Zum Tod von Wolfgang Petersen

Mit Präzision und Menschlichkeit

05:52 Minuten
Der Regisseur Wolfgang Petersen, neben einer großen Filmkamera, gibt Handzeichen in Richtung der Schauspieler.
Er verstand es, große Teams gelassen und präzise zu führen: Wolfgang Petersen 1985 am Set des Films "Enemy Mine". © picture alliance / Everett Collection
Moderation: Ute Welty · 17.08.2022
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Sein Film "Das Boot" ebnete dem Regisseur Wolfgang Petersen den Weg nach Hollywood. Dort bewies er mit Blockbustern wie "In the Line of Fire", "Air Force One" und "Outbreak" ein Gespür für das große Publikum. Nun ist er mit 81 Jahren gestorben.
Ein Film, der fast dokumentarisch das Leben einer U-Boot-Besatzung im Zweiten Weltkrieg zeigt und dabei mit Nahaufnahmen von klaustrophobischer Enge eine enorme Spannung erzeugt: Wolfgang Petersens Film "Das Boot" nach dem Roman von Lothar-Günther Buchheim habe 1981 weit über das deutsche Publikum hinausgewirkt und dem Regisseur in Hollywood große Anerkennung verschafft, sagt der Filmkritiker Patrick Wellinski.

In Hollywood mit offenen Armen empfangen

Mit dem U-Boot-Drama, das ihm sechs Oscar-Nominierungen einbrachte, habe Petersen auf Anhieb als souveräner Regie-Handwerker überzeugt, der "alle Gewerke, aus denen so ein Film besteht, in eine Einheit fügen kann". In Hollywood sei er daraufhin "mit offenen Armen empfangen worden", so Wellinski.

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Für große US-amerikanische Studios drehte Petersen mit Stars wie Clint Eastwood, Harrison Ford oder Dustin Hoffmann. Mit Blockbustern wie "In the Line of Fire", "Air Force One" und "Outbreak" bewies der Regisseur immer wieder Gespür für das große Publikum.

Produktionen mit großen Budgets

Es sei Petersen nicht nicht darum gegangen, sich künstlerisch neu zu erfinden, sagt Wellinski. "Es war ihm wichtig, dass seine Filme auch unterhalten, und das passte vielleicht nicht so richtig zu einem Kunstbegriff des großen Autorenkinos, wie ihn damals Alexander Kluge und Wim Wenders vertraten."

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Es sei aber sicher kein Zufall, dass Wenders seinerzeit mit seinem Spielfilmdebüt in den USA "brutal gescheitert" sei, sagt Wellinski - während Petersen dort zu einem angesehenen Regisseur wurde, dem man immer wieder Produktionen mit großen Budgets anvertraute.

Ein Meister der Spannungserzeugung

Sein größter Erfolg, der Film "In the Line of Fire", in dem Clint Eastwood einen alternden Bodyguard des US-Präsidenten spielt, zeige, was Petersens Erzählkunst auch in Mainstream-Produktionen ausgemacht habe, betont Wellinski: Mit einem regelrechten Schauspieler-Duell zwischen Eastwood und John Malkovich habe der Regisseur bewiesen, dass er die Spannungserzeugung auf der großen wie auch auf der kleinen Ebene beherrschte und dem Genre-Setting "wunderbare Konflikte entlocken" konnte.
Der Filmkritiker Jörg Taszman erinnert daran, dass Wolfgang Petersen nicht nur ein Regisseur mit Sinn für packende Stoffe gewesen sei, der viele Schauspielerinnen und Schauspieler entdeckt hat. Vor seiner Zeit in Hollywood, als er in Deutschland bereits erfolgreich für Film und Fernsehen arbeitete, habe Petersen auch die Drehbücher für viele seiner Filme geschrieben.

Polarisierende Filme

Unter den Filmen, die er für das deutsche Fernsehen und Kino gedreht habe, rage nicht nur der Tatort "Reifezeugnis" mit der damals erst 16-jährigen Nastassja Kinski heraus. Eine wichtige Produktion, die 1977 ebenfalls polarisiert habe, sei auch der Film "Die Konsequenz" mit Jürgen Prochnow in der Hauptrolle gewesen.
"Das war der erste Film überhaupt im deutschen Fernsehen, in dem es Liebe unter Männern gab", sagt Taszman. Der Bayerische Rundfunk habe die Ausstrahlung verboten, aber im Kino sei der Film ein großer Erfolg gewesen.
Was Wolfgang Petersen besonders ausgezeichnet habe, seien "Ehrgeiz und ein großes Stehvermögen", sagt der Filmproduzent Günter Rohrbach, der mit dem Regisseur "Das Boot" realisiert hat. Die "große Präzision", mit der Petersen stets ans Werk gegangen sei, gelangte bei dieser Produktion "zu voller Blüte", so Rohrbach.

Freundschaftlich am Set

In guter Erinnerung sei ihm auch Petersens besonderes Talent, mit großen Teams umzugehen. Am Set habe er einen "freundschaftlichen und ermutigenden" Ton gepflegt und sein Ensemble "auf eine wunderbare auch sehr menschliche Weise" geführt. Im Umgang mit großen Hollywood-Stars wie Brad Pitt oder George Clooney sei Petersen "ein Liebender" gewesen der mit großer Passion inszenierte, sagt Rohrbach.
Der Schauspieler Jürgen Prochnow hatte eine seiner prägnantesten Rollen als Kommandant in Wolfgang Petersens Film „Das Boot“. Über die Nachricht vom Tod des Regisseurs sei er „sehr sehr traurig“, sagt Prochnow. Er stehe etwas unter Schock wegen dieses plötzlichen Todes, der so unerwartet gekommen sei. Erst vor zwei Monaten habe er lange mit Petersen gesprochen.

"Eine ganz, ganz große Führungspersönlichkeit"

Dem großen Regisseur verdankt Prochnow viel. „Er hat mir eigentlich die Lust am Filmemachen vermittelt“, erzählt der 81-Jährige. Die beiden Männer hatten erstmals 1972 bei einem „Tatort“ zusammengearbeitet, damals war Prochnow am Theater in Bochum engagiert. Wolfgang Petersens sei auch für ihn eine „ganz ganz große Führungspersönlichkeit“ gewesen, erinnert sich der Schauspieler an jene Zeit. „Er konnte mit Leuten unglaublich gut umgehen und Schauspieler so fantastisch führen, dass das ein Ur-Erlebnis sozusagen für mich gewesen ist.“
Prochnow glaubt, dass das Geschichtenerzählen beim Film die Hauptsache ist. Und das habe Petersen immer gewollt. Der Regisseur habe sein Handwerk perfekt beherrscht, er habe eine Vision gehabt. „Und er konnte mit Schauspielern große, große Dinge erreichen, die vorher vielleicht mit denen überhaupt nicht möglich gewesen wären.“
Wolfgang Petersen selbst sagte einmal, er habe die großen Budgets, die Hollywood-Produktionen für Spezialeffekte bieten, sehr genossen. Trotzdem sei er immer auf der Hut gewesen, sich von der Fülle der Möglichkeiten nicht "überrennen" zu lassen.
"Dass die Ursprünglichkeit und die Originalität einer Geschichte und von Charakteren, die dich interessieren, nicht verlorengehen, ist das große Problem in Hollywood", so Petersen. Aber wenn man vom Filmemachen träume und darin die Leidenschaft seines Lebens gefunden habe, "dann gehört Hollywood dazu".
(fka/tmk)
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