Rechtsruck in der US-Arbeiterschaft

Da hilft nur echte Empathie!

Ein Mann trägt in der Tasche einer Jeansjacke während einer Kundgebung für den republikanischen Kandidaten für das Amt des Gouverneurs von Pennsylvania, Doug Mastriano, einen gefälschten Geldschein, auf dem der ehemalige Präsident Donald Trump abgebildet ist.
Die Glaubwürdigkeit der Demokraten, ehedem die „Party of the Working Man“, ist geschwächt. Das haben sie auch selbst zu verantworten, meint Max Paul Friedman. © Getty Images / Mark Makela
Ein Kommentar von Max Paul Friedman · 19.12.2022
Die Basis in der Arbeiterklasse von Mitte-Links-Parteien erodiert. Die wählt inzwischen häufig rechts, auch in den USA. Historiker Max Paul Friedman rät den Demokraten, zu einer an wirtschaftlicher Solidarität ausgerichteten Politik zurückzukehren.
Überall in der westlichen Welt leiden Arbeiter unter Abstiegsängsten – und unter der Angst, kulturell mehr und mehr abgehängt zu werden, heißt es. Für weiße Amerikaner ohne Hochschulabschluss ist der Abstieg allerdings real. Unter ihnen haben sich die „Todesfälle aus Verzweiflung“ durch Selbstmord oder Drogen und Alkohol seit den 70er-Jahren verdreifacht – zu einer Zeit, in der ihre Fabriken geschlossen wurden, während die Reichen viel reicher wurden.
Die Glaubwürdigkeit der Demokraten, ehedem die „Party of the Working Man“, ist geschwächt. Das haben sie auch selbst zu verantworten: Bill Clintons Begeisterung für den Neoliberalismus und die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland entfremdete viele Arbeiter von den Demokraten.

Republikaner verstärken Ressentiments

Inzwischen wählen zwei Drittel der weißen US-Amerikaner ohne Hochschulabschluss die Republikaner. Wirtschaftlich hat diese Partei ihnen nichts zu bieten. Doch geschickt bedienen und verstärken die Republikaner rassistische und fremdenfeindliche Ressentiments: dass ethnische Minderheiten und Einwanderer den Weißen die Arbeitsplätze wegnähmen, dass sie kriminell oder faule Sozialhilfeempfänger seien.
Eine vergleichbare Entwicklung findet derzeit in vielen Ländern statt und hier wie dort sehen sich linke und Mitte-Links-Parteien vor die Frage gestellt, wie sie die Arbeiter zurückgewinnen können: Sollen sie deren Ressentiments entgegenkommen?
Ich meine: Fakten sollten zählen. Menschen, die in Amerika geboren wurden, begehen häufiger Verbrechen als Einwanderer. Das weiße, trumpistische West Virginia hat gemessen an der Einwohnerzahl weitaus mehr Sozialhilfeempfänger als Kalifornien oder New York. Aber ein verzweifelter Bauarbeiter, der seine Nachrichten vom Sender Fox News bekommt, erkennt nicht, dass seine finanzielle Not in Wirklichkeit von großen Unternehmen verursacht wurde, und von Regierungen, die diesen erlaubt haben, die Löhne zu drücken.

Gewinne in Vorstandsgehälter verschoben

Von der Nachkriegszeit bis in die 70er-Jahre haben Lohnerhöhungen stets mit der Produktivitätsentwicklung Schritt gehalten. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität ermöglichte beides, steigende Gewinne und steigende Löhne. Seitdem haben politische Entscheidungen über Steuern, Arbeitsrecht und Deregulierung die Produktivitätsgewinne fast vollständig in Unternehmensgewinne und Vorstandsgehälter verschoben.
Aber der Bauarbeiter sieht nur, dass der Salvadorianer, der vor dem Baumarkt herumsteht, seine Arbeit für die Hälfte erledigen wird. Er weiß nicht, dass Demokraten Gesetzentwürfe einbringen, um Arbeitgeber zu bestrafen, die Arbeiter ohne Papiere einstellen, Gewerkschaften zu stärken, und um mehr legale Einwanderung zuzulassen, die Menschen aus der Schwarzarbeit in reguläre Beschäftigung bringt. Oder dass die Demokraten versuchen, den Mindestlohn für alle anzuheben – den die Republikaner bei 7 Euro die Stunde halten.

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Aber für die Menschen zählen Geschichten genauso viel wie Fakten. Geschichtenerzähler auch. Bernie Sanders und Senator John Fetterman, der neulich die Wahl in Pennsylvania gewann, sind Musterbeispiele für glaubwürdige Kandidaten mit persönlicher Authentizität, die unverhohlen linke Politik machen. Wenn die Demokraten Arbeiter zurückgewinnen wollen, brauchen sie Kandidaten, die sie nicht als „deplorables“ oder bedauernswert ansehen oder die Sündenböcke suchen, sondern echte Empathie empfinden – und die für eine Rückkehr des Solidaritätsprinzips in der Gesellschaft eintreten.

Max Paul Friedman ist Professor für Geschichte und Internationale Beziehungen an der American University in Washington. Sein Buch „Rethinking Anti-Americanism“ ("Antiamerikanismus umdenken") erschien bei Cambridge University Press.

Der Historiker Max Paul Friedman
© American University / Jeff Watts
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