Wilmut erhält Paul-Ehrlich-Preis zu Recht
Nach Meinung des Leiters des Ethikzentrums an der Universität Jena und Inhabers des Lehrstuhls für angewandte Ethik, Nikolaus Knoepfler, erhält der schottische Forscher Ian Wilmut den renommierten Ehrlich-Preis zu Recht. Mit dem Beweis, dass man auch Säugetiere klonen kann, habe er eine bahnbrechende Forschungsarbeit geleistet.
Kassel: Guten Morgen, Professor Knoepfler.
Knoepfler: Guten Morgen, Herr Kassel.
Kassel: Aus Ihrer Sicht, bekommt denn Ian Wilmut den Preis zu Recht?
Knoepfler: Aus meiner Sicht bekommt Ian Wilmut den Preis zu Recht, denn er bekommt ihn ja für eine bahnbrechende Forschungsarbeit im Bereich tierischer Klonierung. Er hat einfach eben, wie im Beitrag schon gesagt wurde, gezeigt, dass etwas, was Generationen für unmöglich hielten, eben möglich ist: dass man auch Säugetiere klonen kann.
Kassel: Das hielten nicht nur Generationen für unmöglich, sondern auch für nicht wünschenswert. Teilen Sie diese Ansicht?
Knoepfler: Ich weiß nicht, ob im Blick auf Tiere tatsächlich Generationen das für nicht wünschenswert hielten? Diese Meinung teile ich eigentlich nicht. Ich wüsste jetzt nicht aus der Presse, dass es einen großen Aufschrei gegeben hat, als die ersten Frösche geklont wurden oder, was ja in der Pflanzenwelt ganz üblich ist, dass hier geklont wird. Sondern ich denke, die großen moralischen Bedenken sind einfach im Blick auf den Menschen und das Klonen des Menschen. Dafür hat ja Ian Wilmut keinen Preis bekommen, sondern eben, wie gesagt, für etwas ganz anderes, was ich tatsächlich auch für naturwissenschaftlich bahnbrechend halte.
Kassel: Nun lautet ja auch die Kritik an dieser Preisvergabe, da gibt es nun 100.000 Euro, über 40.000 davon kommen von einem Bundesministerium und inzwischen, das ist ja klar, ist Ian Wilmut unter anderem mit Forschungen beschäftigt, die in Großbritannien erlaubt sind, und es bei uns nicht wären. Teilen Sie die Ansicht, dass das eine heikle Geschichte ist?
Knoepfler: Ich denke, dass es insofern eine heikle Geschichte ist, als man sich fragen kann, wofür wird er dieses Geld ausgeben. Nun muss man aber eben, was ja auch wiederum anklang, ganz klar wissen, dass in Großbritannien das erlaubt ist und dass auch die große Kirche in Schottland, die Church of Scotland, was das Klonen angeht, eine ganz andere Einstellung hat als beispielsweise die deutschen Kirchen und die deutsche Gesellschaft. Das heißt, die britische Gesellschaft hat hier eine andere Einstellung. Trotzdem, wenn ein deutsches Ministerium das tut, hat es etwas, was man heikel nennen kann.
Kassel: Nun müssen wir die Gesetzeslage noch mal deutlich klären und bitte auch bewerten. Was in Deutschland verboten ist, ist die Forschung an embryonalen Stammzellen bis auf wenige Ausnahmen, wo Importe erlaubt sind. Aber man darf nicht an aus Deutschland stammenden Stammzellen forschen, in England ist das anders. Wer hat da das falsche Gesetz? Deutschland oder Großbritannien?
