Zum Tod der Sängerin Daliah Lavi

"Sie war ein Gesamtkunstwerk"

Daliah Lavi bei einem Auftritt Anfang der 70er-Jahre
Daliah Lavi bei einem Auftritt Anfang der 70er-Jahre © imago stock&people
Rainer Moritz im Gespräch mit Vladimir Balzer · 04.05.2017
Die Sängerin Daliah Lavi ist tot. Ihre Songs stachen in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik weit aus dem Schlager-Allerlei heraus, sagt der Literaturwissenschaftler Rainer Moritz.
Bekannt wurde die mit 74 Jahren im US-Bundesstaat North Carolina verstorbene Sängerin Daliah Lavi zunächst als Schauspielerin - an der Seite großer Darsteller wie etwa Gert Fröbe in "Das Stahlnetz des Dr. Mabuse" (1961), Kirk Douglas in "Zwei Wochen in einer anderen Stadt" (1962) oder Lex Barker in "Old Shatterhand" (1964).
Wahren Starruhm erlangte sie jedoch erst ab den späten 1960ern als Interpretin schwermütiger Chansons mit Titeln wie "Willst du mit mir geh'n?" und "Meine Art Liebe zu zeigen".
Als bloße Schlager lassen sich diese Lieder jedoch nicht abtun, erklärt der Literaturwissenschaftler Rainer Moritz im Deutschlandfunk Kultur. Zum einen habe sich Lavi an den Melodien großer amerikanischer Hits orientiert, zum anderen hätten ihr die Autoren Miriam Francis und später Michael Kunze sehr gute Texte auf den Leib geschrieben:
"Wenn man Lieder wie 'Wär' ich ein Buch' hört, dann sind das natürlich schon Versatzstücke des Schlagers, aber weitaus intelligenter getextet. Und dann die großen Melodien der amerikanischen Originale. Das war kein ZDF-Schlagerallerlei."

"Sie war eine Erscheinung"

Auch mit ihrem glamourösen Auftreten hatten der große Erfolg und die hohe künstlerische Anerkennung zu tun: "Sie war ein Gesamtkunstwerk, eine bildhübsche Frau, die sich sehr wandeln konnte. Sie war eine Erscheinung und kein Schlagerlieschen."
Dass Daliah Lavi Jüdin war und viele ihrer Verwandten im Holocaust ums Leben kamen, sei in ihren erfolgreichen Jahren weder angesprochen noch thematisiert worden, so Moritz weiter: "Das war sehr typisch für die Bundesrepublik der 60er Jahre." Ein offenes Geheimnis sei es allerdings schon gewesen. Dass dies zur Faszinationskraft der Lavi beitrug, will Moritz nicht ausschließen.
Ein spätes Comeback von Daliah Lavi im Jahr 2008 führte zwar zu keinen Chartserfolgen, aber zu viel beachteten Auftritten im Deutschen Fernsehen. Auch hier blieb sich Daliah Lavi ihrem Image als Grande Dame treu: Anders als viele Kolleginnen und Kollegen aus ihrer Zunft, musste sie im Alter "nicht bei Baumarkteröffnungen" singen, so Moritz. (thg)
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