Neuer Konzertsaal in München
Im Münchner Werksviertel soll ein neuer Konzertsaal entstehen, doch das Projekt ist umstritten. Für das Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (Foto) wäre er die Heimstätte. © picture alliance/dpa/Matthias Balk
Baut ihn nicht!
03:48 Minuten
Braucht München einen vierten Konzertsaal? Die Klassikszene der Stadt meint ja. Tobias Krone, unser Landeskorrespondent für Bayern, sagt nein: Die bestehenden Spielstätten reichen aus. Ein milliardenteures Prestigeobjekt sei derzeit niemandem zu vermitteln.
Ganz am Anfang sei gesagt: Markus Söder hat recht. München braucht keinen vierten Konzertsaal. Doch zunächst einmal ist es nicht ganz leicht, den geplanten und möglicherweise bald gecancelten Konzertsaal im Werksviertel in der Münchner Klassiklandschaft zu verorten, die ja etwas unübersichtlich geworden ist.
Am Anfang war in München der Herkulessaal in der königlichen Residenz. Weil dieser lange Schuhschachtelsaal nicht den heutigen Anforderungen entspricht, baute die Stadt München für das städtische Orchester der Philharmoniker und das BR-Sinfonieorchester in den Achtzigerjahren den sogenannten Gasteig.
Schlechte Akustik im Gasteig
Mit der Akustik dort war man von Anfang an nicht zufrieden – allen voran der amerikanische Dirigent und Komponist Leonard Bernstein. Der schrieb gleich nach der Eröffnung den wenig schmeichelhaften Satz ins Gästebuch: Burn it! Verbrennt diese Philharmonie!
Nun saniert die Stadt München ihre Gasteig-Philharmonie aufwendig – inklusive einer Kompletterneuerung der ungeliebten Akustik. Eine halbe Milliarde soll die Sanierung kosten, Corona hin, Ukraine her. Die Stadtpolitik räumt diesem Projekt klar Priorität ein.
Als Interimsstätte ließ man sich vom Star-Akustiker Yasuhisa Toyota, bekannt von der Elbphilharmonie, einen Konzertsaal aus Holz erbauen: die sogenannte Isarphilharmonie. Bei der Einweihung vor einigen Monaten schloss Münchens Klassikpublikum den Interims-Holzbau augenblicklich ins Herz. Und theoretisch haben ihn die Architekten noch für viele weitere Jahrzehnte konzipiert.
Prestigeprojekt von Horst Seehofer
Wenn also der Gasteig umgebaut ist, könnte die Isarphilharmonie einfach stehen bleiben – als zweite Philharmonie, finden manche grün-roten Stadtpolitiker.
Das findet jetzt auch Markus Söder von der CSU, der zu erkennen gibt: Der neue, zusätzliche und exklusive Konzertsaal, den der Freistaat Bayern im Münchner Werksviertel plant, könnte mit über einer Milliarde zu teuer werden, zu teuer für diese teuren Zeiten. Die dominierende CSU im bayerischen Landtag hat sich in Teilen ohnehin bis heute nicht mit dem kostspieligen Prestigeprojekt ihres einstigen Chefs Horst Seehofer anfreunden können.
Die Kritik aus der Klassikszene an Söders Infragestellung ist erwartbar. Schließlich hat das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks bis heute keinen eigenen Konzertsaal – der Bau im Werksviertel sollte dem Klangkörper vorbehalten sein, inklusive seinem künftigen Star-Dirigenten Sir Simon Rattle.
Keine Überkapazitäten schaffen
Allein: Es ist niemandem zu vermitteln, in diesen Zeiten Theaterbudgets zu kürzen und gleichzeitig eine Milliarde Euro für einen vierten Konzertsaal und damit für Überkapazitäten auszugeben.
Für die Pläne des Werkviertel-Konzertsaals lassen sich frei nach Bernstein vor allem zwei Worte finden: Dump them – begrabt sie!