeiten mit dem Aufenthalt, wegen Schwierigkeiten mit sozialer Sicherung. Und damit kommt es eben zu Zwangsarbeit und das ist eine besondere Belastung.
Jan Philipp Albrecht ist grüner Europaparlamentarier und Mitglied dieses Ausschusses und jetzt ist er ins Studio gekommen. Guten Morgen, Herr Albrecht!
Jan Philipp Albrecht: Guten Morgen!
Stucke: Heute ist der Europäische Tag gegen den Menschenhandel, der soll auch auf dieses Problem aufmerksam machen. Fast 900.000 moderne Sklaven soll es in Europa geben. Vielleicht ganz kurz zu den Begriffen: "Moderne Sklaverei", "Menschenhandel" - sind das zwei Begriffe für ein und dasselbe?
Albrecht: Nicht unbedingt, es gibt viele Fälle von Zwangsarbeit, also Sklaverei, die nicht direkt verbunden sind mit Menschenhandel. Andererseits kann es eben auch Menschenhandel wie bei Schlepperei geben, die nicht unbedingt zu Zwangsarbeit führen. Aber in vielen Fällen hängt es zusammen und gerade Menschenhandel führt sehr oft zu Sklaverei.
Stucke: Moderne Sklaven, rund 880.000 sollen es in Europa sein. Wer versklavt hier wen und woher kommen die Sklaven?
Albrecht: Die Sklaven, das ist ja so ein Begriff, wo viele sich so was wie im alten Ägypten drunter vorstellen, das sind eben ganz normale Menschen, die auf im Grunde genommen Betrüger reinfallen, die ihnen ein besseres Leben versprechen in Europa und sie dann eben nach Europa bringen und dort im Grunde genommen eine Arbeit verschaffen, die menschenunwürdig ist. Aber es ist ihre einzige Alternative und in den meisten Fällen sind sie eben abhängig, auch wegen der Schwierigkeiten mit dem Aufenthalt, wegen Schwierigkeiten mit sozialer Sicherung. Und damit kommt es eben zu Zwangsarbeit und das ist eine besondere Belastung.
"Es wird noch nicht genug getan"
Stucke: Sie machen in dem Sonderausschuss des Europaparlaments darauf aufmerksam, auf dieses Problem. Da tauchen auch diese Zahlen auf, 880.000 Menschen, und die 25 Milliarden, die da an Geld mit gemacht werden. Wie kann man solche Zahlen überhaupt erheben, wie kommt man an solche Zahlen bei so einer kriminellen Grauzone?
Albrecht: Diese Zahlen, die stammen jetzt aus Berichten von der ILO, das ist die Internationale Arbeitsorganisation. Und die werden eben erhoben aus den Möglichkeiten, die dieser Organisation zur Verfügung steht, zu schauen: Wo befinden sich eben gerade die Menschen, die besonders in Zwangsarbeit landen? Und dann versucht man eben, dort auch ein Stück weit herauszufinden, wo die herkommen und unter welchen Bedingungen sie hergekommen sind. Aber wir als Europäisches Parlament haben natürlich nicht die Möglichkeit, das selber zu erheben. Wir müssen uns verlassen auf die Zahlen einer solchen UN-Organisation. Und die sind aber natürlich schon erschreckend und dem muss man jetzt nachgehen und daraus auch Konsequenzen ziehen.
Stucke: Nun gibt es die Arbeit des Ausschusses, es gibt den Tag des Menschenhandels - all das soll darauf aufmerksam machen. Sie sagen, Konsequenzen sollen gezogen werden. Wird denn in Europa genug getan, um diesem Problem zu begegnen?
Albrecht: Nein, ich glaube, das ist auch ein Grund für diesen Bericht und für unsere Schlussfolgerung: Es wird noch nicht genug getan. Der Menschenhandel grassiert, auch übrigens in Deutschland. Zwangsarbeit insbesondere im Bereich der Prostitution ist etwas, was weit verbreitet ist. Und deswegen brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei und der Justiz in den europäischen Staaten. Und das wird nur möglich sein, wenn wir uns endlich einigen auf gemeinsame Regeln. Da haben die Mitgliedsstaaten in Europa bisher es nicht geschafft, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen, weil sie der Meinung sind, alleine können wir es doch auch. Und das ist eben nicht der Fall, Menschenhändler, organisierte Kriminalität, die achtet nicht mehr auf die Grenzen in Europa, die haben Freizügigkeit genauso wie alle anderen.
Stucke: Konkret: Was für gemeinsame Regeln wären das?
Albrecht: Gemeinsame Regeln vor allen Dingen für Strafverfahren, für Verfolgung und für den Austausch von Ermittlungsergebnissen. Das funktioniert immer noch nicht, oftmals ist es sogar eine Hürde, dass eben das Telefon mal eben abgehoben wird und bei der anderen Polizeibehörde angerufen wird. Das muss erleichtert werden etwa durch eine direkte Zusammenarbeit der Polizeibehörden über das Dach von Europol. Aber das funktioniert eben nur, wenn die Polizeibehörden sich dann auch darauf verlassen können, dass sie auf rechtlich sauberem Boden sind und wissen, überall werden die gleichen Verfahrenstandards angewendet, und nicht das Gefühl haben, ich kooperiere jetzt hier mit Unrechtsstaaten oder mit einer Behörde, die nicht meinen Standards entspricht.
