"You are out there" bei den Frankfurter Positionen

So einfach ist das mit dem Datenmissbrauch

Verloren im Netz - in "You are out there" des Digital Art-Duos Chris Kondek und Christiane Kühl geht es um die Flut persönlicher Daten im Internet
Unsere digitale Welt - eine Welt ohne Diskretion. © Victor Morales / Chris Kondek
Von Natascha Pflaumbaum |
Um die Frage der Verfasstheit des Ichs im digitalen Zeitalter geht es bei dem Festival Frankfurter Positionen 2017. Und schon in der Eröffnungsperformance wird einmal mehr klar: Wir leben in einer Welt ohne Diskretion, ohne Datenschutz – und ohne Skrupel.
Mit ihrer Eröffnungsperformance "You are out there" im Frankfurter Mousonturm blättern die drei Spieler Chris Kondek, Christiane Kühl und Idella Craddock das ganze Spektrum unserer digitalen Doppelgängerschaft auf, und zwar so in allen Einzelheiten, dass einem mulmig wird: Ich als Avatar in Online-Spielen, Ich als digitaler Fingerprint im bürokratischen System, Ich als Online-ID, Ich mit meinen 1000 Namen bei Facebook, Twitter, Instagram.
Wir multiplizieren uns im Netz täglich aufs Neue, geben uns andere Identitäten, produzieren Doppelgänger, von denen das Netz selbst wiederum Doppelgänger produziert. "Multiply yourself" ruft Chris Kondek darum dem Publikum zynisch entgegen und proklamiert ein neues Zukunftsmodell: "identity farming" – das sei jetzt die Ich-Strategie der Zukunft.
Welche Konsequenzen diese Ich-Multiplikation hat, lässt Chris Kondek das Publikum am eigenen Leib erfahren. Er hat an alle vor der Performance spezielle Dolmetscher-Kopfhörer verteilt und dafür von jedem den Personalausweis oder Ähnliches einkassiert. Nun spielt er in der Aufführung vor den Augen aller mit den Personalausweis-Daten: Er eröffnet ein Airbnb-Konto für eine Zuschauerin, zerschreddert die Bahncard von Anselm Weber und baut einzelne Websites mit den Daten verschiedener Personalausweise.

Erschlichene Daten

Das alles wird live mit einer Fingerkamera gefilmt und für alle sichtbar auf verschiedene Monitore projiziert. Keine Diskretion, kein Datenschutz, keine Skrupel: dabei hat er sich die Daten erschlichen, denn die Kopfhörer, die das Publikum im Tausch vermeintlich für die Performance benötigt, funktionieren gar nicht, sie werden gar nicht gebraucht. Sie waren nur dazu da, um an die Daten zu kommen. So einfach ist das also mit dem Datenmissbrauch, und so schnell funktioniert er.
Jeder weiß das und fällt doch immer wieder darauf rein. Dass es kein Zurück mehr gibt aus dem multiplizierten Ichzustand, ist wohl die Lehre, die "You are out there" recht ansprechend darlegt: Videos, aufwendige 3D-Animationen, ruckelige Live-Filmchen, sprechende Hasen, Songs und Musik sind Teile eines kunstvollen Puzzles rund um das Thema, das die drei Spieler im halbseidenen Setting einer Zaubershow präsentieren – Lametta und roter Samtvorhang inklusive.
Der Erkenntnisgewinn bleibt trotz aufwendiger Darbietung des gegenwärtigen Szenarios doch eher gering. Diese Performance funktioniert als Exposition des Themas für ein Festival gut, als eigenständige Produktion allerdings wünschte man sich mehr Ideen, dem Problem des multiplen Ichs beizukommen.
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