Kulturjournalist über Corona-App

Die Unterscheidung von Gut und Böse im Datenschutz

05:12 Minuten
Eine junge Frau mit Schutzmaske blickt auf ihr Smartphone. (Symbolbild)
Die geplante Corona-App soll Kontaktpersonen von Covid-19-Infizierten warnen. © SVEN SIMON
Tobi Müller im Gespräch mit Nana Brink · 27.04.2020
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Die Corona-App kommt voraussichtlich in einigen Wochen. Anders als bisher geplant, sollen die Daten dezentral gespeichert werden. Eine Entscheidung, die der Kulturjournalist Tobi Müller grundsätzlich begrüßt. Doch er sieht auch Probleme.
Nach langen Diskussionen soll in Deutschland demnächst eine Corona-App mit dezentraler Speicherung der Daten eingeführt werden, um Ansteckungsketten frühzeitig zu erkennen und das Virus so einzudämmen. Der Kulturjournalist Tobi Müller, der selbst eine solche App nutzen würde, sieht zwar noch Fragen offen, stellt aber fest, dass es eine Offenheit für das Projekt gibt, quer durch die Gesellschaft.
"Ich finde es zumindest sehr bemerkenswert an dieser Diskussion, dass es Koalitionen gibt, die man sich vor ein paar Monaten nicht hätte vorstellen können, nämlich dass Datenschützer*innen und überwachungssensible Sprecher*innen jetzt für das Modell der Plattformen votieren – also für Google und Apple, die jetzt den besseren Vorschlag haben in ihren Augen als es der Staat gemacht hat, der zentral speichern wollte."
Porträt von Tobi Müller, Schweizer Journalist und Autor in Berlin 2013.
Kulturjournalist und Autor Tobi Müller.© laif/ Wolfgang Stahr
Müller meint, Gesundheitsminster Jens Spahn (CDU) hätte in diesem Fall "ein bisschen vorsichtiger" sein können. Denn eines sei klar:
"Das ist die eigentliche Unterscheidung von Böse und Gut im Datenschutz. Werden die Daten zentral gespeichert, sind sie dann auch anfällig dafür, gehackt zu werden oder missbraucht zu werden – oder macht man das dezentral wie die Blockchain-Technologie, die hinter den Bitcoinwährungen, den Kryptowährungen steht."

Dezentrale Speicherung verbraucht viel CO2

Allerdings sei letztere Lösung energieintensiv. Das sei eine Debatte, die momentan nicht richtig geführt werde. Auch die Freiwilligkeit bei diesem Projekt betrachtet Müller mit Skepsis:
"Was heißt schon Freiwilligkeit? Wir haben auch einen Datenvoluntarismus, wie wir wissen. Wir geben sehr viele Daten preis auf Plattformen, die uns diese Technologie wieder liefern." Dass die Deutschen also "datensensibel" seien, hält der Journalist für ein Gerücht.
Doch er geht davon aus, dass es bald einen gesellschaftlichen Zwang gebe, die Corona-App zu nutzen - nämlich dann, wenn sich die Pandemie verschärfe: "Ich glaube, der Druck wird sozial größer sein, als es jede Regierung quasi verfassungsrechtlich in Deutschland zu tun imstande wäre."
(bth)

Das gesamte Gespräch mit Tobi Müller hören Sie hier:

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