Weselskys operativer Gegner

Der Meister des Ersatzfahrplans

Ein Ersatzfahrplan hängt im Hauptbahnhof in Magdeburg aus.
Eine planerische Meisterleistung für die Verkehrsleitung der Bahn: der Ersatzfahrplan. © picture alliance / dpa / Jens Wolf
Von Ludger Fittkau · 05.05.2015
Martin Bläß ist Chef der zentralen Verkehrsleitung der Bahn. Er ist der Mann, der mit seinem Team auch in dieser Woche im Fernverkehr trotz GDL-Streik rund ein Drittel der Züge fahren lässt. Im Zweifel gilt für ihn: "Wir planen einfach um."
Ein Großraumbüro in Frankfurt am Main, nicht weit vor Hauptbahnhof entfernt. Rund 30 Frauen und Männer vor Bildschirmen. Das Zentrum der so genannten operativen Betriebsführung des gesamten deutschen Bahn-Fernverkehrs. Martin Bläß ist hier einer der Chefs:
"Wir sind jetzt im Großraumbüro der Disposition, gemeinsam zentrale Verkehrsleitung und zentrales Fahrzeug-Management. Sprich – wir achten auf den Verkehr und die Kollegen vom Fahrzeug-Management achten darauf, dass wir zur richtigen Zeit die richtigen Fahrzeuge am richtigen Ort haben."
"Das hier ist also das Herz des gesamten Bahn-Planungssystems?"
"Definitiv. In der operativen Betriebsführung ist das hier tatsächlich das Herz."
Martin Bläß ist 46 Jahre alt. Der schmale Diplom-Verwaltungsbetriebswirt wirkt ein wenig erschöpft, aber zufrieden. Denn er wird Claus Weselsky und den streikenden Lokführern der GDL in den nächsten Tagen wieder einiges entgegensetzen. Züge im Fernverkehr nämlich, die fahren:
"Das ist wieder mal ein besonderer Tag. Wir sind vor wenigen Stunden fertig geworden, den Ersatzfahrplan für die nächsten Tage ins Internet einzuspielen. Damit die Kunden in der Verbindungsauskunft dann auch sehen, was in den nächsten Tagen fahren wird und was leider nicht fahren wird."
Der Osten ist vom Streik mehr betroffen
Rund ein Drittel des normalen Fernverkehrs werden Martin Bläß und seine Leute in dieser Woche anbieten können –vor allem in den westlichen Bundesländern. Im Osten sieht das anders aus. Da ist die GDL besser organisiert, die Streikbereitschaft deutlich höher als etwa im Rheinland. Deswegen vermeidet es Martin Bläß schon zu Wochenbeginn, Züge in den Osten der Republik zu schicken, wenn es geht.
"Und wir müssen heute schon einige Züge nach Rostock oder nach Binz in Hamburg enden lassen. Weil wenn wir sie dorthin fahren würden, dann würden die Züge dort sieben Tage stehen. Dann wächst da bald Moos dran."
Heißt im Klartext: Die Züge des Ersatzfahrplans werden überwiegend im Westen fahren:
"Es konzentriert sich tatsächlich auf die Nord-Süd-Achsen im Westen der Republik, also Hamburg, Fulda, Würzburg, München. Beziehungsweise von Fulda Richtung Frankfurt, Mannheim Richtung Basel runter. Beziehungsweise unsere Schnellfahrstrecke, die wir noch haben aus dem Ruhrgebiet runter nach Rhein-Main."
Das jetzt der längste Streik läuft, den die Bahn in ihrer Geschichte je erlebt hat, bringt Martin Bläß nicht aus der Ruhe. Andererseits sieht er in der Zeitspanne dieser Woche Herausforderungen, die es in den kürzeren Streikrunden der vergangenen Monate noch nicht gab:
"Wir planen einfach um"
"Ich will nicht sagen, dass die Zeitspanne für uns unerheblich ist. Weil das, was wir als Ersatzfahrplan haben, ist eine Tagesplanung. Das heißt, wir können jederzeit in diesen Ersatzfahrplan einschwingen und wir kommen auch jederzeit nach beliebigen Zeiträumen wieder raus. Die Komplexität erhöht sich ein wenig, umso länger der Streik andauert, umso mehr Fahrzeuge laufen sich tot, so sagen wir bei uns. Das heißt, nach bestimmten Zeitintervallen müssen die in die Werkstatt. Und das ist auch eine Herausforderung, die wir im Ersatzfahrplan - das sieht der Kunde nicht – nebenher bewerkstelligen müssen, das wir die Fahrzeuge alle rechtzeitig in die Werkstatt kriegen, damit wir sie nach dem Streik wieder alle rechtzeitig zur Verfügung haben."
"Wir planen um. Wir planen einfach um."
Martin Bläß plant schon den kommenden Sonntag. Das ist der Tag, an dem der GDL-Streik enden soll. Mitten in einer Schicht. Das ist eine neue Herausforderung für Bläß und sein Team in Frankfurt am Main.
"Jetzt haben wir die Besonderheit, der Streik endet Sonntag um 9. 00 Uhr. Und wir können jetzt den Kunden schlecht verkaufen, wir fahren Sonntag noch nach Ersatzfahrplan. Das würde er nicht verstehen. Und selbst wenn er es verstehen würde, es würde ihm nicht helfen. Denn er will ja von A nach B kommen am Sonntag. Und wir planen jetzt den Sonntag mehr oder weniger komplett neu. Das wir möglichst früh schon in der Mittagszeit wieder einn anständiges, belastbares Angebot haben."
"Wir planen um. Wir planen einfach um."
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