Knoepfler: Das ist jetzt eine ganz schwierige Frage. Sagen wir so: Die unterschiedlichen Gesetze, die beide nach einer ganz hitzigen und ernsthaft geführten Debatte, genauso in Großbritannien wie in Deutschland, verabschiedet wurden, sind konträr, entweder man darf Klonen mit therapeutischer Zielsetzung oder man darf es eben, wie in Deutschland, nicht. Ich mache es jetzt mit einer Fallunterscheidung, wenn jemand davon überzeugt ist oder auch ein Land davon überzeugt ist, dass der frühe Embryo noch kein Mensch ist, weil eben noch keine neuronale Tätigkeit da ist, weil er zum Beispiel im Verhältnis, wenn man Hirntot anschaut, noch gar nicht das hat, was ein Individuum auszeichnet, wenigstens in dieser frühen Phase, die endet ja mit der Nidation, da bildet sich dann schon sozusagen die erste neuronale Tätigkeit mit der Neuralplatte, wenigstens Vorformen davon. Wenn man sagt, in diesen 14 Tagen ist es nicht so, dann kann man so etwas, wenn hochwertige Güter da sind, für sinnvoll halten. Das ist sozusagen die britische Einstellung. Das deutsche Embryonenschutzgesetz ist ja ein Strafgesetz, das heißt, es hat erst mal im Gesetz selber keine moralischen Begründungen. Es ist ja interessant, dass das Bundesverfassungsgericht dazu bisher kein Urteil gefällt hat. Alle Urteile des Bundesverfassungsgerichts, nach eigener Aussage des Bundesverfassungsgerichts betreffen den Zustand des menschlichen Embryos während der Schwangerschaft, also nach der Nidation, deswegen hat ja auch das Schwangerschaftsgesetz keine Einwirkungen auf Frühabtreibungen, also vor der Nidation, - die Pille danach ist in Deutschland weder rechtswidrig noch strafbewährt. Insofern hat Deutschland hier, sagen wir, noch eine viel offenere Position, als man nach dem Strafgesetz meinen könnte in der moralischen Begründung. Deswegen gibt es, meine ich, auch gute moralische Gründe, warum die britische Regelung so gefallen ist wie sie gefallen ist.
Kassel: Sehen Sie diese moralischen Gründe eher im positiven Zweck? Also, die embryonale Stammzellenforschung, über die wir sprechen, dient ja medizinischen Zwecken, das heißt, die soll möglichst bald dazu führen, dass Krankheiten, die bisher nicht gut behandelbar und nicht heilbar sind, geheilt werden können. Sehen Sie die Rechtfertigung für zum Beispiel auch das britische Gesetz, es gibt ja solche Gesetze auch in anderen Ländern, im Zweck oder ist es eher doch die große Frage, wer hat Recht in der Beurteilung, wann ist ein Mensch ein Mensch?
Knoepfler: Ich sage so, wenn man der Überzeugung ist, dass der Mensch beginnt mit der Vereinigung des Erbgutes von Ei- und Samenzelle, also praktisch mit Abschluss des Befruchtungsvorgangs, dann rechtfertigt auch der hochstehendste Zweck nicht die Tötung menschlicher Embryonen. Das ist, denke ich, moralisch wirklich klar. Wenn das ein Mensch ist, dann darf ich ihn nicht töten, auch wenn ich damit vielleicht einen anderen retten könnte. Das ist jedenfalls auch der Konsens der Weltgemeinschaft, den sie aufgrund der nationalsozialistischen Barbarei mit der Menschenrechtserklärung 48 und der Charta 45 verabschiedet hat: Wir opfern keine Menschen, um andere Menschen zu retten, das tun wir nicht, oder sagen wir, das ist auf jeden Fall unser moralischer Imperativ: Das wollen wir nicht! Die Position von Ian Wilmut ist eine andere, er sagt, das ist eben noch kein Mensch wie du und ich. Diesem Keim, diesem frühen Embryo kommt noch keine Menschenwürde zu, er hat noch keinen Subjektstatus, er ist noch nicht ein Gleicher. Wenn man dann sagt, er ist zwar trotzdem etwas Wertvolles, aber die Ziele sind auch wertvoll, dann hat man eine Güterabwägung, und die hat nun Großbritannien und in dem Fall auch er selber so vorgenommen, dass er sagt, in der Güterabwägung, mit den Zielen ist es rechtfertigbar, einen frühen Embryo zu verbrauchen, weil er eben noch kein Mensch ist wie du und ich. Darüber geht eben wirklich durch Kirchen der weltanschauliche Streit.
