"Wo Gott ist, da ist Zukunft"

Franz-Josef Bode im Gespräch mit Burkhard Birke · 24.12.2011
Bis zu einem gemeinsamen Abendmahl von Protestanten und Katholiken werde es noch dauern, sagt Bischof Franz-Josef Bode. Aber es gebe schon "sehr, sehr viele gute Zwischenformen" für eine lebendige Ökumene.
Deutschlandradio Kultur: Herr Bischof Bode, wir feiern heute Abend die Geburt Christi. Für Christen bedeutet das, Gott hat seinen Sohn als Erlöser in die Welt geschickt. Was sind Ihre ganz persönlichen Wünsche für Weihnachten?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich möchte mir und anderen wünschen, dass sie erkennen und auch erfahren, dass Gott für uns Mensch geworden ist, dass er dadurch ein Menschen zugewandter Gott ist und dass das zu unseren eigenen Menschwerdung beiträgt.

Deutschlandradio Kultur: Wie erfahren denn die Menschen in Zeiten des Turbokapitalismus und des Materialismus diese Zuneigung?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich glaube, dass das fast nur möglich ist durch Menschen, die selber Menschen zugeneigt sind, die selber sich gegen die Gesetze des Marktes stellen, die selber glaubwürdig leben und von einem inneren Antrieb her leben, dass andere spüren, die wollen wirklich etwas für den Menschen und auch für seine Zukunft. Ich denke, dadurch ist es am meisten rüber zu bringen, natürlich auch ausdrücklich durch unsere Botschaft, durch unsere Gottesdienste und durch die Orte, die wir anbieten, um wirklich auch zu sich selbst und zu Gott zu kommen.

Deutschlandradio Kultur: Was ist denn Ihre Botschaft an die Menschen zu diesem Weihnachtsfest?

Bischof Franz-Josef Bode: Die wichtigste Botschaft ist, dass Gott uns Zukunft gibt. "Wo Gott ist, da ist Zukunft." Das war das Thema des Papstbesuchs. Ich denke, das ist ein wirklich guter Satz. Wie auch immer Menschen sich auf Gott beziehen, aber ohne Gott und ohne eine Rückbeziehung auf etwas Größeres, auf etwas Tieferes, auf etwas, was uns Zukunft gibt, was uns Grund gibt und Ziel ist, wird man Zukunft schwer bestehen können.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben den Papstbesuch als wichtigstes Ereignis für die Katholische Kirche in Deutschland in diesem Jahr schon angesprochen. Hat er wirklich Zukunft eröffnet in all den schwierigen Situationen, die sich auch in diesem und im vergangenen Jahr für die Katholische Kirche eröffnet haben?

Bischof Franz-Josef Bode: Er ist sehr grundsätzlich geblieben in all seinen Predigten und Texten es waren Variationen zu diesem Thema, wo Gott ist, da ist Zukunft, sicher oft sehr theologisch, wie es seine Stärke und Art ist.

Deutschlandradio Kultur: Im Zusammenhang mit dem Papstbesuch hatten vor allem die evangelischen Christen die Erwartung gehegt, dass sich in der Ökumene was nach vorne bewegt. Jetzt war die Enttäuschung sehr groß, weil der Papst eher die starren Strukturen zementiert hat. Wie groß war Ihre Enttäuschung?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich war nicht so enttäuscht, weil ich die Erwartung vorher viel zu hochgeschraubt sah. Denn ein Papst kann nicht einfach mit irgendwelchen kurzen Sätzen eine ökumenische Zukunft eröffnen, wie mache Leute sie sich erwarten. Meiner Meinung nach war es schon ein gewichtiges Zeichen, dass er sich in Erfurt an dieser Stelle mit den Evangelischen getroffen hat. Schade war, dass die Predigt nur im Fernsehen und in der Öffentlichkeit mehr übertragen worden ist als das Gespräch selbst, wo es ja um eine sehr wertschätzende Weise ging, mit Luther etwa umzugehen. Ich denke mal, dass da doch eine Form von Gespräch, von Dialog auch wieder bestätigt und geöffnet worden ist, auf der wir weiter bauen können.

