Razzia beim Künstlerkollektiv ZPS

Skandal oder normal?

05:18 Minuten
Millionen Flyer der AfD liegen in einem Müllcontainer
Bei der Kunstaktion des Zentrums für politische Schönheit wurden Millionen Wahlkampf-Flyer der AfD entsorgt © imago images / Andrea Friedrichs
Gudula Geuther im Gespräch mit Marietta Schwarz · 13.01.2022
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Eine Razzia im Büro des Zentrums für politische Schönheit wegen einer Aktion gegen die AfD wertet die Künstlergruppe als Angriff auf die Kunstfreiheit. Für eine Anklage bleibe der Kunstbegriff entscheidend, sagt die Journalistin Gudula Geuther.
Mit einer fingierten Flyer-Verteilfirma hat das Zentrum für politische Schönheit (ZPS) die AfD dazu gebracht, dass die Partei den Aktionskünstlern Millionen Flyer vor der Bundestagswahl 2021 zugesandt hat. Diese Flyer wurden dann medienwirksam entsorgt. Am Donnerstag wurden nun, rund vier Monate nach der Aktion, mehrere Wohnungen von ZPS-Mitgliedern bei einer Razzia des LKA in Berlin durchsucht.

Zum Schein Verträge angeboten

Aus dem Durchsuchungsbeschluss gehe hervor, dass sich der Richter des Amtsgerichts Tiergarten auf Paragraf 269 des Strafgesetzbuches beziehe, erläutert Hauptstadtkorrespondentin Gundula Geuther. Ein Paragraf, der Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vorsieht.
„Ein sperriger Paragraf, in etwa die Alternative für die Urkundenfälschung im Internet oder im elektronischen Rechtsverkehr“, sagt Geuther. Der Vorwurf sei, dass das ZPS mit einer Webseite und mit E-Mails den Eindruck erweckt habe, jemand zu sein, der man nicht ist: „Und man dann auch zum Schein entgeltliche Verträge angeboten hat.“
Diesen Paragrafen zu bemühen sei zumindest nicht an den Haaren herbeigezogen, urteilt Geuther. Wie stichhaltig die Vorwürfe tatsächlich seien, werde sich aber noch herausstellen.

Angriff auf die Kunstfreiheit?

Die Anwälte des ZPS weisen allerdings daraufhin, dass der Paragraf in dieser Form noch nie im Kontext von Kunst oder Satire angewendet worden sei. Die erhobenen Vorwürfe wirkten vorgeschoben, die Anschuldigungen reichten vermutlich nicht einmal für eine Klageerhebung aus. Auch das Künstlerkollektiv äußerte sich, „die gesamte Zivilgesellschaft“ sei aufgerufen „diesen Angriff auf die Kunstfreiheit abzuwehren.“
Doch was Kunst sei, um dann von einem Angriff auf die Kunstfreiheit zu sprechen, damit habe sich auch schon das Bundesverfassungsgericht beschäftigt und wieder verworfen, erklärt Geuther: „Weil jeder Versuch, Kunst zu definieren, die Gefahr in sich birgt, dass neue Formen außen vor bleiben. Das sind gerade die Formen, die den Schutz der Kunstfreiheit des Grundgesetzes brauchen.“
Im Prinzip sei all das Kunst, was Künstler zu Kunst erklärten, allerdings ohne dadurch einen absoluten Freibrief zu haben. Künstler könnten nicht alles machen, was sie wollten.

Vergleich mit Böhmermanns Schmähgedicht

Eine Parallele zur ZPS-Aktion sei die Diskussion um die Erdogan-Beleidigung von Jan Böhmermann, wo Gerichte auch Unterschiedliches vertreten hätten. Beides, die ZPS-Aktion und Böhmermanns bewegten sich auf der Grenze des Rechts: „Einer von vielen Unterschieden ist vielleicht, dass gerade das bei Böhmermann auch Teil der Aktion, Teil der Kunst war – und ob das hier so ist, ist die Frage.“

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