Wissen ist Macht

Rezensiert von Uwe Bork · 04.01.2009
Was Lars Reppesgaard über "Das Google-Imperium" ausbreitet, ist beunruhigend. Es hat durchaus das Potenzial, wohlmeinende Nutzer der Suchmaschine zu verstören. Zugleich forderte der Autor zu einem begrenzten "Abschied vom Planeten Google" auf.
Er könnte sich manchmal etwas kürzer fassen, - aber schreiben kann er, der gebürtige Norweger und jetzige Wahl-Hamburger Lars Reppesgaard. Und recherchieren kann er auch. Beides kommt den Lesern seines Reports über den kalifornischen Suchmaschinen-Giganten Google zugute, dem er den Satz vorangestellt hat: "Google kennt dich besser, als du denkst."

In der Tat:
"Für die Googler ist klar: Alles was es auf der Welt an Informationen gibt, kann und sollte indexiert und öffentlich zugänglich gemacht werden – egal, ob es sich um Warenkataloge von Onlineshops, Tagebucheinträge in sozialen Onlinenetzwerken oder die Zusammensetzung von Gensträngen handelt. (...) Im Juni 1999 verkündete Sergey Brin in der ersten jemals von Google veröffentlichten Presseerklärung: "Eine perfekte Suchmaschine wird alle Informationen auf der Welt verarbeiten und verstehen. Das ist die Richtung, in der Google sich entwickelt." Als ein Reporter des amerikanischen Magazins 'Red Herring' ihn drei Jahre später fragte, wie die perfekte Suchmaschine aussehen würde, antwortete er: "Sie wäre wie der Geist Gottes. Sie wüsste genau, was du willst." (S. 53)
Nun mag es bis zur Gottesgleichheit von Google noch ein Weilchen dauern, was Reppesgaard auf 280 Seiten an Fakten und Einschätzungen über das mittlerweile milliardenschwere Unternehmen ausbreitet, ist beunruhigend genug. Der Inhalt von Reppesgaards Buch hat durchaus das Potential, wohlmeinende Internetnutzer zu verstören, die in Google bisher vor allem den freundlichen Führer zu den vielfältigen Sehenswürdigkeiten des World Wide Webs sahen.

Google lässt heute mehr Computer für sich rechnen als jedes andere Unternehmen auf der Welt: Nach seriösen Schätzungen sind es bereits mehr als eine Million handelsüblicher PCs. Alle drei Monate kommen 100.000 weitere hinzu, anders wären die Datenmengen gar nicht mehr zu verarbeiten, die in Googles inzwischen weltweit verteilten Rechenzentren tagtäglich auflaufen. Es ist offensichtlich: Google - selbst erst zehn Jahre alt - hat in dieser kurzen Zeit das Verhalten und die Erwartungen von Milliarden von Menschen grundlegend verändert, soweit es den Zugang zu und den Umgang mit Informationen betrifft. Und es ist damit selbst zum legitimen Objekt der Wissbegierde geworden.

Wissen ist Macht. Das gilt für die Google-Nutzer ebenso wie für die Google-Betreiber. Die wissen inzwischen nämlich weit mehr über uns, als sich mancher träumen lässt, der nur mal eben eine unverfängliche Suchanfrage losschickt:

"Was Google über den Einzelnen erfahren würde, wenn sich jemand die Mühe machte, all die Datenfragmente zusammenzuführen, wäre wesentlich genauer als irgendein Profil, das ein anderes Unternehmen oder eine Behörde zusammenstellen könnte. Würden diese Daten an andere Firmen weiterverkauft oder auf anderem Weg in falsche Hände geraten, könnten die Folgen für den Einzelnen fatal sein. Wer als Insider den Google-Index durchkämmt, kann aus den Mosaiksteinen leicht ermitteln, welche reale Person hinter einer Cookie-ID steckt, schon allein, weil viele Menschen aus Neugier nach sich selbst googeln. (...) Wer solche Informationen zusammenträgt, wird bei der Mehrzahl der Google-Nutzer wenig Verwertbares finden. Bei einigen aber wird deutlich werden, wo ihre Schwächen liegen, ob sie Sorgen, Gesundheits- oder Suchtprobleme, Schulden oder geheime Leidenschaften haben, ihre Partner betrügen oder ihre Chefs hintergehen." (S. 250f)

Es bedarf keiner übergroßen Phantasie, um sich auszumalen, was mit den persönlichen Daten argloser Surfer, mit den Informationen über ihre Vorlieben und Abneigungen passieren könnte, wenn sie in falsche Hände kämen.

Lars Reppesgaard behauptet nicht, dass die Google-Betreiber irgendwann einmal der dunklen Seite der Macht erliegen werden. Nach den jüngsten Datenpannen etwa bei der Deutschen Telekom kann und will er allerdings auch nicht ausschließen, dass solches ebenso bei dem Unternehmen vorkommen kann, das sich selbst die Management-Direktive verordnet hat "Don't be evil!", frei übersetzt: Tu nichts Schlechtes!

Sein Fazit:
"Für das, was auf dem Spiel steht, ist ein Versprechen nicht ausreichend.
In anderen Bereichen der Wirtschaft ist es aus gutem Grund gängige Praxis, dass sich die Gesellschaft nicht allein auf den erklärten Willen eines Unternehmens verlassen muss. Niemand würde auf die Idee kommen, dass es ausreicht, wenn der Betreiber eines Atomkraftwerks oder einer Chemieanlage verspricht, sein Möglichstes zu tun, damit es zu keinem Störfall kommt." (S. 252)

Den jüngsten Störfall hat die globale Gesellschaft noch längst nicht überwunden: Dieses Mal hat er die Finanzmärkte betroffen und für die Staaten wurde er so teuer wie noch nie. Es gibt keine Gewähr, dass ähnliches nicht auch auf dem Markt der Informationen geschehen könnte.

Lars Reppesgaard warnt vor den Gefahren eines Monopols auf diesem Markt und er fordert auf zu einem begrenzten "Abschied vom Planeten Google", selbst wenn das gewisse Unbequemlichkeiten bedeuten dürfte. Der Ratschlag, nicht alle Eier in einem einzigen Korb zu versammeln, stammt zwar aus weit vor-digitalen Zeiten, falsch ist er deswegen auch heute aber noch lange nicht.

Lars Reppesgaard: Das Google-Imperium
Murmann-Verlag, Hamburg 2008
Cover: "Lars Reppesgaard: Das Google-Imperium"
Cover: "Lars Reppesgaard: Das Google-Imperium"© Murmann-Verlag