Deutschlandradio Kultur: Aber ein gemeinsames Abendmahl, eine gemeinsame Kommunion? Sehen Sie da eine reelle Chance? Braucht man dazu ein neues Konzil?

Bischof Franz-Josef Bode: Das hat so viele Voraussetzungen noch in Bezug auf die Auffassung von Kirche, von Amt, von Eucharistie selbst, dass wir da noch längst nicht sind. Aber ich denke, dass es sehr, sehr viele gute Zwischenformen gibt – in ökumenischen Gottesdiensten, die inzwischen selbstverständlich geworden sind, und natürlich noch mal die Frage, was man denn bei konfessionsverschiedenen Ehen eventuell eröffnen kann, weil das eine ganz eigene Frage noch mal ist bei Eheleuten, die als Getaufte sakramental miteinander verbunden sind.

Deutschlandradio Kultur: Ist es da denkbar, auch in der Bischofskonferenz an einer Öffnung zu arbeiten, wie es ja auch Signale gibt, dass die wiederverheirateten Geschiedenen vielleicht doch irgendwann zur Kommunion eingeladen werden? Oder muss das von Rom ausgehen?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich wünsche mir sehr, dass die Bischofskonferenz sich damit wieder mit beschäftigt. Sie hat es schon mal getan. Ich bin ja jetzt schon 20 Jahre dabei. Ich denke, bei beiden Fragen sind wir in eine Situation gekommen, wo sich auch vieles in unserer Umgebung verändert hat, dringender geworden ist. Deshalb meine ich, dass das geschehen müsste, muss allerdings mit der Weltkirche schon geschehen, das kann man nicht ortskirchlich einfach lösen, aber trotzdem denke ich, das ist wie bei einer Spirale, man muss die Fragen immer wieder aufgreifen, auch in dieser neuen Situation. Und ich denke, dass wir vielleicht dann doch einen Weg finden.

Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie die Entscheidung hätten, gäbe es dann ein gemeinsames Abendmahl?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich denke, grundsätzlich kann es das im Moment nicht geben, also, dass wir grundsätzlich in dem Sinn Interkommunion hätten, sondern das kann ich nur für einzelne Fälle und unter bestimmten Kriterien tun. Das wäre etwa im Zusammenhang einer konfessionsverschiedenen Ehe oder man müsste Kriterien dafür entwickeln. Und es gibt im ökumenischen Direktorium auch Kriterien dafür. Das müsste man vielleicht etwas mehr ausbauen und interpretieren. Ich meine schon, da sollte man weitergehen.

Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, vieles ist dringender geworden – doch auch, weil viel Menschen aus der Katholischen Kirche austreten. Mehr als 180.000 waren es im vergangenen Jahr. Welche Reformschritte sehen Sie als notwendig an? Oder wie können diese Leute zurückgeholt werden oder andere davon abgehalten werden, die Kirche zu verlassen?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich glaube, man muss zwei Schienen gehen, einmal sehr konkrete Fragen angehen, wie wir sie gerade besprochen haben, die die Leute jetzt in ihren Lebenssituationen betreffen. Wir müssen aber auch die grundsätzliche Frage stellen: Wie kann man Gott und christliche Botschaft überhaupt in der Welt heut verkünden? Denn diese Probleme hat ja nicht nur die Katholische Kirche, sondern haben die christlichen Kirchen insgesamt. Und das ist eine viel grundsätzlichere Frage, die sich uns stellt, wie Menschen heute überhaupt glauben können, wie sie überhaupt spüren können, dass Glauben eine Lebenshilfe sein kann. Was fehlt mir überhaupt, wenn ich nicht glaube an einen personalen Gott?

Und ich denke, beides muss die Kirche tun. Sie kann nicht sagen, wir müssen erst von Gott reden und dann reden wir über die einzelnen Teile. Wir können aber auch nicht nur bei diesen Einzelheiten bleiben und das Gesamte aus den Augen verlieren. Und das wünschte ich mir eigentlich, dass das in diesem ganzen Dialogprozess der Zeit deutlicher wird, dass das beides zusammengehört.