Kassel: Das ist vielleicht auch das Stichwort jetzt: der weltanschauliche Streit. Wenn wir sehen, dass es schon unterschiedliche Ansichten dazu in zwei kulturell doch sehr verwandten Ländern wie Großbritannien und Deutschland gibt, wird es denn je eine weltweite Einigung geben? Denn das scheint mir doch eher eine kulturelle und keine wissenschaftliche Frage zu sein: Ab wann ist eine Eizelle, ist ein Embryo wirklich ein Mensch?
Knoepfler: Ich darf vielleicht vom 8. Juli den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zitieren. Der hat mit 14 zu drei Stimmen geurteilt, dass die Entscheidung darüber, ab welchem Zeitpunkt das menschliche Leben beginnt, im Ermessensspielraum der einzelnen Staaten liegt. Wenn also schon der Europäische Menschenrechtsgerichtshof so urteilt, dann ist es klar, dass wir weltweit praktisch nur den Konsens erst haben, nach der Geburt. Das, was in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen steht, alle Menschen sind gleich geboren. Also, allen Menschen kommt die Menschenwürde zu mit der Geburt. Was davor ist, das wollte man damals nicht entscheiden, weil wirklich hier die Kulturen ganz unterschiedliche Überzeugungen haben. Das beste Beispiel ist Israel. Israel erlaubt Stammzellforschung, Israel erlaubt verbrauchende Embryonenforschung, weil eben nach der überwiegenden Mehrheit jüdischer Theologen eben der frühe menschliche Embryo noch kein Mensch ist wie du und ich.
Kassel: Nun haben viele aber auch noch eine ganz andere Angst. Das, worüber wir jetzt die ganz Zeit gesprochen haben, ist ja das therapeutische Klonen, also zu medizinischen Zwecken. Viele Menschen glauben, wenn das therapeutische Klonen weiter fortschreitet, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum reproduktiven Klonen, also bis zum Schaffen ganzer menschlicher Wesen, je nach Geschmack? Ist das eine berechtigte Angst?
Knoepfler: Ich muss so sagen, dieser frühe menschliche Embryo ist acht Tage alt, vielleicht zwölf Tage alt. Ein geborener Mensch hat eine Entwicklung von neun Monaten hinter sich, da passiert so unglaublich viel, was ja eben auch das Schaf Dolly so gut zeigt. Wie ungeheuer viele Versuche, über 200 brauchte man, damit es bei einem so weit gekommen ist. Auch was die südkoreanischen Forscher gezeigt haben, dass es überhaupt klappt, bis zum achten, zehnten Tag zu kommen, braucht man schon so einen Aufwand. Das heißt, wenn ich etwas bis zum 14. Tag, also einen menschlichen Embryo bis zum 14. Tag bringe, dann heißt das noch lange nicht, dass er den 20. Tag überlebt. Genau diese Forschung, hier denke ich, tut die Weltgemeinschaft sehr gut daran, dass sie sagt, ab dem 14. Tag oder sagen wir, in dem Moment, wo das ein individuelles Lebewesen ist, wo keine Zwillinge mehr passieren können, wo man praktisch sagen muss, hier beginnt eine neuronale Entwicklung, dass sie da sagen würden, und da hören wir auf. In dem Moment, wo man da aufhört, fehlen über acht Monate Entwicklungszeit, die man aber bräuchte, um wirklich reproduktives Klonen an einen Punkt zu bringen, dass es überhaupt eine echte Möglichkeit ist. Insofern denke ich, die Angst ist zumindest im Blick auf seriöse Wissenschaftler nicht berechtigt, aber es ist eben tatsächlich so, wenn die Dinge mal publiziert sind und wenn es, ich sage es jetzt mal mit einem schlechten Begriff, aber wenn es solche Staaten gäbe, die einfach alles erlauben, und es Forscher gibt, die sozusagen keine moralischen Skrupel haben, dann ist es natürlich möglich, dass da jemand einfach Experimente an Menschen macht. Nur sollte man wissen, dass die Weltgemeinschaft Experimente an Menschen, die auch heute möglich sind, wenn sie gefährliche Experimente sind, weltweit ächtet. Man könnte das ja auch tun, man könnte auch in Deutschland einfach ganz schlimme Experimente mit geborenen Menschen machen, das wäre machbar, aber das tun wir nicht, da haben wir einfach ein moralisches Ethos, das sagt: Nein, das tun wir nicht. Insofern, das ist meine große Hoffnung und auch meine wirkliche Überzeugung, deswegen wird das reproduktive Klonen einfach nicht kommen.
