William MacAskill: "Gutes besser tun"

Wie internationale Hilfe wirkt

Dorfbewohnerinnen füllen am Brunnen Wasser ab, im Hintergrund die Tanks, in denen das aufgefangene und gefilterte Regenwasser gelagert wird.
Dorfbewohnerinnen füllen am Brunnen Wasser ab, im Hintergrund die Tanks, in denen das aufgefangene und gefilterte Regenwasser gelagert wird. © picture alliance / dpa / Eva Krafczyk
Von Arno Orzessek · 14.04.2016
Ein Investmentbanker spendet Millionen für die Errichtung von Brunnen. Damit hilft er mehr, als jemand, der eigenhändig Brunnen baut. Das meint der Philosoph William MacAskill. In seinem Buch "Gutes besser tun" prüft er die Wirksamkeit von internationalen Hilfsprogrammen.
Stundenlang laufen, um Wasser von Windmühlenpumpen zu holen, die bei Windstille stillstehen? Dem Südafrikaner Trevor Field leuchtete das nicht ein. Er kombinierte Karussell und Pumpe zur "Spielpumpe": Kinder fördern spielend Brunnenwasser. Das Projekt wurde ein Liebling der Entwicklungsarbeit, unterstützt von Prominenten wie Bill Clinton. Ums Jahr 2007 flossen Millionen Dollar. Allein, die Nachprüfung zeigte: Die Kinder wurden rasch müde, Erwachsene mussten ran, keiner konnte die teure Mechanik reparieren. Die "Spielpumpe" – ein Desaster. Eine zeitgleiche Kampagne gegen Darmwürmer dagegen verbesserte viele messbare Aspekte des afrikanischen Dorflebens – nachhaltig, überprüfbar, kostengünstig.

Das QALY-Konzept als Gradmesser

Wirksam und dauerhaft zu helfen, ist offenbar keine triviale Aufgabe. Wie man sie trotzdem perfekt löst, will der Oxforder Philosoph William MacAskill in Gutes besser tun erklären. Von moralischen Motiven hält er gar nichts, sondern meint: "Um wirksam Gutes zu tun, muss man einen wissenschaftlichen Zugang wählen." Für MacAskill heißt das, jede Hilfeleistung zu quantifizieren, also in berechenbare und vergleichbare Einheiten zu zerlegen. Ob es um Malaria-Prophylaxe, Blindenhund-Training, Katastrophenhilfe oder Bildungsprogramme geht: MacAskill glaubt, vor allem mit Hilfe des QALY-Konzepts (Abkürzung von: Quality-adjusted Live Year, etwa: "qualitätsorientiertes Lebensjahr") bestimmen zu können, wo Geldmittel am effektivsten wirken. Zum Beispiel führt die Therapie eines 40-jährigen AIDS-Kranken nach einigem Formelzauber zu 6,5 QALY, eine Operation, die das Augenlicht einer 20-jährigen rettet, entspricht 30 QALY - also, so MacAskill, "sollten Sie die Augenoperation bezahlen."

Spendende Investmentbanker besser als Brunnenbauer

MacAskill ist unerschütterlicher Utilitarist. Der größtmögliche Nutzen für möglichst viele ist der Fixpunkt seines Denkens, den er zum Fixpunkt jeglicher Hilfe machen will. Seine Leidenschaft gilt dem leidenschaftslosen Vernunftkalkül und der Nachhaltigkeitskontrolle. Das sind zwar keine taufrischen Ideen, doch sein Vortrag ist engagiert, provokant und in Einzelheiten aufschlussreich. MacAskill listet sogar die Hilfsorganisationen auf, die seinen Effizienz-Check bestanden haben. Im übrigen preist er das Prinzip "Verdienen, um zu geben" an: Lieber Investment-Banker werden und Millionen für Brunnen spenden als eigenhändig Brunnen bauen. "Gehorchen Sie nicht der Stimme Ihres Herzens", lautet sein Tipp für Hilfswillige. Entsprechend kontraintuitive Empfehlungen erteilt MacAskill auch in seiner Karriereplanungs-Firma 80.000 Hours.

Leider eine trockene Zahlen-Ideologie

Allein, je flotter die Patentlösungen sprudeln, desto fadenscheiniger wirken sie. Welcher Brunnenbauer in spe kann mal eben auf Erfolgs-Banker umsatteln? Und wie verdient der spendenfreudige Banker eigentlich sein Geld? Gutes besser tun mangelt es an psychologischem Realismus, philosophischer Tiefe und politischem Horizont. Der rationalistische Super-Helfer entpuppt sich als ein roboterhafter Zwilling des hochabstrakten Homo oeconomicus, nur dass er statt dem eigenen nun den fremden Nutzen optimiert. Am Ende erweist sich MacAskills Utilitarismus als trockene Zahlen-Ideologie. Was den Nutzen des Buches für viele Leser mindern dürfte.

William MacAskill: Gutes besser tun. Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können
Ullstein, Berlin 2016
288 Seiten, 18,00 Euro

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