Albrecht: Diese Zahlen, die stammen jetzt aus Berichten von der ILO, das ist die Internationale Arbeitsorganisation. Und die werden eben erhoben aus den Möglichkeiten, die dieser Organisation zur Verfügung steht, zu schauen: Wo befinden sich eben gerade die Menschen, die besonders in Zwangsarbeit landen? Und dann versucht man eben, dort auch ein Stück weit herauszufinden, wo die herkommen und unter welchen Bedingungen sie hergekommen sind. Aber wir als Europäisches Parlament haben natürlich nicht die Möglichkeit, das selber zu erheben. Wir müssen uns verlassen auf die Zahlen einer solchen UN-Organisation. Und die sind aber natürlich schon erschreckend und dem muss man jetzt nachgehen und daraus auch Konsequenzen ziehen.
Stucke: Nun gibt es die Arbeit des Ausschusses, es gibt den Tag des Menschenhandels - all das soll darauf aufmerksam machen. Sie sagen, Konsequenzen sollen gezogen werden. Wird denn in Europa genug getan, um diesem Problem zu begegnen?
Albrecht: Nein, ich glaube, das ist auch ein Grund für diesen Bericht und für unsere Schlussfolgerung: Es wird noch nicht genug getan. Der Menschenhandel grassiert, auch übrigens in Deutschland. Zwangsarbeit insbesondere im Bereich der Prostitution ist etwas, was weit verbreitet ist. Und deswegen brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei und der Justiz in den europäischen Staaten. Und das wird nur möglich sein, wenn wir uns endlich einigen auf gemeinsame Regeln. Da haben die Mitgliedsstaaten in Europa bisher es nicht geschafft, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen, weil sie der Meinung sind, alleine können wir es doch auch. Und das ist eben nicht der Fall, Menschenhändler, organisierte Kriminalität, die achtet nicht mehr auf die Grenzen in Europa, die haben Freizügigkeit genauso wie alle anderen.
Stucke: Konkret: Was für gemeinsame Regeln wären das?
Albrecht: Gemeinsame Regeln vor allen Dingen für Strafverfahren, für Verfolgung und für den Austausch von Ermittlungsergebnissen. Das funktioniert immer noch nicht, oftmals ist es sogar eine Hürde, dass eben das Telefon mal eben abgehoben wird und bei der anderen Polizeibehörde angerufen wird. Das muss erleichtert werden etwa durch eine direkte Zusammenarbeit der Polizeibehörden über das Dach von Europol. Aber das funktioniert eben nur, wenn die Polizeibehörden sich dann auch darauf verlassen können, dass sie auf rechtlich sauberem Boden sind und wissen, überall werden die gleichen Verfahrenstandards angewendet, und nicht das Gefühl haben, ich kooperiere jetzt hier mit Unrechtsstaaten oder mit einer Behörde, die nicht meinen Standards entspricht.
"Richtlinien oftmals nicht umgesetzt"
Stucke: Also, das ist erst 'mal die Voraussetzung, die wir in Europa brauchen, um etwas dagegen zu tun. Was sind dann die Methoden, um dagegen etwas zu tun, wie kommt man an diese Menschen, wie kann man das überwachen, wie kann man das Problem dann bekämpfen?
Albrecht: Also zunächst einmal ist es eben so: Man muss die Routen finden, allein durch Informationen von den Betroffenen, wo sie hergekommen sind, um überhaupt denen auf die Spur zu kommen, die diesen Menschenhandel betreiben, die die Menschen über die Grenze bringen. Und das ist oftmals sehr schwierig, weil die Opfer natürlich eingeschüchtert sind, weil sie eben nicht zur Polizei gehen. Und da kommt es darauf an, dass man gut geschulte Beamte hat, die sich mit dem Thema auskennen und die grenzübergreifend überall an den Stellen dran sind und versuchen, die Informationen zusammenzuknüpfen. Das ist eine mühsame Arbeit und das lässt sich nicht einfach erklären oder mit einer einfachen Maßnahme lösen, sondern da braucht es einfach Investition und auch einen Fokus drauf.
Stucke: Herr Albrecht, Sie haben es vorhin erwähnt: Das Ganze ist auch in Deutschland ein großes Problem. Nun gibt es eine EU-Richtlinie gegen den Menschenhandel, die hat Deutschland aber bisher noch nicht in ein Gesetz gegossen. Ist das eine der wichtigsten Aufgaben für die nächste Bundesregierung, dass hier etwas passiert?
Albrecht: Absolut. Wir haben leider das Problem, dass immer wieder Richtlinien, die wir auf europäischer Ebene gemeinsam auch als Deutschland im Ministerrat verabschieden, oftmals nicht umgesetzt werden oder erst sehr spät. Und das ist bei solchen Richtlinien wie zum Beispiel der gegen den Menschenhandel unglaublich schwierig und schlecht, weil es eben Jahre sind, die da ins Land gehen, die auf Kosten der Opfer und der Menschen in diesem Menschenhandel gehen und am Ende letztendlich Leid verursachen.