Deutschlandradio Kultur: Bischof Bode, aber es gibt ja vor allen Dingen aus den Kreisen Ihrer Schäfchen, also der Gläubigen, immer wieder Kritiken auch daran, dass die Katholische Kirche eine überkommene Sexualmoral predige, dass der Zölibat antiquiert sei. Muss da nicht endlich was passieren?

Bischof Franz-Josef Bode: Was die Sexualethik angeht, bin ich sogar froh, dass jetzt mal wieder auch Bücher darüber erscheinen. Es ist lange fast ganz darüber geschwiegen worden, weil man keine richtigen Wege sah. Ich denke, dass wir uns damit befassen müssen unter dem Gesichtspunkt: Was kann Kirche auch positiv zu einer Beziehungskultur beitragen?

Deutschlandradio Kultur: Was kann sie?

Bischof Franz-Josef Bode: Verlässlichkeit, Treue, Werte, die also jetzt einfach von ihr ja hochgehalten werden, auch von der biblischen Botschaft untermauert sind. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist zunächst mal ein hoher Wert, der in unserer Gesellschaft schwer zu leben ist. Deswegen müssen wir nicht immer nur sagen, was man alles nicht darf und kann, sondern auch sagen, was können wir, wenn ich im Glauben verwurzelt bin, wenn ich gemeinsam noch mal auf ein Größeres bezogen bin, gibt das nicht auch etwas für Beziehungen von Menschen her?

Also, wenn ich nicht nur aufeinander fixiert bin, davon zerbrechen ja heute viele Beziehungen, weil sie den anderen Menschen quasi zum Gott machen, zu viel von ihm erwarten und dann ihn am Ende verteufeln, dass dieses gemeinsame auf ein Größeres Schauen, also, dass Glauben im weiten Sinn wirklich auch etwas mit Beziehung zu tun hat und wir nicht so sehr in diese Einzelnormierung hineingehen, sondern in diese Grundhaltungen und Grundwerte, die es in der Beziehung von Menschen eigentlich zu pflegen gilt. Und das, glaub ich, müssten wir meiner Meinung nach klarer und offener und angstfreier sagen.

Deutschlandradio Kultur: Sind diese Grundwerte, ist die Treue einer Ehe, einer Beziehung in Gefahr, wenn Kondome im Spiel sind?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich denke, da geht es darum, wie sie eingesetzt werden und wie ein Ehepaar auch nach seiner ganz persönlichen Gewissensentscheidung handelt. Und ich glaube, das ist eher von den beiden, auf die sich das bezieht, zu entscheiden letztlich, wie sie mit ihrer Sexualität umgehen als wenn wir in diese Einzelheiten hinein das bestimmten. Ich meine, dass wir die Grundwerte eher kommunizieren sollten.

Deutschlandradio Kultur: Viele Menschen haben ja ein Problem mit dem hohen Anspruch an die Sexualmoral, der von der Katholischen Kirche formuliert wird, und den Missbrauchsskandalen, die in den vergangen Jahren aufgedeckt wurden und die doch verstärkt wohl bei der Katholischen Kirche zu finden sind – nicht allein.
Was sehen Sie hier? Ist die Aufarbeitung abgeschlossen mit dem Ende des Runden Tisches? Sind Sie zufrieden, wie die deutsche Bischofskonferenz sich mit diesem Ergebnis zufrieden geäußert hat?

Bischof Franz-Josef Bode: Zunächst mal haben Sie völlig recht, dass das für uns eine ganz besondere Erschütterung ist, weil wir immer in diesem Bereich einen hohen Anspruch gehabt haben und haben und dann eben gerade in diesem Bereich diese Dinge passiert sind. Das ist ein Erschütterung, die darf man sich fast nicht tief genug vorstellen.

Ich bin auch der Meinung, dass so etwas nicht einfach mit ein, zwei Jahren aufgearbeitet ist, eine ganze Geschichte, möchte ich mal sagen. Wir haben wirklich Gutes und Wichtiges getan – mit Leitlinien, mit Fragen der Hilfen für Menschen, die davon betroffen sind, und auch vor allen Dingen in Präventionsfragen.

