Workshop in Berlin

Populismus und der öffentlich-rechtliche Rundfunk

Unterstützer der Partei Alternative für Deutschland in Thüringen halten bei einer Demonstration der AfD in Erfurt Slogans auf Schildern in die Höhe.
Unterstützer der Partei Alternative für Deutschland in Thüringen halten bei einer Demonstration der AfD in Erfurt Slogans auf Schildern in die Höhe. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Philip Banse · 16.05.2017
Den Anschein erwecken, die Mehrheit, die Massen zu vertreten: An diesem Ziel orientiert sich die Kommunikation von Populisten. Doch wie sollen und können Journalisten mit solchen Behauptungen umgehen? Das war Thema eines Workshops im Berliner Funkhaus von Deutschlandradio.
"Populismus ist die Annahme, man sei der alleinige Vertreter des Volkes. Die anderen seien nur machthungrige Elite. Ich bin das Volk, die anderen sind korrupt und nur ich bin legitim, die anderen nicht", sagte Justus Bender, der seit vier Jahren für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" über die AfD berichtet.
Den Anschein erwecken, die Mehrheit, die Massen zu vertreten – an diesem Ziel orientiert sich auch die Kommunikation von Populisten. Dazu bedienten sie sich etwa sogenannter Bots, sagt Lena Frischlich, Medien-Psychologin von der Universität Münster. Ein Bot ist Software, die falsche Twitter und Facebook Accounts anlegt und diese dann automatisiert Nachrichten verbreiten lässt.

Social Bots simulieren Mehrheiten

"Bots können Mehrheiten simulieren, etwa indem 30.000 falsche Twitter Accounts einem Politiker folgen und ihn attraktiv erscheinen lassen oder Hashtags benutzen und Themen als wichtig erscheinen lassen."
Andere Kommunikations-Methoden nutzten die Schwächen der menschlichen Wahrnehmung aus, etwa das Mittel der Wiederholung.
"Wiederholungen hinterlassen immer Spuren, wie einen Fußabdruck. Auch bei Verneinungen, also: Nein, nicht alle Ausländer sind kriminell. – Hinterlässt: Ausländer kriminell. Deswegen sehr vorsichtig sein."
Denn das menschliche Gehirn nehme zuerst Assoziationen auf und fange dann erst an zu denken. Deswegen appellierten die Forscher auf der Tagung an alle, die irgendwie publizieren: innehalten. Überlegen, ob wir einen Tweet oder einen Facebook-Post wirklich teilen wollen, ob er stimmt, stimmen kann.
Wenn ein Twitter-Account mehr als 50 Tweets am Tag absetzt, dürfte es ein Roboter sein. Keine falschen Behauptungen teilen, auch nicht mit dem Zusatz: "Das hier ist falsch". Was sich verbreitet und hängen bleibt, ist die falsche Behauptung. Journalisten sollten falsche Behauptungen nicht wiederholen, schon gar nicht in die Überschrift nehmen, sondern sagen, was richtig ist. Dann sollten Journalisten sich sehr gut überlegen, wie viel Raum sie Populisten geben.

63 Prozent der Sendezeit für Präsidentschaftskandidat Trump

Helen Boaden, ehemalige Radio-Chefin der BBC und zuletzt an der Harvard University, erinnerte daran, dass Donald Trump, selbst als er nur einer von mehreren Präsidentschaftskandidaten der Republikaner war, 63 Prozent der Sendezeit bekam - Werbezeit im Wert von mehreren Milliarden Dollar.
Wann soll man also über die AfD berichten, wann nicht? Justus Bender von der FAZ macht seine Abwägungen klar am Beispiel der Rede vom AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, in der er vom "Denkmal der Schande" sprach.
"Bei Höckes Rede habe ich am Anfang gesagt, das müssen wir nicht berichten. Das ist eine Rede, das ist eins zu eins Gedankengut der Neuen Rechten, das ist nicht mal besonders originell von Höcke, das sehen alle so in der neuen Rechten. Aber dann ist daraus etwas entstanden, was reale Substanz hatte. Dann hat Frauke Petry gesagt, wir schmeißen den raus. Wir machen daraus eine Richtungsentscheidung der Partei. Das ist etwas, worüber man berichten muss."

"Haben wir eine lebendige Diskussions- und Streitkultur?"

Stephan Detjen, Chef des Hauptstadt-Studios des Deutschlandradio, sagte, es müsse in den Redaktionen Vielfalt herrschen. Die könne aber nicht wie früher über Parteimitgliedschaften oder Quoten für Minderheiten gemessen werden. Kriterium müsse sein:
"Haben wir dort eine lebendige Diskussions- und Streitkultur? Erlauben wir es uns gegenseitig, uns und unsere Produkte kritisch zu betrachten? Nutzen wir die Freiräume, die wir gerade durch die jüngere Generation von Journalisten gewinnen, um auch eine professionelle Lust an der intellektuellen Auseinandersetzung, an Perspektivwechseln und dem Widerspruch zu pflegen?"
Und natürlich müssten Journalisten ihr Handwerk machen, sagt Willi Steul, der scheidende Intendant des Deutschlandradio. Der Deutschlandfunk hatte kürzlich ein Zitat von Andrea Nahles getwittert, das aus dem Zusammenhang gerissen war und ihre Aussage ins Gegenteil verkehrt hatte. Dazu Intendant Steul:
"Das ist eine Frage der Erfahrung. Dieser Fehler wäre mir nicht passiert."
Und wenn solche Fehler passieren, müssten sie besser korrigiert werden, als zunächst geschehen:
"Auch wie wir uns korrigieren. So was ein Missverständnis zu nennen. Das war kein Missverständnis, das war ein Grotten-Fehler."
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