Wie Sport klingt

Der Torschrei und auch die Totenstille

23:54 Minuten
Der Fussballspieler Fabio Borini vom AC Milan feiert ein Tor mit geballter Faust und einem Schrei.
Wie Sport klingt © Getty / Marco Luzzani
Von Florian Felix Weyh · 22.12.2019
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Laute Geräusche sind nicht automatisch Lärm: Denn Lärm ist die Interpretation eines Geräusches und auch mit lauten Geräuschen kommen viele Menschen gut zurecht. Die ganz unterschiedliche Geräuschverträglichkeit gilt auch für den Sport.
Seit 2014 fressen V6-Motoren der Formel 1 weniger Sprit als zuvor. Vor allem sind sie leiser geworden. Gut so? Nein, die Fans gingen auf die Barrikaden: Autorennen müssen dröhnen, sägen, röhren!
"Ich weiß noch, wie ich als sechsjähriger Knirps erstmals live Formel-1-Autos gesehen habe, da hat der Boden vibriert, als die Renner durchpfiffen. Du hast die Autos nicht nur gehört, du hast sie gespürt. Was wir jetzt haben, ist eine Schande!" sagte Rennfahrer Sebastian Vettel im Frühjahr 2014 im Handelsblatt.
Bei Schachmeisterschaften kann schon Hüsteln spielentscheidend sein. "Der Artikel 11 sagt ganz klar, dass es verboten ist, den Gegner in jeglicher Form zu stören. Wird auch sogar explizit 'source of noise' also 'irgendein Geräusch' auch genannt. Also es ist eigentlich schon verpönt, wenn man einen Apfel isst und dann laut schmatzend am Brett nebendran sitzt, dann zieht der Gegner schon 'mal die Augenbraue hoch. Oder wenn’s dann zu schlimm wird, reklamiert er auch", meint Hartmut Metz, Journalist und Schach-Experte.

Snooker braucht Ruhe, aber Fußball?

Lärm, Stille und Sounds prägen den Sport. Welchen Schaden, welchen Nutzen hat Lärm? Wie wirkt sich Stille aus? - "Also nicht umsonst sagt man auch beim Snooker, bei Sportarten, wo man sich sehr stark konzentrieren muss, dass es einfach ruhig sein muss! Dass der Sportler sich konzentrieren kann auf das, was er tut", sagt André Fiebig, Professor für Psychoakustik an der TU Berlin.

Im Fußballstadion kann Stille hingegen verstörend sein: Die Kölner haben beim KSC gespielt. Und das Spiel ging los, die Stimmung war sehr gut, war ein Flutlichtspiel, freitags abends, ausverkauftes Stadion, die Kölner hatten natürlich einen vollen Block dabei. Und dann ab Minute 25, 30, so um den Dreh wurde es dann plötzlich still. Erst dachte man "Na gut, der liegt da, um vielleicht Zeit zu schinden." Oder man wusste nicht so recht, was los ist! Er lag auf jeden Fall auf dem Boden und die erste Reaktion des Publikums waren erstmal Pfiffe. Und dann wurde es irgendwie stiller, dann kamen plötzlich Sanitäter auf den Platz, der Schiedsrichter hat mit den Armen gewedelt. Die Spieler sahen so ein bisschen ratlos aus. Das Ganze stockte irgendwie, und plötzlich hat man auf der Tribüne gespürt: 'Huch, da geht offenbar was vor, was sonst nicht so auf der Tagesordnung steht.' Nach einer gefühlten Ewigkeit kam dann die Durchsage vom Karlsruher Stadionsprecher, dass der Spieler außer Lebensgefahr sei. Und dann war das wie so eine große Entladung! Da gab’s dann erstmal Applaus von der Tribüne", berichtet David Joram, Sportjournalist.

Wenn Jubel Stress auslöst

FC Bayern gegen Borussia Dortmund ohne Fanunterstützung? - Undenkbar! Ein Fußballspiel im leeren Stadion ist die Maximalstrafe. Für viele Sportlehrer wird dagegen der Unterricht zur akustischen Zumutung: Kinder können derart kreischen, brüllen, stampfen!
"Es hat sich gezeigt, dass der Lärm im Sportunterricht ganz oben steht, bei den Belastungen im Bewegungs- und Sportunterricht. Sehr, sehr viele Lehrer berichten davon, dass es gerade, wenn sie schon jahrelang im Unterrichtsgeschehen tätig sind, dass der Lärm und die hohe Lautstärke im Sportunterricht für sie immer mehr zu einer Belastung wird", sagt Sportlehrerin Stephanie Holzner, die in ihrer Magisterarbeit über Stress bei Sportlehrern forschte. "Andere haben gesagt, dass sie in der Freizeit, also nach der Arbeit, dann gar keinen Lärm mehr aushalten, also nicht 'mal Musik, sondern wirklich dann absolute Ruhe brauchen. Weil eben für sie im beruflichen Alltag dieser Lärm so übermächtig ist."

Bewegungsmotivation mit Geräuschen

Zwischen "WRRROOAM" und "PSSSST!" liegt der Sound. Ihn setzt die Sonifikation für Trainings- und Rehazwecke ein: Wer die eigene Muskelarbeit hören kann, korrigiert Bewegungsfehler leichter. "'Sonifikation' bedeutet erstmal eigentlich die systematische Vertonung oder akustische Transformation von Daten. Also das ist der Gedanke dahinter, dass Sie mit dem Körper - jetzt will ich aber nicht sagen 'musizieren', denn Musik wird’s in der Regel nicht - Soundsequenzen erzeugen können", erläutert der Sportwissenschaftler Alfred Effenberg von der Universität Hannover.
"Wenn der Patient quasi den einen Arm überhaupt nicht mehr spürt, bekommt er ihn in Form eines akustischen Armes von uns angeboten. Wiederum kontinuierlich und in Echtzeit. Und kann dann quasi diesen Klang, den er hört, der ihm dann eine Information gibt, in welcher Position sich dieser Arm befindet, kann er quasi über eine intendierte Veränderung dieses Klanges, dieses Ist-Zustandes, eine bestimmte Handlung initiieren und auch kontrollieren."
So kommt der Sport ins Klingen.
Erstsendedatum: 21. April 2019
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