Überall wird dieses Präventionskonzept ja jetzt auch umgesetzt. Aber das bleibt auch noch unvollständig, wenn wir nicht insgesamt uns fragen, wie wir mit Menschen umgehen, wie wir über sie verfügen – geistig oder wie auch immer. Das ist eine Fragestellung, da hat sich der gesamte Dialogprozess auch raus entwickelt, dass wir auch grundsätzlicher auf Freiheit und auf die Beziehungen achten, dass es nicht falsche Abhängigkeiten gibt und dass also nicht Macht geteilt bleibt und Verantwortung geteilt bleiben, damit nicht ein System entsteht, in dem so etwas gefördert werden kann.

Deutschlandradio Kultur: Herr Bischof Bode, um bei diesem Thema zu bleiben, in den USA haben die katholischen Bischöfe eine Null-Toleranz-Politik eingesetzt gegenüber pädophilen Priestern. Warum hat das die Katholische Kirche Deutschlands nicht gemacht?
Bischof Franz-Josef Bode: Es ist eine ausgesprochen schwierige Frage mit der Frage der Null-Toleranz, denn erstmal ist oft sehr schwer nachzuweisen, wo wirkliche Pädophilie vorliegt. Und wenn sie wirklich als Prägung nachgewiesen ist und vorliegt, dann haben wir die auch nicht wieder eingesetzt. Das ist ganz selbstverständlich. Aber oft bleibt das in einem grauen, graueren Bereich. Es gibt forensische Gutachten, die ganz klar sagen, man kann sie wieder einsetzen, auch psychologische Gutachten, und trotzdem gibt es dann hinterher oft Probleme.

Und die weitere Frage ist, was geschieht denn mit den Tätern? Indem ich nur Null-Toleranz nenne, muss ich auch sagen: Was mache ich denn mit den Menschen weiterhin? Sie sind ja durch die Priesterweihe mit der Kirche eng verbunden. Wir sind weiter verantwortlich. Und da bleibt eine ganze Fragestellung. Wir haben früher oft an Täter und Ansehen der Kirche gedacht, haben jetzt, Gott sei Dank, mehr die Opfer in den Blick genommen, müssen aber jetzt mit einer neuen Weise wieder auf die Täter schauen. Was geschieht denn dann? Denn manchmal geschieht das in einem Bereich, wo das strafrechtlich nicht mehr richtig relevant ist. Und da müssen wir mit moralischen Kategorien rangehen. Das ist eine ausgesprochen schwierige Situation, wie wir damit umgehen. Wenn das immer alles so eindeutig wäre, wie das gesagt wird, wenn die Fälle ganz eindeutig sind, muss man diese Schärfe anwenden. Aber es gibt viele, viele Zwischentöne.

Deutschlandradio Kultur: Aber um doch noch mal zu den Opfern zurückzukommen: Sind die denn wirklich hinreichend entschädigt und hinreichend berücksichtigt?

Bischof Franz-Josef Bode: Ja, ich denke, mit Geld sind sie ohnehin schwer zu entschädigen. Das kann immer nur zeichenhaft sein. Wir haben ja ein Mischkonzept sozusagen entwickelt, was durchaus seine Anerkennung gefunden hat. Und es gibt sehr viele, die jetzt auch eine Hilfe bekommen haben, vor allen Dingen aber auch im therapeutischen Bereich. Und das sind ja auch hohe Summen, die da manchmal notwendig sind.

Ich denke trotzdem, es ist wichtiger, ihnen Gehör und Raum zu geben, diese Geschichten auch wahrzunehmen. Es gibt Leute, die melden sich nach 30, 40 Jahren, weil sie es zum ersten Mal aussprechen wollen. Hier geht’s überhaupt nicht um Entschädigung in diesem Sinn, sondern es geht darum, dass sie das in den Raum der Kirche an offizieller Stelle mitteilen können. Nach meinem Bußakt hier in Osnabrück habe ich einige Briefe bekommen, die niemals darauf aus wären, nach einer Entschädigung, aber einmal wollen, dass die Kirche um diese schrecklichen Dinge weiß. Und da ist jeder einzelne Fall zu viel.

