Zehn Jahre nach der Finanzkrise

"Wir stehen an einem Scheidepunkt"

Mann vor einer Anzeigetafel mit Börsenkursen.
Gehören Wirtschaftskrisen zu unserem kapitalistischen System dazu wie das Steigen und Fallen der Börsenkurse? © imago
Ann-Kathrin Kaufhold im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese · 16.08.2018
Wir sind gegen Turbulenzen auf dem Finanzmarkt besser gerüstet als vor zehn Jahren, meint die Staatsrechtlerin Ann-Kathrin Kaufhold. Allerdings gebe es erste Tendenzen, die Finanzmärkte wieder zu deregulieren. Das sei eine große Gefahr.
Nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte vor zehn Jahren war nicht selten von einer Systemkrise die Rede. Gehören solche Krisen zum Wirtschaftssystem Kapitalismus und sind sie unvermeidlich? Oder können wir wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen?
Die Staats- und Verwaltungsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold glaubt nicht, dass sich derartige Krisen ganz vermeiden lassen. Sie seien so alt wie das Finanzsystem selbst: "Und solange wir von einem international vernetzten Finanzsystem profitieren wollen, werden wir es auch weiterhin mit systemischen Risiken zu tun haben." Aber wir können – so glaubt die Juristin – die Auswirkungen "begrenzen, steuern und beeinflussen".

Nicht einzelne Akteure, sondern das System beobachten

Systemrisiken ergeben sich immer aus dem Zusammenspiel mehrerer Akteure. Daher sei es wichtig, nicht Einzelne, sondern das Zusammenspiel als Ganzes zu beobachten. Entsprechende Sicherungsmaßnahmen seien nach der Finanzkrise auch ergriffen worden, sagt Kaufhold.
So seien Makro-Aufsichtsgremien geschaffen worden, die das Zusammenwirken der Akteure beobachten und mit entsprechenden Warnungen und Empfehlungen an den Markt herantreten. Sogenannte Systemrisiken-Puffer sollen zudem eine Art Dominoeffekt zwischen den Banken verhindern.

Die Krisenerfahrungen verblassen langsam

Insgesamt seien wir derzeit also besser gerüstet, um Turbulenzen auf dem Finanzmarkt entgegenzutreten, meint Kaufhold: Beispielsweise in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung und die Finanzaufsicht.
"Ich denke aber, dass wir jetzt an einem Scheidepunkt stehen, weil die Krisenerfahrungen langsam verblassen und es eine erste Tendenz gibt zu deregulieren, die man vor allen in den Vereinigten Staaten beobachten kann." Aber auch in Deutschland gebe es diesbezüglich erste Forderungen. "Das ist eine große Gefahr."
(lk)
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