Writers-in-Prison-Day

Im Gefängnis, weil sie von Monatsbinden sprach

07:12 Minuten
Die prominente Feministin und LGBT-Aktivistin Stella Nyanzi sitzt im Gerichssaal bei Ihnen Anhörung und macht sich Notizen in einen Ringblock.
Die prominente ugandische Schriftstellerin Stella Nyanzi wurde bereits mehrfach verurteilt – auch auf sie macht der PEN in diesem Jahr aufmerksam. © imago images / ZUMA Press
Ralf Nestmeyer im Gespräch mit Andrea Gerk · 15.11.2019
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Weltweit sitzen mindestens 800 Autorinnen und Autoren wegen missliebiger Äußerungen in Haft. Mit Schicksalen wie dem der ugandischen Autorin Stella Nyanzi macht der Autorenverband PEN am Tag des inhaftierten Schriftstellers darauf aufmerksam.
Am 4. November sind der Schriftsteller Ahmet Altan und die Journalistin Nazli Ilicak nach mehr als drei Jahren in einem türkischen Gefängnis unter Auflagen freigelassen worden. Nur acht Tage später wurde Altan erneut verhaftet. Sein Schicksal teilen viele Schriftsteller weltweit. Und daran erinnert der Autorenverband PEN International mit dem heutigen Writers-in-Prison-Day – dem Tag des inhaftierten Schriftstellers.
Er findet jedes Jahr am 15. November statt. "Wie es Ahmet Altan aktuell geht, wissen wir nicht", sagt Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des PEN-Zentrums Deutschland, im Deutschlandfunk Kultur. Man könne höchstens vermuten, dass es ihm nicht gut gehe angesichts der Willkür im türkischen Justizsystem, so Nestmeyer.
Genaue Zahlen darüber, wie viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller derzeit weltweit in Haft sind, gebe es nicht. Auf der Caselist des Internationalen PEN seien zwischen 800 und 900 Schriftsteller aufgelistet, die sich in Haft befinden. Die meisten Personen auf dieser Liste – ungefähr 150 – befänden sich in türkischen Gefängnissen. China zum Beispiel sei ein Land mit einer großen Dunkelziffer, aus dem sehr wenig nach draußen dringe. "Da weiß nicht mal Amnesty International, wie viele Todesurteile vollstreckt werden."

Weltweit großer medialer Druck

Die problematischsten Länder für Journalisten und Schriftsteller seien derzeit hauptsächlich Länder im arabischem Raum oder mit islamischem Hintergrund, erklärt Nestmeyer. Aber auch in Eritrea sei die Lage sehr kritisch. Von dort dringe auch kaum etwas nach außen. Das Land sei "kurz vor Nordkorea, was Pressefreiheit betrifft", so Nestmeyer. Dort seien viele Autoren in Haft, über deren Schicksal man nichts wisse.
Der PEN greift jedes Jahr fünf Einzelschicksale heraus, um weltweit großen medialen Druck aufzubauen. In diesem Jahr gehört die mexikanische Schriftstellerin und Journalistin Lydia Cacho dazu. Sie habe investigativ über organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Gewalt und Korruption geschrieben. Ihr Buch "Sklaverei. Über den globalen Frauen- und Kinderhandel" gebe es auch auf Deutsch, so Nestmeyer. "Sie hat sich lange gewehrt, das Land zu verlassen."
Portraitfoto der Journalistin Lydia Cacho vor einem Mikrofon
Vor Bedrohungen ins Exil geflohen: die mexikanische Investigativjournalistin und Aktivistin Lydia Cacho.© imago images / Agencia EFE
Doch nachdem zuletzt erneut bei ihr eingebrochen worden sei, wobei ihre beiden Hunde getötet wurden, sei sie ins Exil gegangen. Mexiko sei höchst gefährlich für Autoren, die als missliebig gelten, erklärt Nestmeyer: Mehr als 20 Autoren würden in Mexiko pro Jahr im Schnitt ermordet – darunter auch eine Autorin, auf die der PEN am 15. November 2018 aufmerksam gemacht hatte.

Drei von fünf wieder in Freiheit

Viele Fälle, in denen Schriftsteller für vermeintliche Vergehen belangt werden, seien aus Sicht der westlichen Welt oft kaum nachzuvollziehen, sagt Nestmeyer. So etwa jener der ugandischen Autorin Stella Nyanzi. Sie machte darauf aufmerksam, dass Mädchen ihre Periode haben und Monatsbinden brauchen, damit sie zur Schule gehen können. Deshalb war sie bereits einige Male im Gefängnis.
Die Aktionen des PEN zum Writers-in-Prison-Day, darunter Infoveranstaltungen und Podiumsdiskussionen, zeigten durchaus Wirkung, betont Nestmeyer. Von den fünf im vergangenen Jahr vorgestellten inhaftierten Schriftstellern seien inzwischen drei wieder in Freiheit.
(abr)
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