Stucke: Am 23.10. stimmt das Parlament über Ihren Bericht ab. Was heißt es dann, Problem wird erkannt oder heißt das dann auch schon, Lösungen werden angegangen?
Albrecht: Lösungen werden auch angegangen, denn wir legen einen Katalog von Handlungsmaßnahmen vor, zum Beispiel auch eine europäische Staatsanwaltschaft. Wir wollen eine bessere Zusammenarbeit durch gemeinsame Datenschutzregeln zum Beispiel, das sind alles Maßnahmen, die wir jetzt schon angehen müssen. Aber auf lange Sicht ist es natürlich erst mal auch ein Fokussieren auf die Problematik organisierter Kriminalität, gerade des Menschenhandels, da braucht es auch eine Prioritätensetzung. Und das ist eine Aufgabe für die Zukunft, das ist, sage ich mal, auch eine Debatte, die wir führen mit den Mitgliedsstaaten, denn hier geht es auch oftmals um die Frage: Wo geben wir unser Geld für aus.
Stucke: Moderne Sklaverei und Menschenhandel in Europa, dazu Jan Philipp Albrecht, grüner Europaparlamentarier und Mitglied im zuständigen Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen. Herr Albrecht, danke für Ihren Besuch!
Albrecht: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links auf dradio.de:
"Man darf die Hoffnung nicht aufgeben" - In Deutschland gelten etwa 100 Kinder als langzeitvermisst
Herta Däubler-Gmelin: Mehr Geld für Verfolgung von Verbrechen gegen das Völkerrecht - Frühere Bundesjustizministerin: Verfahren sind sehr schwierig und aufwändig
Albrecht: Also zunächst einmal ist es eben so: Man muss die Routen finden, allein durch Informationen von den Betroffenen, wo sie hergekommen sind, um überhaupt denen auf die Spur zu kommen, die diesen Menschenhandel betreiben, die die Menschen über die Grenze bringen. Und das ist oftmals sehr schwierig, weil die Opfer natürlich eingeschüchtert sind, weil sie eben nicht zur Polizei gehen. Und da kommt es darauf an, dass man gut geschulte Beamte hat, die sich mit dem Thema auskennen und die grenzübergreifend überall an den Stellen dran sind und versuchen, die Informationen zusammenzuknüpfen. Das ist eine mühsame Arbeit und das lässt sich nicht einfach erklären oder mit einer einfachen Maßnahme lösen, sondern da braucht es einfach Investition und auch einen Fokus drauf.
Stucke: Herr Albrecht, Sie haben es vorhin erwähnt: Das Ganze ist auch in Deutschland ein großes Problem. Nun gibt es eine EU-Richtlinie gegen den Menschenhandel, die hat Deutschland aber bisher noch nicht in ein Gesetz gegossen. Ist das eine der wichtigsten Aufgaben für die nächste Bundesregierung, dass hier etwas passiert?
Albrecht: Absolut. Wir haben leider das Problem, dass immer wieder Richtlinien, die wir auf europäischer Ebene gemeinsam auch als Deutschland im Ministerrat verabschieden, oftmals nicht umgesetzt werden oder erst sehr spät. Und das ist bei solchen Richtlinien wie zum Beispiel der gegen den Menschenhandel unglaublich schwierig und schlecht, weil es eben Jahre sind, die da ins Land gehen, die auf Kosten der Opfer und der Menschen in diesem Menschenhandel gehen und am Ende letztendlich Leid verursachen.
Stucke: Am 23.10. stimmt das Parlament über Ihren Bericht ab. Was heißt es dann, Problem wird erkannt oder heißt das dann auch schon, Lösungen werden angegangen?
Albrecht: Lösungen werden auch angegangen, denn wir legen einen Katalog von Handlungsmaßnahmen vor, zum Beispiel auch eine europäische Staatsanwaltschaft. Wir wollen eine bessere Zusammenarbeit durch gemeinsame Datenschutzregeln zum Beispiel, das sind alles Maßnahmen, die wir jetzt schon angehen müssen. Aber auf lange Sicht ist es natürlich erst mal auch ein Fokussieren auf die Problematik organisierter Kriminalität, gerade des Menschenhandels, da braucht es auch eine Prioritätensetzung. Und das ist eine Aufgabe für die Zukunft, das ist, sage ich mal, auch eine Debatte, die wir führen mit den Mitgliedsstaaten, denn hier geht es auch oftmals um die Frage: Wo geben wir unser Geld für aus.
Stucke: Moderne Sklaverei und Menschenhandel in Europa, dazu Jan Philipp Albrecht, grüner Europaparlamentarier und Mitglied im zuständigen Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen. Herr Albrecht, danke für Ihren Besuch!
Albrecht: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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"Man darf die Hoffnung nicht aufgeben" - In Deutschland gelten etwa 100 Kinder als langzeitvermisst
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