Verena Altenberger als Buhlschaft

Kurze Haare, großer Zoff

10:34 Minuten
Verena Altenberger mit sehr kurzen Haaren als Buhlschaft im "Jedermann" in Salzburg, 2021.
Verena Altenberger als Buhlschaft im "Jedermann" in Salzburg © imago / Rudolf Gigler
Verena Altenberger im Gespräch mit Janis El-Bira |
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Verena Altenberger steht als Buhlschaft im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen mit kurzen Haaren auf der Bühne. Seitdem erlebt sie unzählige Anfeindungen in den sozialen Medien. Warum es dabei um mehr als um Haare geht, erklärt sie selbst.
Eine Schauspielerin mit fast stoppelkurzen Haaren – eigentlich keine Sache, die im Jahr 2021 berichtenswert erscheint. Aber seit Verena Altenberger bei den diesjährigen Salzburger Festspielen die Rolle der Buhlschaft im "Jedermann" mit ebensolchen sehr kurzen Haaren spielt, muss die Schauspielerin eine Welle der Empörung und Häme ertragen, vor allem in den sozialen Medien.
Darunter ist zum Beispiel auch ein zweiseitiger Brief, der verlangt, dass die Buhlschaft "buhlen" solle und dass das eben nicht funktioniere, wenn der Körper einer Frau den Mann nicht "erotisiere". Der Autor schreibt vom "gottgewollten geilen Hintern", "schön geschwungene Lippen" und was Frau sonst noch alles ausmachen solle.

Zu 99 Prozent von Männern

Für Verena Altenberger, deren kurze Haare gar nicht für den "Jedermann" entstanden, sondern das Überbleibsel einer Filmrolle als krebskranke Frau sind, ist der Brief allerdings nur die Spitze einer Lawine aus "hunderten" Zuschriften, die sie vor und nach der Salzburger Premiere erhalten habe – "zu 99 Prozent von Männern".

Das Ausmaß der Empörung habe sie dabei vollkommen überrascht, wie sie im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur sagt: "Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass das bedeutet, dass ich dann mit zwei Zentimeter langen Haaren die Buhlschaft spiele, weil ich dachte, es sei völlig egal. Und hätte man mich gefragt, ob ich mir für die Buhlschaft die Haare abrasiere, hätte ich gesagt: Come on! Damit kann man doch 2021 niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken! Lassen wir das! Insofern bin ich höchst, höchst überrascht."

Der Kulturjournalist Manuel Brug weist Kritik an seinen Äußerungen zur Buhlschaft zurück [AUDIO] . In der Tageszeitung "Die Welt" schrieb Brug in seinen Anmerkungen zum "Jedermann" in Salzburg: "Jedermann und Jederfrau, also. Die Buhlschaft, dieses Jahr mit kaum Buhlschaftsbusen und noch weniger Haar, hat diesmal im teuersten Laienspiel der Welt ganz entschieden die Hosen an. Das war ein schleichender Prozess, über Jahre hinweg schon. Lange her, die Tage der üppig flamboyanten Senta Berger als Jedermanns Prachtweib". Außerdem fügt er hinzu: Angesichts eines "greinenden Weichlings aus Berlin" in der Rolle des Jedermann (Lars Eidinger) sei die burschikose Buhlschaft Herr im Haus.

Den Vorwurf der Sexualisierung und dass er mit dem Text eine Steilvorlage für abwertende Tweets geschaffen habe, weist Brug im Gespräch in unserer Sendung "Fazit" zurück. Er habe vielmehr betont, dass die Frauen im Stück die starken Persönlichkeiten seien. Brug sagt weiter: Die Rolle der Buhlschaft sei für jede Schauspielerin ein 'Riesen-PR-Coup'. Auch Verena Altenberger nutze dies, "um für ihre Sache zu werben".

Lars Eidinger und Verena Altenberger als Jedermann und Buhlschaft sitzen auf dem Boden einander gegenüber,  mit weiteren Darstellerinnen im Hintergrund.
© SF / Matthias Horn
Was ihr nun in den sozialen Medien widerfährt, empfindet Altenberger jedoch nicht als ein individuelles Phänomen, sondern als eine "Vorgehensweise von Männern, Frauen ihre Weiblichkeit abzusprechen und sich selbst dadurch zu erhöhen". Das habe insofern eine "gesamtgesellschaftliche Dimension".

Typische Form der Herabsetzung

Deshalb lässt die Schauspielerin auch nicht gelten, dass ihre Buhlschaft stellvertretend für eine neue Gender-Fluidität in der Rollenbesetzung an Theatern gesehen werde, die manche als verwirrend empfinden könnten. Die Herabsetzung, die sie erfahre, sei hingegen eine, die sich ganz konkret gegen Frauen richte:
"Ich fühle mich auf der Bühne als Buhlschaft so wahnsinnig voll in meinem Frausein. Ich fühle mich extrem weiblich, ich fühle mich extrem schön, ich fühle mich verführerisch, ich fühle mich auch verführt. Ich fühle mich wirklich sehr, sehr voll und allumfassend in diesem Frausein in dieser Rolle. Und ich versuche ja überhaupt nicht, burschikos zu sein oder sonst irgendwas!"
Ermutigend seien in diesem Zusammenhang die vielen Zuschriften von Frauen, die Altenberger in der letzten Zeit erhalten habe. Auch von Frauen, die zum Beispiel wegen einer Erkrankung keine oder sehr kurze Haare tragen. Das zeige, dass sie und andere nicht allein seien in diesen Situationen und den Anfeindungen, die mit ihnen einhergehen.
(jeb)
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