Kassel: Herzlichen Dank: Das war Professor Nikolaus Knoepfler.
Knoepfler: Guten Morgen, Herr Kassel.
Kassel: Aus Ihrer Sicht, bekommt denn Ian Wilmut den Preis zu Recht?
Knoepfler: Aus meiner Sicht bekommt Ian Wilmut den Preis zu Recht, denn er bekommt ihn ja für eine bahnbrechende Forschungsarbeit im Bereich tierischer Klonierung. Er hat einfach eben, wie im Beitrag schon gesagt wurde, gezeigt, dass etwas, was Generationen für unmöglich hielten, eben möglich ist: dass man auch Säugetiere klonen kann.
Kassel: Das hielten nicht nur Generationen für unmöglich, sondern auch für nicht wünschenswert. Teilen Sie diese Ansicht?
Knoepfler: Ich weiß nicht, ob im Blick auf Tiere tatsächlich Generationen das für nicht wünschenswert hielten? Diese Meinung teile ich eigentlich nicht. Ich wüsste jetzt nicht aus der Presse, dass es einen großen Aufschrei gegeben hat, als die ersten Frösche geklont wurden oder, was ja in der Pflanzenwelt ganz üblich ist, dass hier geklont wird. Sondern ich denke, die großen moralischen Bedenken sind einfach im Blick auf den Menschen und das Klonen des Menschen. Dafür hat ja Ian Wilmut keinen Preis bekommen, sondern eben, wie gesagt, für etwas ganz anderes, was ich tatsächlich auch für naturwissenschaftlich bahnbrechend halte.
Kassel: Nun lautet ja auch die Kritik an dieser Preisvergabe, da gibt es nun 100.000 Euro, über 40.000 davon kommen von einem Bundesministerium und inzwischen, das ist ja klar, ist Ian Wilmut unter anderem mit Forschungen beschäftigt, die in Großbritannien erlaubt sind, und es bei uns nicht wären. Teilen Sie die Ansicht, dass das eine heikle Geschichte ist?
Knoepfler: Ich denke, dass es insofern eine heikle Geschichte ist, als man sich fragen kann, wofür wird er dieses Geld ausgeben. Nun muss man aber eben, was ja auch wiederum anklang, ganz klar wissen, dass in Großbritannien das erlaubt ist und dass auch die große Kirche in Schottland, die Church of Scotland, was das Klonen angeht, eine ganz andere Einstellung hat als beispielsweise die deutschen Kirchen und die deutsche Gesellschaft. Das heißt, die britische Gesellschaft hat hier eine andere Einstellung. Trotzdem, wenn ein deutsches Ministerium das tut, hat es etwas, was man heikel nennen kann.
Kassel: Nun müssen wir die Gesetzeslage noch mal deutlich klären und bitte auch bewerten. Was in Deutschland verboten ist, ist die Forschung an embryonalen Stammzellen bis auf wenige Ausnahmen, wo Importe erlaubt sind. Aber man darf nicht an aus Deutschland stammenden Stammzellen forschen, in England ist das anders. Wer hat da das falsche Gesetz? Deutschland oder Großbritannien?