Deutschlandradio Kultur: Bischof Bode, wenn wir über Sexualität, über diese Missbrauchsfälle sprechen, wäre es dann nicht wirklich sinnvoll, eine fruchtbare Debatte richtig anzustoßen über die Abschaffung des Pflichtzölibats? Brauchen wir dazu vielleicht ein drittes vatikanisches Konzil?

Bischof Franz-Josef Bode: Ja. Die Abschaffung des Zölibates hat da nur sehr bedingt mit zu tun, denn wir wissen ja, dass die meisten Missbrauchsfälle eben nicht im zölibatären Bereich geschehen, sondern im familiären Bereich. Also, ich sehe jetzt nicht, warum man deswegen, weil das jetzt passiert ist, sofort den Pflichtzölibat infrage stellen muss.

Deutschlandradio Kultur: Aber einfach, um den Priestern die Möglichkeit zu geben, ihre Sexualität auszuleben, die sie jetzt offenbar auch mit minderjährigen Kindern ausgelebt haben.

Bischof Franz-Josef Bode: Ja. Aber es ist nicht einfach damit ein Zusammenhang hergestellt. Das ist meiner Meinung nach zu einfach. Denn sonst müsste es ja in Familien anders sein. Ich bin eher der Meinung, dass wir über die Lebensform des Priesters und was der Zölibat positiv bedeutet, auch sprechen müssen.

Ich bin nicht dagegen, dass man über den Zölibat diskutieren kann, das ist eine Zusammenfügung von Berufungen, zum Zölibat und zum Priesteramt, die man sicher überdenken kann. Aber wichtiger finde ich, was ist denn das Positive daran, dass ich wirklich auch meine Kräfte, meine Beziehungskräfte einsetzen kann, und zwar ganz und gar für einen Dienst, für den ich wirklich auch brenne, wenn ich das so sagen darf. Vielleicht erleben viele Leute das zu wenig, aber es hat doch auch sehr viel positive Seiten der Zölibat. Deshalb würde ich denn nicht so gern, diese Diskussion darum, die kann meinetwegen sein, aber nicht nur aus der Missbrauchsdebatte.

Deutschlandradio Kultur: Sie persönlich hätten aber nichts gegen eine Abschaffung des Pflichtzölibats, ganz persönlich?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich persönlich finde ihn immer noch für angemessen. Ich hab ihn selbst ja auch gewählt aus drei Gründen, das kann ich ganz schnell sagen: ein mehr vordergründiger, dass ich wirklich die meisten Dinge nicht tun könnte, wenn ich also noch eine Familie hätte, das ist zwar bei anderen Berufen auch, aber es ist schwer zusammenzubringen.

Das Zweite ist, dass Jesus davon gesprochen hat, dass es Ehelose um des Himmelreiches willen gibt. Das kann also keine unvernünftige Lebensform sein. Und das Dritte ist, dass Jesus selber so gelebt hat. Ich möchte als Priester auch das ja darstellen und leben können, wie er gelebt hat. Also, das ist in sich nicht unsinnig, wenn auch nicht zwingend.

Deutschlandradio Kultur: Sie sprachen vom schon vom Dialogprozess und davon, dass die Rolle der Priester vielleicht auch noch mal überdacht werden muss und das Zugehen auf die Menschen. Das heißt auch, dass das Verhältnis zwischen Priestern und Laien zu überdenken ist. Da scheint es aber auch doch gewisse Denkverbote zu geben.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat dazu aufgefordert, doch Frauen auch als Diakoninnen einzusetzen, und bekam eine schnelle Abfuhr vom Sekretär der Bischofskonferenz. Gibt es da Grenzen?

