Wolf Wondratschek-Ausstellung

9800 Euro für ein Gedicht

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Schriftsteller Wolf Wondratschek © Deutschlandradio - Matthias Dreier
Von Tobias Lehmkuhl · 22.02.2016
Die neuesten Gedichte von Wolf Wondratschek kann man nicht im Buch lesen, aber betrachten kann sie jeder. In einer Ausstellung in Berlin sind derzeit Fotos und grafische Arbeiten Wondratscheks zu sehen - und zu kaufen.
Ein Gast: "Es war ja früher ganz normal, dass man Kunst für Einzelne produziert hat, auch Bücher. Dass es eben einen gab, der das produziert hat, einen Künstler, und einen Enthusiasten, der das kaufte."
Wondratschek: "Nein, ich bin nicht über die Künstler gegangen, ich spiele nur manchmal etwas anderes als mit meinen Fingern auf der Schreibmaschine. Ich mache das seit über zwanzig Jahren privat und nur für mich. Und das Sonderbare, das Jim Rakete, beziehungsweise der, der den einen Raum zur Verfügung stellt, - die haben mich richtig ausfindig gemacht. Und die beiden sind so liebenswert, der habe ich gesagt: Toll, warum nicht. Tun wir es mal ganz tief: Es ist weder der Beginn einer neuen Karriere, noch ein Ehrgeiz, ich bin kein Künstler."

Fotografieren verboten

Zitieren darf man die ausgehängten Gedichte nicht, auch fotografieren ist verboten: Alles soll Unikat bleiben.
Veranstalter: "Grundsätzlich geht es darum, Gedichten, Literatur generell wieder den Charakter eines Kunstwerkes zurückzugeben, das ist die Idee. Wenn Du einen Druck hast, ist er weniger wert, als das Original, weil die Aura des Originals total fehlt. Und hier hast Du das Gefühl, dass dieses Gedicht nur für dich geschrieben ist."
Beschreiben aber dürfen wir. Herr Rakete, sagen Sie, diese Fotografie der Theaterfotografin Roswitha Hecke, dieser Rückenakt, was hat es damit auf sich?
Jim Rakete: "Roswitha Hecke war zu dieser Zeit, als dieses Foto entstand, war sie mit Wolf Wondratschek zusammen, und sie haben eine Wohnung geteilt, wo er immer durch ihr Labor musste, wenn er auf die Straße wollte. Und sie hat einen ganzen Bildband gemacht, der heißt 'Liebesleben', über diese Dame aus Zürich, die ein Profi war, und die vor drei Jahren bei einem Verkehrsunfall in Asien umgekommen ist, und er hat sie immer sehr verehrt für ihren verschwenderischen Körper und für ihre Schönheit."
Wondratschek: "Es sind die zweckfreien Wonnen meiner Fantasie, und daraus entstehen dann Dinge, die gerahmt sind und die man dann ganz altmodisch an eine Wand hängen kann."

Inszenierte Dialoge

Es muss dazu gesagt werden, dass etwa der Rückenakt nicht allein steht, sondern vom Bild einer verhüllten Frau flankiert wird. Immer wieder sind es Dialoge, die hier in den Rahmen inszeniert werden, Dialoge zwischen zwei Bildern oder zwischen Bild und Text. Oder es sind einzelne Sätze, Aphorismen, Rätselfragen.
Veranstalter: "Du schweigst, doch ich werde auch schweigen."
Ein Gast: "Wofür entscheidet sich ein Boxer, wenn er schlägt?"
Veranstalter: "Was ich auch sehr mag ist, diese Arbeit hier mit Truman Capote, einmal der junge Truman Capote, dann der alte, aufgedunsene Truman Capote, und darunter die Zeile: Heilige Scheiße, ich hab's doch gewusst."
Ein Gast: "Die Wunschvorstellung von Wolf Wondratschek ist ja, das eine Person dieses ganze Zimmer, diese Exponate kauft und bei sich zu Hause in einem gleichen Raum und ähnlich oder an gleicher Stelle so aufhängt."

Copyright für 9800 Euro

Wondratschek: "Drei Gedichte hängen hier, eins ist handschriftlich, eines ist auf einer alten Schreibmaschine geschrieben, und dann gibt es eines, das ein aufgegebenes Gedicht ist und das ist ja auch ein Dokument des Scheiterns. Das sind diese drei Gedichte, die haben ihren Preis, und wer das erwirbt, der kann den Rahmen, das Glas zertrümmern, der kann das falten, und kann das einstecken, er hat ein handschriftliches Dokument, und ihm gehört dann auch das Copyright. Jedes kostet 9800. Das ist es wert nach unserer Meinung. Wir haben in sehr sanfter Weise über den Wert dieser Objekte nachgedacht."
9800 Euro für ein Gedicht? So viel bekommt kaum ein Dichter für einen ganzen Gedichtband. Aber heißt das, dass das einzelne Gedicht nicht so viel wert wäre? Gerade, wenn es einem ganz alleine gehört? Mäzen sein, König: Wondratschek eröffnet einem ungeahnte Möglichkeiten. Wir empfehlen: Ergreifen Sie sie!

Auf YouTube erklärt Wolf Wondratschek die Austellung.
Die Wondratschek-Ausstellung findet noch bis zum 9.4.2016 statt. Hier können Sie sich anmelden: wondratschek-originale@gmx.de

Programmtipp: Was ist aus dem Traum von der blinden, russischen Großfürstin geworden? Woher kommt sein Hang zum Boxen? Und wie hängen seine Liebe zur klassischen Musik und zur Sprache zusammen? Darüber unterhält sich Ulrike Timm mit Wolf Wondratschek in der Sendung "Im Gespräch" am 22.2. ab 9.07 Uhr.

Mehr zum Thema