Knoepfler: Das ist jetzt eine ganz schwierige Frage. Sagen wir so: Die unterschiedlichen Gesetze, die beide nach einer ganz hitzigen und ernsthaft geführten Debatte, genauso in Großbritannien wie in Deutschland, verabschiedet wurden, sind konträr, entweder man darf Klonen mit therapeutischer Zielsetzung oder man darf es eben, wie in Deutschland, nicht. Ich mache es jetzt mit einer Fallunterscheidung, wenn jemand davon überzeugt ist oder auch ein Land davon überzeugt ist, dass der frühe Embryo noch kein Mensch ist, weil eben noch keine neuronale Tätigkeit da ist, weil er zum Beispiel im Verhältnis, wenn man Hirntot anschaut, noch gar nicht das hat, was ein Individuum auszeichnet, wenigstens in dieser frühen Phase, die endet ja mit der Nidation, da bildet sich dann schon sozusagen die erste neuronale Tätigkeit mit der Neuralplatte, wenigstens Vorformen davon. Wenn man sagt, in diesen 14 Tagen ist es nicht so, dann kann man so etwas, wenn hochwertige Güter da sind, für sinnvoll halten. Das ist sozusagen die britische Einstellung. Das deutsche Embryonenschutzgesetz ist ja ein Strafgesetz, das heißt, es hat erst mal im Gesetz selber keine moralischen Begründungen. Es ist ja interessant, dass das Bundesverfassungsgericht dazu bisher kein Urteil gefällt hat. Alle Urteile des Bundesverfassungsgerichts, nach eigener Aussage des Bundesverfassungsgerichts betreffen den Zustand des menschlichen Embryos während der Schwangerschaft, also nach der Nidation, deswegen hat ja auch das Schwangerschaftsgesetz keine Einwirkungen auf Frühabtreibungen, also vor der Nidation, - die Pille danach ist in Deutschland weder rechtswidrig noch strafbewährt. Insofern hat Deutschland hier, sagen wir, noch eine viel offenere Position, als man nach dem Strafgesetz meinen könnte in der moralischen Begründung. Deswegen gibt es, meine ich, auch gute moralische Gründe, warum die britische Regelung so gefallen ist wie sie gefallen ist.
Kassel: Sehen Sie diese moralischen Gründe eher im positiven Zweck? Also, die embryonale Stammzellenforschung, über die wir sprechen, dient ja medizinischen Zwecken, das heißt, die soll möglichst bald dazu führen, dass Krankheiten, die bisher nicht gut behandelbar und nicht heilbar sind, geheilt werden können. Sehen Sie die Rechtfertigung für zum Beispiel auch das britische Gesetz, es gibt ja solche Gesetze auch in anderen Ländern, im Zweck oder ist es eher doch die große Frage, wer hat Recht in der Beurteilung, wann ist ein Mensch ein Mensch?
Knoepfler: Ich sage so, wenn man der Überzeugung ist, dass der Mensch beginnt mit der Vereinigung des Erbgutes von Ei- und Samenzelle, also praktisch mit Abschluss des Befruchtungsvorgangs, dann rechtfertigt auch der hochstehendste Zweck nicht die Tötung menschlicher Embryonen. Das ist, denke ich, moralisch wirklich klar. Wenn das ein Mensch ist, dann darf ich ihn nicht töten, auch wenn ich damit vielleicht einen anderen retten könnte. Das ist jedenfalls auch der Konsens der Weltgemeinschaft, den sie aufgrund der nationalsozialistischen Barbarei mit der Menschenrechtserklärung 48 und der Charta 45 verabschiedet hat: Wir opfern keine Menschen, um andere Menschen zu retten, das tun wir nicht, oder sagen wir, das ist auf jeden Fall unser moralischer Imperativ: Das wollen wir nicht! Die Position von Ian Wilmut ist eine andere, er sagt, das ist eben noch kein Mensch wie du und ich. Diesem Keim, diesem frühen Embryo kommt noch keine Menschenwürde zu, er hat noch keinen Subjektstatus, er ist noch nicht ein Gleicher. Wenn man dann sagt, er ist zwar trotzdem etwas Wertvolles, aber die Ziele sind auch wertvoll, dann hat man eine Güterabwägung, und die hat nun Großbritannien und in dem Fall auch er selber so vorgenommen, dass er sagt, in der Güterabwägung, mit den Zielen ist es rechtfertigbar, einen frühen Embryo zu verbrauchen, weil er eben noch kein Mensch ist wie du und ich. Darüber geht eben wirklich durch Kirchen der weltanschauliche Streit.
Kassel: Das ist vielleicht auch das Stichwort jetzt: der weltanschauliche Streit. Wenn wir sehen, dass es schon unterschiedliche Ansichten dazu in zwei kulturell doch sehr verwandten Ländern wie Großbritannien und Deutschland gibt, wird es denn je eine weltweite Einigung geben? Denn das scheint mir doch eher eine kulturelle und keine wissenschaftliche Frage zu sein: Ab wann ist eine Eizelle, ist ein Embryo wirklich ein Mensch?
