Zum Antijudaismus in Bachs Passionsmusik

Die Jüden aber schrieen

Schräger Blick auf das bekannte Porträt des Komponisten Johann Sebastian Bach von Elias Gottlob Haussmann.
Johann Sebastian Bach vertonte Texte seiner Zeit, die auch verachtende Zeilen über die jüdische Religion beinhalteten. © picture alliance / dpa / Peter Endig
Von Georg Beck · 27.03.2024
Am 7. April 2024 jährt sich die Erstaufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach zum 300. Mal. Nicht nur in seinen Passionsmusiken finden sich Verweise auf „die Juden” voller Diskriminierungen. Ein verstörender Befund.
Wie sämtliche geistlichen Kantaten des Komponisten war auch die oratorische Passion fest im Gottesdienst verankert, war Kirchenmusik, deren Zweck darin bestand, die Glaubenswelt der lutherisch-orthodoxen Theologie zum Ausdruck, ihre Dogmatik zum Klingen zu bringen, die Gottesdienstteilnehmer für ihre Botschaften empfänglich zu machen.

Bach im Kanon seiner Zeit

Was der Leipziger Thomaskantor an Passionsmusiken komponiert hat, bewegte sich in einem System, das als Substitutionstheologie zu beschreiben ist. In deren Zentrum stand das Dogma vom neuen Bund, der den alten Bund Gottes mit dem Volk Israels abgelöst habe, sodass es für eine nachbiblische Existenz der jüdischen Religion keine Rechtfertigung gäbe.
Die lutherische Orthodoxie baute diesen Antijudaismussystematisch in Wort, Kunst und Musik aus und propagierte diesen. Namentlich in den Passionsmusiken häufen sich die diskreditierenden Verweise auf „die Juden”. Ein verstörender Befund, den die Bachforschung weitgehend ausgeklammert hat und ausklammert.

Blick auf wunden Punkt richten

Bis heute sind es Einzelstimmen, die sich zu Wort melden. Mit der Folge, dass die Bach musizierende, Bach liebende Community mit einem Störsignal alleingelassen wird. Verstärkt wird der Leidensdruck durch die antisemitischen An- und Übergriffe der Gegenwart.
Wie also sprechen über ein Thema, das einen sprachlos zu machen droht? Wie umgehen mit dem neuen alten Unbehagen beim Wieder-Anhören der Johannes-Passion im Jahr ihres großen Jubiläums?
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