Bischof Franz-Josef Bode: Ja. Das bezog sich ja jetzt auf diese ganz spezielle Frage der Weihe der Diakoninnen. Ich denke, das Miteinander von Priestern und Laien, das ist allerdings nun wirklich notwendig, noch tiefer anzugehen. Da hat das Konzil uns ja theoretisch beste Grundlagen für gegeben – mit gemeinsamem Priestertum des ganzen Volke s Gottes. Ich spreche oft gar nicht mehr so von Priestern und Laien, sondern Getauften, Gefirmten, Beauftragten, Gesendeten, Geweihten. Dann sieht man besser, wie vielfältig auch die Weisen sind, wie man in Kirche zusammenarbeiten kann.

Denn wir werden eine Kirche haben in kurzer Zeit, wo es ganz wenige Priester und ganz wenige Hauptamtliche gibt und, wie es das in vielen Ländern der Welt ja immer schon gibt und lange schon gibt, und wir mit ganz, ganz vielen Charismen und Beauftragungen vor Ort, aus Taufe und Firmung vor allen Dingen auch, leben und das wirklich als einen Wert anzusehen für die ganze Buntheit. Und da kommen natürlich dann die Frage Männer und Frauen ins Spiel. Und ich bin der Meinung, dass man auch den Argumenten bezüglich des Diakonates der Frau auch neu nachgehen sollte.

Deutschlandradio Kultur: Der Film "Die Päpstin" hat ja eindrucksvoll bewiesen, wie Frauen doch auch dieses Amt ausfüllen können. Bischof Bode, ich wollte noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen.

"Wir brauchen auch selbstbewusste Christen, die ihre Botschaft deutlicher als bisher den Menschen verstehbar machen und erklären, die sich für den Andersdenkenden und Andersaussehenden einsetzen und der Entsolidarisierung unserer Gesellschaft beherzt entgegenstellen." Das ist ein Zitat aus der Weihnachtsbotschaft des Zentralrats der Muslime. Geht die Katholische Kirche genug auf die muslimischen Mitbürger zu? Der Bundespräsident hat ja auch gesagt, "der Islam gehört zu Deutschland".

Bischof Franz-Josef Bode: Also, da ist in den letzten Jahren enorm viel geschehen, muss ich sagen. Also, angefangen von so einem äußeren Zeichen, dass wir ja immer zum Ramadan eine Botschaft auch von der Kirche aus, also von der Großkirche, aber auch von den Bischöfen, an die muslimischen Schwestern und Brüder geben, dass es vor Ort enge Kontakte gibt.

Wir haben hier in Osnabrück ja schon lange einen Arbeitskreis der Religionen. Den hab ich schon vorgefunden, als ich kam. Wir haben gegenseitige Besuche. Die sind schon bei mir im Dom, bei uns im Dom gewesen. Ich habe ihnen den Dom gezeigt. Umgekehrt waren wir, war ich in mehreren Moscheen.

Wir haben auch durchaus nicht nur freundliche Besuche gemacht, sondern auch inhaltlich etwas angestoßen, was natürlich schwieriger ist. Also, das ist vielleicht doch etwas, was weiter gehen muss, dass wir uns kennenlernen erst mal, das ist sehr wichtig, und auch Vorurteile abbauen, nicht einfach den Islam mit Islamismus und Fundamentalismus allein verwechseln, sondern es gibt ja auch eine hohe spirituelle Kraft im Islam, und dass wir da aber auch auf inhaltliche Fragen kommen.

Das ist deshalb nicht immer einfach, weil der Islam uns ganz vielgesichtig gegenübersteht, sodass man ja gar nicht mit einer ganz bestimmten Richtung sich allein beschäftigen kann. Wenn Sie sich auf die eine einlassen, hat die andere schon manchmal Schwierigkeiten. Und das macht das Gespräch nicht leichter, aber ich denke, dass wir in den letzten Jahren da, und das haben doch auch die Besuche des Papstes, etwa in Istanbul in der Moschee, uns so gezeigt, enorm viel getan haben.

Und ich meine, dass im Dialog der Religionen dann auch nicht das Judentum vergessen werden darf. Denn da haben wir noch engere Beziehungen. Und das darf man meiner Meinung nicht auf eine Stufe auch setzen, Islam und Judentum. Das sind unsere Wurzeln. Das sind unsere älteren Brüder und Schwestern. Und da muss dann auch gesehen werden, dass man mit beiden ein gutes Verhältnis findet, ja vielleicht sogar in einen gewissen Trialog auch eintritt.

