Rassismus und Geflüchtete

Wie Unterschiede in der Willkommenskultur entstehen

07:32 Minuten
Frauen aus der Ukraine mit ihren Kindern warten kurz hinter der Grenze zur Ukraine, darauf, von Helfern in Empfang genommen zu werden.
Hellhäutige Frauen scheinen es an der ukrainischen Grenze einfacher zu haben als beispielsweise dunkelhäutige Männer. Das belegen etliche Vorfälle, sagt die Soziologin Teresa Koloma Beck. © picture alliance / dpa / Christoph Reichwein
Teresa Koloma Beck im Gespräch Korbinian Frenzel · 17.03.2022
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Dass ukrainische Geflüchtete oft herzlicher aufgenommen werden als Menschen aus Afghanistan oder Syrien, sei nur natürlich, schließlich würden sie uns näherstehen: Das wird gern behauptet. Die Soziologin Teresa Koloma Beck widerspricht dem vehement.
Die Hilfsbereitschaft und das Entgegenkommen bei Geflüchteten aus der Ukraine ist derzeit hoch, vermutlich höher als bei Menschen aus Syrien oder Afghanistan. Dafür gebe es genug Hinweise und Berichte, sagt die Soziologin Teresa Koloma Beck, die sich in ihrer Forschung mit Migrationsbewegungen beschäftigt.
Ein Beispiel: „Wie mit Geflüchteten an der Grenze unterschiedlich umgegangen wird, wenn es jetzt Studierende beispielsweise aus Afrika oder dem Nahen Osten sind – oder eben ukrainische Mütter mit ihren Kindern.“

Solidarität in Vielfalt

Aber handelt es sich dabei schon um Rassismus? Oder ist ein solches Verhalten nur allzu „natürlich“, weil uns die Menschen aus der Ukraine scheinbar näherstehen? Letzterer These müsse man „stark widersprechen“, sagt Koloma Beck, „weil einfach die Geschichte vieler sozialer Bewegungen dagegenspricht. Es ist nichts Natürliches darin, dass man sich mit Menschen, die einem ähnlicher sind, eher verbindet, weil wir als Menschen ja auch immer entscheiden können.“ Wichtige soziale Bewegungen wie beispielsweise zur Abschaffung der Sklaverei hätten gezeigt: Solidarität könne sich auch in der Verschiedenheit entfalten.
Dass beispielsweise männliche, muslimische Geflüchtete aus der Ukraine es schwerer hätten, hier eine Unterkunft zu bekommen, sei empirisch zutreffend, habe aber keine Notwendigkeit, sondern beruhe „immer auf Entscheidungen und politischen Werten, zu denen man sich bekennt“.

Kolonialisierung und Kalter Krieg

In ihrem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt sich die Soziologin Teresa Koloma Beck mit der Frage, „was für Vorstellungen von Europa eigentlich verhandelt werden in den Kontroversen um die Migrationspolitik“.
Betrachte man dabei die Flüchtlingsbewegung aus dem Süden, sei dabei vor allem die Kolonialisierung entscheidend, aus dem Blick östlicher Länder der Kalte Krieg. „Und da rücken politische Fragen und der alte Systemkonflikt mehr in den Vordergrund“, sagt Koloma Beck, was dazu führt, dass die Geflüchteten unterschiedlich wahrgenommen werden.

Akteure mit eigenen Werten

Die Geflüchteten aus dem Süden werden tendenziell eher in einer "humanitären Logik" gesehen: „Das sind Menschen, die ums nackte Überleben kämpfen und vor schrecklichem Leid auf der Flucht sind.“
Bei den Geflüchteten aus den östlichen Kriegsgebieten habe man dagegen „viel mehr Bewusstsein dafür, dass das Akteure mit einer politischen Subjektivität sind, die selber auch Werte haben, mit denen man sich auf einer normativen politischen Ebene auseinandersetzen kann und muss“. Sie würden daher auch als „sehr viel handlungsmächtiger“ in den Vorstellungen erscheinen.
(lkn)

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