Knoepfler: Ich darf vielleicht vom 8. Juli den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zitieren. Der hat mit 14 zu drei Stimmen geurteilt, dass die Entscheidung darüber, ab welchem Zeitpunkt das menschliche Leben beginnt, im Ermessensspielraum der einzelnen Staaten liegt. Wenn also schon der Europäische Menschenrechtsgerichtshof so urteilt, dann ist es klar, dass wir weltweit praktisch nur den Konsens erst haben, nach der Geburt. Das, was in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen steht, alle Menschen sind gleich geboren. Also, allen Menschen kommt die Menschenwürde zu mit der Geburt. Was davor ist, das wollte man damals nicht entscheiden, weil wirklich hier die Kulturen ganz unterschiedliche Überzeugungen haben. Das beste Beispiel ist Israel. Israel erlaubt Stammzellforschung, Israel erlaubt verbrauchende Embryonenforschung, weil eben nach der überwiegenden Mehrheit jüdischer Theologen eben der frühe menschliche Embryo noch kein Mensch ist wie du und ich.
Kassel: Nun haben viele aber auch noch eine ganz andere Angst. Das, worüber wir jetzt die ganz Zeit gesprochen haben, ist ja das therapeutische Klonen, also zu medizinischen Zwecken. Viele Menschen glauben, wenn das therapeutische Klonen weiter fortschreitet, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum reproduktiven Klonen, also bis zum Schaffen ganzer menschlicher Wesen, je nach Geschmack? Ist das eine berechtigte Angst?
Knoepfler: Ich muss so sagen, dieser frühe menschliche Embryo ist acht Tage alt, vielleicht zwölf Tage alt. Ein geborener Mensch hat eine Entwicklung von neun Monaten hinter sich, da passiert so unglaublich viel, was ja eben auch das Schaf Dolly so gut zeigt. Wie ungeheuer viele Versuche, über 200 brauchte man, damit es bei einem so weit gekommen ist. Auch was die südkoreanischen Forscher gezeigt haben, dass es überhaupt klappt, bis zum achten, zehnten Tag zu kommen, braucht man schon so einen Aufwand. Das heißt, wenn ich etwas bis zum 14. Tag, also einen menschlichen Embryo bis zum 14. Tag bringe, dann heißt das noch lange nicht, dass er den 20. Tag überlebt. Genau diese Forschung, hier denke ich, tut die Weltgemeinschaft sehr gut daran, dass sie sagt, ab dem 14. Tag oder sagen wir, in dem Moment, wo das ein individuelles Lebewesen ist, wo keine Zwillinge mehr passieren können, wo man praktisch sagen muss, hier beginnt eine neuronale Entwicklung, dass sie da sagen würden, und da hören wir auf. In dem Moment, wo man da aufhört, fehlen über acht Monate Entwicklungszeit, die man aber bräuchte, um wirklich reproduktives Klonen an einen Punkt zu bringen, dass es überhaupt eine echte Möglichkeit ist. Insofern denke ich, die Angst ist zumindest im Blick auf seriöse Wissenschaftler nicht berechtigt, aber es ist eben tatsächlich so, wenn die Dinge mal publiziert sind und wenn es, ich sage es jetzt mal mit einem schlechten Begriff, aber wenn es solche Staaten gäbe, die einfach alles erlauben, und es Forscher gibt, die sozusagen keine moralischen Skrupel haben, dann ist es natürlich möglich, dass da jemand einfach Experimente an Menschen macht. Nur sollte man wissen, dass die Weltgemeinschaft Experimente an Menschen, die auch heute möglich sind, wenn sie gefährliche Experimente sind, weltweit ächtet. Man könnte das ja auch tun, man könnte auch in Deutschland einfach ganz schlimme Experimente mit geborenen Menschen machen, das wäre machbar, aber das tun wir nicht, da haben wir einfach ein moralisches Ethos, das sagt: Nein, das tun wir nicht. Insofern, das ist meine große Hoffnung und auch meine wirkliche Überzeugung, deswegen wird das reproduktive Klonen einfach nicht kommen.
Kassel: Herzlichen Dank: Das war Professor Nikolaus Knoepfler.