Deutschlandradio Kultur: Islamische Studien werden jetzt an deutschen Universitäten verankert. Islamischer Religionsunterricht wird in Nordrhein-Westfalen demnächst reguläres Schulfach. Ist das für Sie ein Grund zur Freude oder haben Sie Angst, dass Muslime irgendwann auch Katholiken missionieren könnten?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich finde es erstmal gut, dass es so ist, dass es den Unterricht gibt. Der muss aber dann so verantwortet sein, wie wir es beim katholischen Unterricht auch haben, also eine Mischung von Religionsgemeinschaft und Staat. Das heißt also, es muss in Deutsch geschehen. Es muss nach den Prinzipien unseres Landes geschehen. Und es müssen die Inhalte ganz klar dargestellt werden. Und das holt ja die Ausbildung der jungen Muslime eben auch mehr in eine Öffentlichkeit hinein. Und das ist ein Vorteil. Wenn das wahrgenommen wird, dass das notwendig ist, dass Menschen auch eine religiöse Bildung bekommen, und zwar auch speziell in ihrer Religion, hebt das auch den Wert des Religionsunterrichts insgesamt.

Und ich bin wohl der Meinung, dass jede Religion auch ihre wirklichen Spezifika da einbringen kann und dass das nicht nachher irgendwie ein allgemeiner Unterricht der Religionskunde wird. Das ist ja eine Gefahr, die da drin steckt. Aber zunächst mal ist es positiv. Wir haben sogar in unserer eigenen, also in einer katholischen Hauptschule in Papenburg, muslimischen Religionsunterricht, weil das eine Regelschule da vor Ort ist und wir für die muslimischen Schüler sonst Werte und Normen anbieten müssten, haben wir islamischen Religionsunterricht. Und das ist gut, dass man das gegenseitig kennenlernt.

Deutschlandradio Kultur: Bischof Bode, wenn einer Wasser predigt und Wein trinkt, wie es ja offenbar der Bundespräsident – noch als Ministerpräsident, muss man fairerweise sagen – getan hat, hat er dann überhaupt noch den moralischen Anspruch, um im Amt zu bleiben?

Bischof Franz-Josef Bode: Ja, es ist ein hoher Anspruch von Glaubwürdigkeit heute gestellt in der Öffentlichkeit. Das kann aber auch manchmal so überdreht werden, als wenn ein Mensch nicht auch Fehler haben dürfte, auch wenn er in einem hohen Amt ist. Und es wird dann manchmal eine Moralität auch so herausgestellt, dass man ja fast wiederum die Barmherzigkeit vergisst, die man ja oft von der Kirche auch verlangt.

Ich glaube, dass wir uns alle bemühen müssen, auch Vorbilder zu sein, aber auch immer unter den Voraussetzungen, dass wir Menschen bleiben und dass wir wirklich, denk ich mal, sehr differenziert damit umgehen. Mit Schlagworten und mit Vorverurteilung und schnellen Schüssen ist da nicht viel getan.

Deutschlandradio Kultur: Also, noch keine Gründe zum Rücktritt für Herrn Wulff?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich täte mich schwer damit.

Deutschlandradio Kultur: "Habemus Papam" ist ja ein Film, wo Michel Piccoli in der Rolle des Papstes ausbüchst. Ein Papst büchst aus. Haben Sie als Bischof manchmal auch so das Bedürfnis, ausbüchsen zu wollen?

Bischof Franz-Josef Bode: Ich werde oft von jungen Leuten danach gefragt. Macht das immer Spaß oder möchten Sie nicht mal was anderes sein? Und ich sage ihnen, es gibt keinen Beruf, der immer Spaß macht. Und manchmal möchte ich auch privater sein. Ein solcher Beruf entprivatisiert ein ganzes Stück. Aber ich muss sagen, ich hab so viel Freude an meinem Beruf, ich bin jetzt 20 Jahre Bischof, dass ich solche Versuchungen, da völlig rauszugehen, bisher nicht gehabt habe.
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