Zoulfa Katouh: „All die Farben, die ich Dir versprach“

Hoffnung zwischen Tod und Trümmern

05:43 Minuten
Das Buchcover von "All die Farben, die ich Dir versprach".
© Dressler Verlag

Zoulfa Katouh

Übersetzt von Rasha Khayat

All die Farben, die ich Dir versprachDressler, Hamburg 2022

400 Seiten

22,00 Euro

Von Sylvia Schwab · 16.12.2022
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Flucht, Krieg und Vertreibung sind oft Thema in der Jugendliteratur. Zoulfa Katouh richtet nun den Blick nach Syrien und erzählt vom Alltag in der umkämpften Stadt Homs. Ihr Debütroman ist hochemotional, verstörend konkret und erschütternd.
Salama heißt die 18-jährige Ich-Erzählerin, sie lebt mitten im Schrecken des Syrienkrieges in ihrer Heimatstadt Homs. Vier Semester hat sie Pharmazie studiert, jetzt muss sie im Krankenhaus als Operateurin Leben retten.
Von ihrer Familie ist Salama nur die hochschwangere Schwägerin und beste Freundin Layla geblieben. Um diese in Sicherheit zu bringen, versucht sie, die Flucht nach Deutschland zu organisieren, auch vor einer Erpressung scheut sie dabei nicht zurück.

Zwischen Liebe und Sicherheit

Doch dann lernt Salama den unerschrockenen Kenan kennen und verliebt sich in ihn. Kenan will Syrien auf keinen Fall verlassen, sondern als Dokumentarfilmer für die Revolution kämpfen.
Hin- und hergerissen zwischen ihrer Sehnsucht nach Sicherheit und ihrer Liebe muss Salama sich entscheiden. Eine Flut von unterschiedlichsten Argumenten, Gefühlen, Gedanken und Hoffnungen macht das unendlich schwer. Und der Krieg trifft zusätzlich Entscheidungen für sie.
Nicht nur Salama muss eine furchtbare Entscheidung treffen, auch Kenan. Denn auch seine Eltern sind tot, er ist verantwortlich für seine Geschwister und sollte fliehen, um sie zu retten. Doch seine leidenschaftliche Überzeugung, Widerstand leisten zu müssen gegen das Assad-Regime, drängt auch ihn in einen unlösbaren Konflikt.

Farben trotzen der Grausamkeit

Wie die beiden jungen Leute, jeder für sich und gemeinsam, nach dem richtigen Weg für ihr Leben suchen, wie sie reden und streiten, diskutieren und kämpfen, das ist großartig und überzeugend entwickelt.
Zoulfa Katouh schildert den unglaublich schwierigen und gefährlichen Alltag in der umkämpften Stadt Homs so genau, so drastisch, dass man Salamas Leben wie in einem Film vor sich sieht.
Die Ruinen, die Toten, Bombenangriffe des syrischen Militärs, die Not im Krankenhaus, wo Operationen ohne Betäubungsmittel vorgenommen werden müssen, Hunger und Berichte von Folterungen, auch ein Giftgasangriff – Grausamkeit und Chaos sind permanent und allgegenwärtig. Aber dazwischen gibt es immer auch ein wenig Grün, Güte, Glück und Hoffnung. Und all die Farben, die Kenan Salama verspricht.

Hochemotional, spannend, verstörend

Dass dieser Roman ein Debüt ist, spürt man nur an zwei, allerdings markanten Stellen. Laylas Geschichte verläuft am Schluss unbefriedigend, außerdem wirkt eine zentrale Figur absolut überzeichnet. Ein Mann, den Salama halluziniert, der ihre Angst, auch ihre Schuldgefühle verkörpert und sich zu oft ins Geschehen einmischt.
Sprachlich aber wirkt der Roman ausgesprochen lebendig, farbig, fast schwelgerisch, in vielen Szenen hochemotional, außerordentlich spannend und manchmal verstörend konkret. Ein zugleich erschütterndes wie großartiges Buch, das die Grausamkeit jedes Krieges so deutlich vor Augen führt wie nur wenige, und aus diesem Grund auch erst für junge Erwachsene empfohlen wird.
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