Wertebildung der Kinder hängt von den Eltern ab

Von Eva Wolk |
Die Forschungsgruppe will klären, ob die Ziele des Kommunionsunterrichts, nämlich die Vermittlung religiöser Werte, erfüllt werden. Dafür sprachen die Wissenschaftler drei Jahre lang mit Kindern und deren Eltern. Das Ergebnis: Viel hängt von den Eltern selbst ab.
Joana: "Früher sind wir Weihnachten jedes Jahr in die Kirche gegangen, Kindergottesdienste waren wir auch und die Mama hat uns manchmal auch aus der Bibel vorgelesen ."

Tabea: "Es war nie so, dass wir gezwungen wurden, in die Kirche zu gehen oder so, wir konnten das alles freiwillig machen, und auch Konfi war freiwillig."

Joana: "Und ich war halt jetzt auch nie so eine, die sich dann so mega gefreut hat, ja, wir gehen jetzt in die Kirche, sondern einfach: Ich guck das an. Ich glaub' nicht an Gott, ich hab noch nie dran geglaubt, und es ist einfach 'ne Sache, die für mich nicht relevant ist, mit der ich mich nicht auseinandersetzen will."

Tabea: "Ich find's gut, wenn man ehrlich ist und sagt, ja, man glaubt nicht an Gott und alles"

Joana: "Religionsunterricht war halt auch so 'ne Sache... Als ich erste bis vierte Klasse war, waren die Geschichten natürlich ganz toll, die da so erzählt wurden und es war auch superspannend, aber - es waren halt Geschichten, und ich hab' auch nicht dran geglaubt."

Luise: "Ja, für mich ist das sehr wichtig, weil ich bin einfach mit der Kirche aufgewachsen, und fast meine ganze Familie glaubt einfach an Gott und es war auch einfach so, dass bei irgendwelchen Feiertagen oder Festen, dass immer irgendeine Geschichte vorgelesen wurde oder dass man einfach drüber geredet hat. Es hat einfach 'ne Bedeutung, und ich denke, es bringt einem im Leben was, wenn man dran glaubt. An Gott."

Joana, ihre Schwester Tabea und deren Freundin Luise sitzen zusammen und reden über ihre Einstellung zur Religion. Joana ist 16, Tabea 13, Luise 14 Jahre alt. Luises Familie ist durchweg gläubig; die Eltern von Joana und Tabea haben beide unterschiedliche Ansichten.

Mutter: "Ich selber stehe der Kirche nah, und ich hab sie immer in die Gottesdienste mitgenommen, es gibt da Kindergottesdienst. Es war praktisch ein Angebot von mir, dass sie sich anschauen können, ob das ein Raum wäre, in dem sie sich wohlfühlen könnten."

Vater: "Ich hab' keinen Bezug zur Religion. Ich glaub' an des, was is', und versuch', meine Kinder dementsprechend zu erziehen. Das heißt: Respekt gegenüber den Mitmenschen, Achtung vor den Mitmenschen. Aber für solche Grundwerte brauch' ich eigentlich keine Kirche, das ist eigentlich ein Grundelement von Erziehung."

Professor Hermann: "Wie entstehen eigentlich Werte, insbesondere religiöse Werte? Wir hatten eigentlich erwartet, dass die Kinder einfach die Werte der Eltern übernehmen. Und das ist einfach so nicht der Fall."

Der Soziologe Professor Dieter Hermann ist vom Institut für Kriminologie an der Universität Heidelberg, die bei der Werte-Studie der Forschungsgruppe "Religion und Gesellschaft" die Federführung hat.

"Das, was sie übernehmen, das sind schlicht nur die religiösen Werte. Also wenn die Eltern sagen, sie richten ihr Leben nach der christlichen Religion aus, dann befürworten das auch die Kinder. Wenn ihnen Gott im Leben sehr wichtig ist, dann ist das bei den Eltern und bei den Kindern der Fall. Und das gilt nicht nur für christliche Religionen, sondern das gilt für jede Art von Religion, die wir untersucht haben."

Und auf dieser Grundlage religiöser Werte bilden sich bei den Kindern die weiteren Werte: idealistische, soziale, materialistische.

"Das heißt also, diese Werte werden nicht einfach vermittelt, indem die Kinder sie übernehmen, sondern es scheint so zu sein, dass die religiösen Werte so 'ne Folie bilden, eine Plattform, auf der sich dann andere Werte ausbilden. Das heißt also, religiöse Werte sind die Schaltstelle, die Schnittstelle in der Wertesozialisation der Kinder - der Bereich, an dem sich andere Werte ausbilden.

Wenn jemandem christliche Werte sehr wichtig sind, dann wird er auch idealistische Werte präferieren, dann hat er eine gewisse Vorliebe für die Orientierung an Tradition - das Gute bewahren, Schöpfung erhalten -, dann ist ne gewisse Ablehnung da gegenüber egoistisch-hedonistischen Werten.

Wenn die Eltern religiöse Werte ablehnen, dann wird das auch auf die Kinder übertragen, dann lehnen sie auch religiöse Werte ab, und dann bilden sich auch andere Wertepräferenzen. Also dann sind's eher materialistische Werte, die wichtig sind, hedonistische Werte."

Und was ist, wenn die Eltern zwar nicht religiöse, aber doch wesentliche ethische Werte vorleben, etwa auf der Grundlage des Kantschen Kategorischen Imperativs? Das ist nicht dasselbe, sagt Hermann:

"Also diese religiösen Werte schlagen einfach durch. Ich denk, das liegt einfach an der Überzeugungskraft der christlichen Religion. Bei Kant, denk ich, hat man ein ganz allgemeines Handlungs-Prinzip, und die Rechtfertigung für dieses Handlungsprinzip ist natürlich außerordentlich schwierig. Und diese Rechtfertigung von Handlung, die findet man in Religionen eigentlich in viel einfacherer Form - 'ne Form, denk ich, die auch ein Kind versteht."

Ausgangsfrage der Studie war, ob der Erstkommunions-Unterricht seine Ziele erreicht, also die Vermittlung religiöser Werte. Darüber hinaus stellte sich die Forschungsgruppe "Religion und Gesellschaft" weitere konkrete Fragen:

"Wie entwickelt sich Religiosität bei Kindern, wie entstehen Werte, wie entstehen religiöse Werte, welchen Einfluss haben die Eltern, welchen Einfluss haben Lehrer - und wie wirkt sich dann die Vermittlung solcher Werte auf das Leben der Menschen aus?"

Zur Zeit geht die Studie in ihren zweiten Teil: Die Befragungsrunden direkt nach der Erstkommunions-Katechese. Das Gesamtergebnis soll Ende 2012 vorliegen.

"Zudem haben wir dann noch erfasst, wie der Erstkommunionsunterricht abgehalten wird. Da gibt es ja zig Formen, zig Variationen in der Organisation, in der Gestaltung. Und ich denke, wir werden auch feststellen können, wie sich die Gestaltung des Erstkommunions-Unterricht auf Veränderungen, auf die Zielerreichung auswirkt. So dass wir auch sagen können, welche Formen besonders effizient sind und welche nicht. Also das hat dann ganz praktische religionspädagogische Konsequenzen."

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