Zur Debatte um den „Buhlschaftsbusen“

Brustgrößenbeschreibungen sind nicht mehr zeitgemäß

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Zwei Schauspieler sind auf einer Bühne. Im Vordergrund ein Mann mit gelber Jacke, im Hintergrund eine Frau in rotem Gewandt.
Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen: Der "Jedermann" 2021 in Salzburg mit Verena Altenberger (Buhlschaft) und Lars Eidinger (Jedermann) © picture alliance / dpa / picturedesk.com / Franz Neumayr
Ein Kommentar von Susanne Burkhardt · 02.08.2021
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Mit Äußerungen zum "Buhlschaftsbusen" einer Schauspielerin im Salzburger „Jedermann“ hat ein Kritiker viele empört. Schauspielerinnen nach dem Äußeren bewerten - diese Zeiten sollten längst vorbei sein, kommentiert Redakteurin Susanne Burkhardt.
Gut, gehen wir es wohlwollend an: Ein Kritiker hat zu beschreiben, was er sieht. Und über das Salzburger "Jedermann"-Spektakel – dieses Sommer-Kulturbegleitprogramm zum Aperol Spritz – darf ruhig ein wenig gelästert werden.
Manuel Brug wählt den süffisant-ironischen Ton. Seine Bewunderung für die überzeugendsten – diesmal allesamt von Frauen gespielten – Figuren wie Tod, Gott, Teufel und Buhlschaft drückt er so aus: "Hier sind die Frauen die Herren im Haus".
Weil wir ja wohlwollend sein wollen, verstehen wir so eine Beschreibung als eine, sagen wir mal, nicht ganz zeitgemäße Sicht, die vom "starken" – also natürlich männlichen – Geschlecht ausgeht. Frauen können aus dieser Sicht nicht einfach besser, stärker oder klüger sein, sondern sind sie es, so sind sie eben die "Herren des Hauses".

Der "Buhlschaftsbusen" gehört zum "Buhlschaftsklischee"

Von diesem Blickpunkt aus kann man über eine Buhlschaft nicht einfach schreiben: ‚Hier wird auf eine androgyne Erscheinung gesetzt‘ (die selbstverständlich sehr sexy sein kann). Nein, in der Logik bleibend muss man – also Manuel Brug – diesen (den Busen) auch genau beschreiben. Schließlich gehöre dieser ja zum "Buhlschaftsklischee", das sich "zäh in den Köpfen der Zuschauer hält".

Kurze Haare, großer Zoff
Die Schauspielerin Verena Altenberger spielte in diesem Sommer erstmals die Rolle der "Buhlschaft" im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen: Mit sehr kurzen Haaren. Hier im Interview beschrieb sie, dass trotz des großen Erfolges, den die Aufführung beim Publikum hatte, viele der zumeist männlichen Zuschauer ihr in Briefen vorwerfen, nicht weiblich genug zu sein, nicht genügend zu "erotisieren". Für sie kein individuelles Phänomen, sondern eine "Vorgehensweise von Männern, Frauen ihre Weiblichkeit abzusprechen und sich selbst dadurch zu erhöhen". Das habe insofern eine "gesamtgesellschaftliche Dimension".

© imago / Rudolf Gigler
Ein Klischee, über das schon österreichische Kritiker vor ihm geschrieben hätten, etwa als sie den Busen von Sophie Rois für die Rolle ebenfalls als zu klein befunden hätten.

Verständliche Empörung über Rollenbeschreibung

Dass es allerdings Menschen gibt, die sich über diese Art der Rollenbeschreibung – vorsichtig gesagt – ärgern, dürfte nicht verwundern. Besagter Kritiker aber lässt das nicht auf sich sitzen: Im Gespräch gibt er der Schauspielerin, die sich ja auf Twitter öffentlich dazu geäußert hatte, noch als kleinen Seitenhieb mit, sie sei unter den anderen bekannten Darstellerinnen im "Jedermann" ja die "Unbekannteste" und nutze die Aufregung um die Verkörperung der "kürzesten berühmtesten Rolle der Theatergeschichte" als "PR-Coup", um von sich Reden zu machen. [AUDIO]

Wenn der Privatgeschmack in die Kritik schwappt

Nun ist PR-Arbeit in eigener Sache und im Dienste der Frauensolidarität und Gleichberechtigung ja durchaus nichts Schlimmes. Also wollen wir auch dies wohlwollend aufnehmen.
Spätestens aber, wenn der Privatgeschmack des Kritikers Brug in seine Kritik schwappt, verbietet sich jede Nachsicht: Dann nämlich, wenn er sich zur Ungeheuerlichkeit aufschwingt, eine Parallele zu ziehen zwischen der Rolle, die Verena Altenberger spielt, und ihrem privaten Erscheinen.
Brug betont, er müsse "gerade bei dieser Rolle auch über das Aussehen reden". Und das tue Verena Altenberger selbst ja auch. Als Beleg dafür nennt er ihren Besuch einer Premiere in High Heels und sexy Outfit. Man sähe hier doch, wie die Frauen mit Klischees spielen und Werkzeuge nutzen, so Brugs Argument.

Der Kritiker hat seine Rolle verlassen

Und genau da hat er seine Rolle verlassen – die des Kritikers. Er spricht nunmehr als Privatmann mit Klatschgelüsten. Verwechselt dabei auch Rolle und Person der zu Beschreibenden. In dieser Logik darf, wer sexy rumläuft, sich also nicht beschweren, wenn jemand abfällig über äußerliche Attribute schreibt?
Brug bedient zudem damit eine gefährliche These: "Frauen sind ja selber schuld". "Ich habe Frau Altenberger in keiner Weise beleidigt", sagt Brug am Ende des Gesprächs. Stimmt, Herr Brug, das haben Sie nicht, weil Sie das gar nicht können! Weil die Zeiten vorbei sind, in denen Frauen sich vorschreiben lassen, wie sie auf der Bühne als Frauen auszusehen haben.
Brustgrößenbeschreibungen sind nicht mehr zeitgemäß. Wir schreiben das Jahr 2021. Davon sollte jeder Mann schon mal gehört haben.
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