Yanis und sein Mittelfinger

Warum Varoufakis gar nicht anders konnte

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, aufgenommen in Athen.
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis handelte in bester Tradition. © dpa / picture alliance / Yannis Kolesidis
Ein Zwischenruf von Peter Lange · 19.03.2015
Yanis Varoufakis tut nur, was seit dem Altertum üblich ist, kommentiert Peter Lange: Der ausgestreckte Mittelfinger des griechischen Finanzministers habe viele Vorbilder seit der klassischen Antike – und leider auch deren Vertuschung.
Im klassischen Altertum war der Stinkefinger gang und gäbe, und selbst Götter waren sich dafür nicht zu schade. Das Investigative Rechercheteam des "Focus" hat erst 2010 eine Statue der Aphrodite entdeckt, die den Mittelfinger hochreckt. Als Odysseus sich und seine Gefährten mit List und Tücke aus der Gewalt des Polyphem befreite, da hat er laut der Urfassung von Homer dem tobenden Zyklopen den Stinkefinger gezeigt. Was natürlich eine ziemlich blödsinnige Aktion war, denn der Polyphem konnte ja gar nichts mehr sehen.
Oder wenn Sie an die schreckensgeweiteten Augen des Perserkönigs Dareios im Angesicht Alexander des Großen denken. Es war der Stinkefinger des Griechenherrschers, der den mächtigen Perser um die Fassung brachte. Wie anders wäre sonst zu erklären, dass das kleine Griechenheer über die vielfach größere Perser-Streitmacht siegen konnte.
Historisch hat sich das dann in die römische Antike übertragen. Die berühmte Augustus-Statue von Primaporta weist zwar mit dem Zeigefinger in die Ferne. Aber auch das ist nachträglich geändert worden. Ursprünglich zeigte Augustus der Welt den Stinkefinger. Formen dieses archaischen Selbstbewusstseins kennt man in Italien bis in die Gegenwart. Silvio Bunga Berlusconi war bekanntlich der personifizierte ... aber das geht zu weit.
Die kulturellen Muster sind uralt
Die Augustus-Statue bekam später eine andere Hand – offiziell wurde sie natürlich nur restauriert. Das Mosaik der Alexanderschlacht ist übermalt und der Text von Homer ist geglättet worden, denn in der christlich-abendländischen Überlieferung war der Stinkefinger nicht üblich. Es sind also uralte kulturelle Muster, die hier zum Tragen kommen, wenn Yanis tut, was seit dem Altertum Usus ist. Und wenn das christlich-westliche Abendland reagiert, wie es immer reagiert, wenn etwas in den kulturellen Code nicht reinpasst - man manipuliert die Quellen.
Also eigentlich konnte der Yanis gar nicht anders. War nur ein bisschen doof, weil die Europäer sind nicht so blind wie Polyphem. Und anders als die Perser, laufen die Europäer jetzt auch nicht vor den Griechen davon, denn die sind ja mit uns in der Nato. Das hatte der Yanis wohl auch vergessen.
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