Schlachtengemälde und der größte Atlas der Welt
In der Schau "Mapping Spaces" widmet sich das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Malereien aus dem 17. Jahrhundert, die militärische Taktiken und Erfolge abbilden. Solche Schlachtengemälde waren oft Propagandabilder und entstanden in Zusammenarbeit mit Feldherren und Kartografen.
Es ist, als habe der Maler sein Zielgebiet mit einem Flugzeug überflogen. Aus der Vogelperspektive hat David Teniers d. J. 1656 eine Ansicht der belagerten belgischen Stadt Valenciennes gemalt, einen präzisen Plan der Gebäude, Straßenzüge, Festungsmauern und Gewässer, auch die gewaltigen Truppenaufmärsche im umgebenden Gelände – eine Landschaft aus der Sicht des Militärs. Und tatsächlich, sagt die Kuratorin Ulrike Gehring, entwarfen Künstler damals mit Hilfe von Fachleuten und deren Messgeräten so etwas wie moderne Fernerkundungssysteme.
"Was neu ist, ist die Bedeutung der Geografen, also der Landvermesser, die das vermessene Land aufzeichnen und deren maßstäbliche Zeichnungen dann zur Grundlage der Gemälde werden."
Pieter Snayers beispielsweise malte im Dienste des Brüsseler Königshofes präzise Panoramen, indem er Landschaftsbilder und Karten übereinander projizierte, um die neuesten Errungenschaften militärischer Vermessungstechnik, Ballistik und des Festungsbaus zu dokumentieren.
"Bei ihm gehen sehr prominente Feldherren im Atelier ein und aus, darunter kennt man vor allem Piccolomini. Er gibt ihm seine, man nennt das Schlachtenrelationen, das sind kleine Zeichnungen, wo genau die Formationen der Truppen aufgezeichnet sind, und diese Zeichnungen werden dann von dem Künstler umgesetzt und in eine Landschaft eingebettet, die sehr sehr weitläufig ist."
Beliebtes Motiv: Seeschlachten
Wie ein Feldherr steht der Betrachter im Vordergrund auf einem Hügel und blickt hinunter aufs Gelände bis zum fernen Horizont – ein Blick wie aus einem Aufklärungssatelliten.
"Alles maßstäblich. Also man weiß auch, das sind im Falle von Breda über 50 Kilometer, die genauestens beschrieben, kartiert wurden und dann aber mit den Mitteln der Ölmalerei in repräsen-tative Schlachtengemälde überführt wurden."
Diese Kriegslandschaften dienten also nicht strategischen Zwecken, sondern der Dokumentation militärischer Taktiken und Erfolge, an denen sich Herrscher und Heerführer ergötzten – Propagandabilder also.
Die grandios bestückte Schau zeigt neben einer Vielzahl von Gemälden und Zeichnungen auch historische Messinstrumente, Zeichengeräte, Bücher, Globen und Karten, darunter der berühmte Klencke-Atlas, mit seinen fast zwei Meter großen Blättern der größte der Welt und eine Augenweide.
Freilich, das zeigt die Ausstellung ebenfalls, machten sich auch zivile Landschaftsmaler wie etwa Jacob Ruisdael die Entdeckung der Ferne zunutze. Stimmungsvolle Überblicke aus der Vogelperspektive kamen in Mode, und auch die leichte Krümmung des Horizonts, mit der die Maler demonstrierten, dass sie wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit waren.
Beliebte Motive waren auch Seeschlachten oder der Blick vom Meer auf fremde Länder – die Niederlande waren schließlich eine See- und Kolonialmacht.
"Es sind Wissenschaftsteams, die man den Seefahrern zur Seite stellt, die auf den Schiffen dann das neue Land kartieren und diese Karten zurückbringen nach Holland, wo sie von Künstlern gestaltet werden."
Routenplaner auf langen Papierrollen
Die Vermessung der Welt krempelte auch die Raumwahrnehmung der Reisenden um. Findige Kartografen entwickelten nach dem Vorbild militärischer Marschpläne regelrechte Routenplaner mit Tagesetappen, die auf langen Papierrollen festgehalten wurden.
So viel alte Kunst hat man im Karlsruher ZKM noch nie gesehen, doch für Museumschef Andreas Beitin liegen die aktuellen Bezüge auf der Hand.
"Unsere heutige Welt ist ja durchdrungen von technischen Din-gen, die aus dem militärischen Bereich kommen, und mit dieser Ausstellung 'Mapping Spaces' zeigen wir, dass also gerade unter dem Aspekt des Militärischen tatsächlich damals schon auch eine ganz enge Zusammenarbeit stattgefunden hat von Landvermessern, von Kartografen, usw. bis hin zu den Künstlern."
Zeitgenössische Künstler kommentieren diese Allianz von Technik, Wissenschaft und Kunst naturgemäß kritisch. Sie thematisieren, wie man hier sieht, Phänomene wie Drohnen, Google Maps und Street View, und sie tun dies, indem sie sich der technischen Mittel solcher Überwachungs- und Ortungssysteme bedienen.
Gleich zu Beginn der Schau etwa geraten wir in einen interaktiven Raum, auf dessen Wände ein Netzwerk kartografischer Linien projiziert ist. Doch auf die Koordinaten ist kein Verlass, sie geben keinen Halt. Mit jeder Bewegung des Betrachters verändert sich deren Konstellation, so dass man schnell die Orientierung verliert.
Und man stellt fest: die Sicherheit im Raum ist nichts als Schwindel, eine reine Illusion.